Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Drittes Kapitel. §. 56. so müsste zweierlei stattfinden: einmal von Seiten der dreiersten Evangelisten, dass sie, so oft bei dem vierten von einem Festaufenthalt die Rede ist, eine Abreise Jesu aus Galiläa anzeigten; dann von Seiten des Johannes, dass er dieselben galiläischen Begebenheiten, welche die Synopti- ker in Einem Zuge berichten, zwischen die verschiedenen Feste hinein vertheilt erzählte oder andeutete. Allein jene Anzeigen von Seiten der Synoptiker finden sich nach dem Obigen gar nicht; Johannes aber trifft bekanntlich zwischen der Taufe Jesu und den lezten Ereignissen seines Lebens nur in zwei bis drei Erzählungen mit den übrigen Evan- gelisten zusammen. Das ou"po en beblemenos eis ten phula- ken o Ioannes (Joh. 3, 24.), woraus man zu schliessen pflegt, Matthäus, welcher Jesum erst nach des Täufers Ver- haftung nach Galiläa zurückkehren lässt, melde nicht die Rückkehr von der Taufe, sondern vom ersten Paschafest 1), ist, weit entfernt einen chronologischen Vereinigungspunkt der synoptischen Berichte mit dem johanneischen an die Hand zu geben, vielmehr ein Beweis ihrer völligen Unverein- barkeit. Das nächste, aber von den meisten bezweifelte Zu- sammentreffen findet bei der Heilung des Sohns eines ba- silikos nach Joh. 4, 46 ff, oder des Knechts eines ekaton- tarkhos Matth. 8, 5 ff. Luc. 7, 1 ff. statt, welche Johannes unmittelbar (V. 47.) nach der Zurückkunft Jesu von seinem längeren Au[f]enthalt in Judäa und Samarien bei und nach dem ersten Paschafeste sezt. Nun müsste also unmittelbar vor der entsprechenden Erzählung bei den Synoptikern ei- ne Andeutung der ersten Festreise Jesu sich finden. Aber nicht einmal eine Spalte für die mögliche Einfügung dieser Reise findet man, da den Synoptikern zufolge jene Heilung vor sich geht, nachdem Jesus eben die Bergrede gehalten, welche, namentlich nach Matthäus, mit dem übrigens auch 1) vrgl. Paulus, Leben Jesu, 1, a, S. 214 f.
Drittes Kapitel. §. 56. so müſste zweierlei stattfinden: einmal von Seiten der dreiersten Evangelisten, daſs sie, so oft bei dem vierten von einem Festaufenthalt die Rede ist, eine Abreise Jesu aus Galiläa anzeigten; dann von Seiten des Johannes, daſs er dieselben galiläischen Begebenheiten, welche die Synopti- ker in Einem Zuge berichten, zwischen die verschiedenen Feste hinein vertheilt erzählte oder andeutete. Allein jene Anzeigen von Seiten der Synoptiker finden sich nach dem Obigen gar nicht; Johannes aber trifft bekanntlich zwischen der Taufe Jesu und den lezten Ereignissen seines Lebens nur in zwei bis drei Erzählungen mit den übrigen Evan- gelisten zusammen. Das ου῎πω ἦν βεβλημένος εἰς τὴν φυλα- κὴν ὁ Ἰωάννης (Joh. 3, 24.), woraus man zu schlieſsen pflegt, Matthäus, welcher Jesum erst nach des Täufers Ver- haftung nach Galiläa zurückkehren läſst, melde nicht die Rückkehr von der Taufe, sondern vom ersten Paschafest 1), ist, weit entfernt einen chronologischen Vereinigungspunkt der synoptischen Berichte mit dem johanneischen an die Hand zu geben, vielmehr ein Beweis ihrer völligen Unverein- barkeit. Das nächste, aber von den meisten bezweifelte Zu- sammentreffen findet bei der Heilung des Sohns eines βα- σιλικὸς nach Joh. 4, 46 ff, oder des Knechts eines ἑκατόν- ταρχος Matth. 8, 5 ff. Luc. 7, 1 ff. statt, welche Johannes unmittelbar (V. 47.) nach der Zurückkunft Jesu von seinem längeren Au[f]enthalt in Judäa und Samarien bei und nach dem ersten Paschafeste sezt. Nun müſste also unmittelbar vor der entsprechenden Erzählung bei den Synoptikern ei- ne Andeutung der ersten Festreise Jesu sich finden. Aber nicht einmal eine Spalte für die mögliche Einfügung dieser Reise findet man, da den Synoptikern zufolge jene Heilung vor sich geht, nachdem Jesus eben die Bergrede gehalten, welche, namentlich nach Matthäus, mit dem übrigens auch 1) vrgl. Paulus, Leben Jesu, 1, a, S. 214 f.
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Drittes Kapitel. §. 56.
so müſste zweierlei stattfinden: einmal von Seiten der drei
ersten Evangelisten, daſs sie, so oft bei dem vierten von
einem Festaufenthalt die Rede ist, eine Abreise Jesu aus
Galiläa anzeigten; dann von Seiten des Johannes, daſs er
dieselben galiläischen Begebenheiten, welche die Synopti-
ker in Einem Zuge berichten, zwischen die verschiedenen
Feste hinein vertheilt erzählte oder andeutete. Allein jene
Anzeigen von Seiten der Synoptiker finden sich nach dem
Obigen gar nicht; Johannes aber trifft bekanntlich zwischen
der Taufe Jesu und den lezten Ereignissen seines Lebens
nur in zwei bis drei Erzählungen mit den übrigen Evan-
gelisten zusammen. Das ου῎πω ἦν βεβλημένος εἰς τὴν φυλα-
κὴν ὁ Ἰωάννης (Joh. 3, 24.), woraus man zu schlieſsen
pflegt, Matthäus, welcher Jesum erst nach des Täufers Ver-
haftung nach Galiläa zurückkehren läſst, melde nicht die
Rückkehr von der Taufe, sondern vom ersten Paschafest 1),
ist, weit entfernt einen chronologischen Vereinigungspunkt
der synoptischen Berichte mit dem johanneischen an die
Hand zu geben, vielmehr ein Beweis ihrer völligen Unverein-
barkeit. Das nächste, aber von den meisten bezweifelte Zu-
sammentreffen findet bei der Heilung des Sohns eines βα-
σιλικὸς nach Joh. 4, 46 ff, oder des Knechts eines ἑκατόν-
ταρχος Matth. 8, 5 ff. Luc. 7, 1 ff. statt, welche Johannes
unmittelbar (V. 47.) nach der Zurückkunft Jesu von seinem
längeren Aufenthalt in Judäa und Samarien bei und nach
dem ersten Paschafeste sezt. Nun müſste also unmittelbar
vor der entsprechenden Erzählung bei den Synoptikern ei-
ne Andeutung der ersten Festreise Jesu sich finden. Aber
nicht einmal eine Spalte für die mögliche Einfügung dieser
Reise findet man, da den Synoptikern zufolge jene Heilung
vor sich geht, nachdem Jesus eben die Bergrede gehalten,
welche, namentlich nach Matthäus, mit dem übrigens auch
1) vrgl. Paulus, Leben Jesu, 1, a, S. 214 f.
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