Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweites Kapitel. §. 52. durch die Art, wie ihr zufolge zwischen beiden Theilenmit A. T.lichen Stellen hin- und hergefochten wird, der evangelischen verwandt ist 13). Die zweite Versuchung war nicht ebenso durch den Zusammenhang mit dem Vor- hergegangenen bestimmt, wie die erste, sie tritt daher ab- gebrochen auf und die Auswahl derselben kann zufällig und willkührlich erscheinen. In Bezug auf die Form der- selben mag diess der Fall sein; aber ihr Inhalt steht dadurch mit dem der vorhergehenden in genauem Zusammenhang, dass auch er aus dem Benehmen des jüdischen Volks in der Wüste genommen ist. Diesem war 5. Mos. 6, 16. die Er- 13) Gemara Sanh. meldet das oben not. 6. Angeführte, wo dann
das colloquium zwischen Abraham und Satan ferner so lautet: 1. Satanas: Annon tentare te (Deum) in tali re aegre fe- ras? Ecce erudiebas multos -- labantem erigebant verba tua -- quum nunc advenit ad te (Deus taliter te tentans) nonne aegre ferres (Job. 4, 2--5.)? Cui resp. Abraham: ego in integritate mea ambulo (Ps. 26, 11.). 2. Satanas: Annon timor tuus, spes tua (Job. 4, 6.)? Abraham: recordare quaeso, quis est insons, qui perierit (V. 7.)? 3. Quare, quum videret Satanas, se nihil proficere, nec Abrahamum sibi obedire, dixit ad illum: et ad me verbum furtim ablatum est (V. 12.), audivi -- pecus futurum esse pro holocausto (Gen. 22, 7.) non autem Isaacum. Cui respondit Abraham: Haec est poena mendacis, ut etiam cum vera loquitur, fides ei non habeatur. Ich bin weit entfernt, zu behaupten, dass diese rabbini- sche Darstellung das Vorbild unsrer Versuchungsgeschichte gewesen sei; wenn man dagegen von der andern Seite eben- so wenig beweisen kann, dass dergleichen Darstellungen sich nur als Nachbilder der neutestamentlichen haben gestalten kön- nen: so weist die voraussezlich unabhängige Entstehung so entsprechender Erzählungen bestimmt genug darauf hin, wie leicht sie aus den gegebenen Prämissen sich von selbst bil- den konnten. Zweites Kapitel. §. 52. durch die Art, wie ihr zufolge zwischen beiden Theilenmit A. T.lichen Stellen hin- und hergefochten wird, der evangelischen verwandt ist 13). Die zweite Versuchung war nicht ebenso durch den Zusammenhang mit dem Vor- hergegangenen bestimmt, wie die erste, sie tritt daher ab- gebrochen auf und die Auswahl derselben kann zufällig und willkührlich erscheinen. In Bezug auf die Form der- selben mag dieſs der Fall sein; aber ihr Inhalt steht dadurch mit dem der vorhergehenden in genauem Zusammenhang, daſs auch er aus dem Benehmen des jüdischen Volks in der Wüste genommen ist. Diesem war 5. Mos. 6, 16. die Er- 13) Gemara Sanh. meldet das oben not. 6. Angeführte, wo dann
das colloquium zwischen Abraham und Satan ferner so lautet: 1. Satanas: Annon tentare te (Deum) in tali re aegre fe- ras? Ecce erudiebas multos — labantem erigebant verba tua — quum nunc advenit ad te (Deus taliter te tentans) nonne aegre ferres (Job. 4, 2—5.)? Cui resp. Abraham: ego in integritate mea ambulo (Ps. 26, 11.). 2. Satanas: Annon timor tuus, spes tua (Job. 4, 6.)? Abraham: recordare quaeso, quis est insons, qui perierit (V. 7.)? 3. Quare, quum videret Satanas, se nihil proficere, nec Abrahamum sibi obedire, dixit ad illum: et ad me verbum furtim ablatum est (V. 12.), audivi — pecus futurum esse pro holocausto (Gen. 22, 7.) non autem Isaacum. Cui respondit Abraham: Haec est poena mendacis, ut etiam cum vera loquitur, fides ei non habeatur. Ich bin weit entfernt, zu behaupten, dass diese rabbini- sche Darstellung das Vorbild unsrer Versuchungsgeschichte gewesen sei; wenn man dagegen von der andern Seite eben- so wenig beweisen kann, dass dergleichen Darstellungen sich nur als Nachbilder der neutestamentlichen haben gestalten kön- nen: so weist die voraussezlich unabhängige Entstehung so entsprechender Erzählungen bestimmt genug darauf hin, wie leicht sie aus den gegebenen Prämissen sich von selbst bil- den konnten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0449" n="425"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Kapitel</hi>. §. 52.</fw><lb/> durch die Art, wie ihr zufolge zwischen beiden Theilen<lb/> mit A. T.lichen Stellen hin- und hergefochten wird, der<lb/> evangelischen verwandt ist <note place="foot" n="13)">Gemara Sanh. meldet das oben not. 6. Angeführte, wo dann<lb/> das colloquium zwischen Abraham und Satan ferner so lautet:<lb/> 1. <foreign xml:lang="lat">Satanas: Annon tentare te (Deum) in tali re aegre fe-<lb/> ras? Ecce erudiebas multos — labantem erigebant verba tua<lb/> — quum nunc advenit ad te (Deus taliter te tentans) nonne<lb/> aegre ferres (Job. 4, 2—5.)?<lb/> Cui resp. Abraham: ego in integritate mea ambulo (Ps.<lb/> 26, 11.).<lb/> 2. Satanas: Annon timor tuus, spes tua (Job. 4, 6.)?<lb/> Abraham: recordare quaeso, quis est insons, qui perierit<lb/> (V. 7.)?<lb/> 3. Quare, quum videret Satanas, se nihil proficere, nec<lb/> Abrahamum sibi obedire, dixit ad illum: et ad me verbum<lb/> furtim ablatum est (V. 12.), audivi — pecus futurum esse pro<lb/> holocausto (Gen. 22, 7.) non autem Isaacum.<lb/> Cui respondit Abraham: Haec est poena mendacis, ut<lb/> etiam cum vera loquitur, fides ei non habeatur.</foreign><lb/> Ich bin weit entfernt, zu behaupten, dass diese rabbini-<lb/> sche Darstellung das Vorbild unsrer Versuchungsgeschichte<lb/> gewesen sei; wenn man dagegen von der andern Seite eben-<lb/> so wenig beweisen kann, dass dergleichen Darstellungen sich<lb/> nur als Nachbilder der neutestamentlichen haben gestalten kön-<lb/> nen: so weist die voraussezlich unabhängige Entstehung so<lb/> entsprechender Erzählungen bestimmt genug darauf hin, wie<lb/> leicht sie aus den gegebenen Prämissen sich von selbst bil-<lb/> den konnten.</note>. Die zweite Versuchung<lb/> war nicht ebenso durch den Zusammenhang mit dem Vor-<lb/> hergegangenen bestimmt, wie die erste, sie tritt daher ab-<lb/> gebrochen auf und die Auswahl derselben kann zufällig<lb/> und willkührlich erscheinen. In Bezug auf die Form der-<lb/> selben mag dieſs der Fall sein; aber ihr Inhalt steht dadurch<lb/> mit dem der vorhergehenden in genauem Zusammenhang, daſs<lb/> auch er aus dem Benehmen des jüdischen Volks in der<lb/> Wüste genommen ist. Diesem war 5. Mos. 6, 16. die Er-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [425/0449]
Zweites Kapitel. §. 52.
durch die Art, wie ihr zufolge zwischen beiden Theilen
mit A. T.lichen Stellen hin- und hergefochten wird, der
evangelischen verwandt ist 13). Die zweite Versuchung
war nicht ebenso durch den Zusammenhang mit dem Vor-
hergegangenen bestimmt, wie die erste, sie tritt daher ab-
gebrochen auf und die Auswahl derselben kann zufällig
und willkührlich erscheinen. In Bezug auf die Form der-
selben mag dieſs der Fall sein; aber ihr Inhalt steht dadurch
mit dem der vorhergehenden in genauem Zusammenhang, daſs
auch er aus dem Benehmen des jüdischen Volks in der
Wüste genommen ist. Diesem war 5. Mos. 6, 16. die Er-
13) Gemara Sanh. meldet das oben not. 6. Angeführte, wo dann
das colloquium zwischen Abraham und Satan ferner so lautet:
1. Satanas: Annon tentare te (Deum) in tali re aegre fe-
ras? Ecce erudiebas multos — labantem erigebant verba tua
— quum nunc advenit ad te (Deus taliter te tentans) nonne
aegre ferres (Job. 4, 2—5.)?
Cui resp. Abraham: ego in integritate mea ambulo (Ps.
26, 11.).
2. Satanas: Annon timor tuus, spes tua (Job. 4, 6.)?
Abraham: recordare quaeso, quis est insons, qui perierit
(V. 7.)?
3. Quare, quum videret Satanas, se nihil proficere, nec
Abrahamum sibi obedire, dixit ad illum: et ad me verbum
furtim ablatum est (V. 12.), audivi — pecus futurum esse pro
holocausto (Gen. 22, 7.) non autem Isaacum.
Cui respondit Abraham: Haec est poena mendacis, ut
etiam cum vera loquitur, fides ei non habeatur.
Ich bin weit entfernt, zu behaupten, dass diese rabbini-
sche Darstellung das Vorbild unsrer Versuchungsgeschichte
gewesen sei; wenn man dagegen von der andern Seite eben-
so wenig beweisen kann, dass dergleichen Darstellungen sich
nur als Nachbilder der neutestamentlichen haben gestalten kön-
nen: so weist die voraussezlich unabhängige Entstehung so
entsprechender Erzählungen bestimmt genug darauf hin, wie
leicht sie aus den gegebenen Prämissen sich von selbst bil-
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