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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
Apostel Johannes bezeichnen wolle? Der Schluss des 21ten
Kapitels freilich, V. 24., macht den Lieblingsjünger zum
marturon peri touton kai grapsas tauta: doch dass diess
ein Zusatz von fremder Hand sei, kann als anerkannt vor-
ausgesezt werden 11). Wenn aber in dem ächten Context
des Evangeliums, 19, 35., der Verfasser von dem Erfolg des
Jesu am Kreuze beigebrachten Lanzenstichs sagt: o eorakos
memartureke: so kann damit zwar nur der Lieblingsjünger
gemeint sein, weil nur er unter den Jüngern, die doch
allein hier als Zeugen aufzuführen schicklich war, als bei
dem Kreuze gegenwärtig vorausgesezt ist; auch würde,
dass der Verfasser dadurch zugleich sich selbst gemeint
habe, durch die dritte Person, deren er sich bedient,
keineswegs unwahrscheinlich: wohl aber könnte das Prä-
teritum zweifelhaft machen, ob nicht doch der Verfasser sich
hier auf das Zeugniss des Johannes, als einer von ihm ver-
schiedenen Person berufe 12)? Doch lässt sich diese Aus-
drucksweise auch im andern Fall erklären 13), und in dem
etheasametha und [e]labomen 1, 14. 16. scheint sich der Verf.
als Augenzeugen der von ihm erzählten Geschichte zu geben.

Ob nun aber der Verfasser des vierten Evangeliums,
welcher sich wahrscheinlich als den Apostel Johannes zu
errathen geben will, dieser auch wirklich gewesen sei, ist
eine andre Frage, über welche wir übrigens hier nur nach
Massgabe des uns bis jezt Vorliegenden uns aussprechen
können. Ob der Apostel Johannes eine so unhistorische
Zeichnung des Täufers hätte geben können, wie wir im
vierten Evangelium eine gefunden haben, sei nur kurz in
Erinnerung gebracht. Hier aber fragt es sich, ob es irgend

11) s. Lücke, Comm. z. Joh. 2, S. 708.
12) Hierüber am gründlichsten Paulus, in der Recens. von Bret-
schneider
's Probabilien, in den Heidelberger Jahrbüchern,
1821, no. 9, S. 138.
13) Lücke, a. a. O. S. 664.

Zweiter Abschnitt.
Apostel Johannes bezeichnen wolle? Der Schluſs des 21ten
Kapitels freilich, V. 24., macht den Lieblingsjünger zum
μαρτυρῶν περὶ τούτων καὶ γράψας ταῦτα: doch daſs dieſs
ein Zusatz von fremder Hand sei, kann als anerkannt vor-
ausgesezt werden 11). Wenn aber in dem ächten Context
des Evangeliums, 19, 35., der Verfasser von dem Erfolg des
Jesu am Kreuze beigebrachten Lanzenstichs sagt: ὁ ἑωρακὼς
μεμαρτύρηκε: so kann damit zwar nur der Lieblingsjünger
gemeint sein, weil nur er unter den Jüngern, die doch
allein hier als Zeugen aufzuführen schicklich war, als bei
dem Kreuze gegenwärtig vorausgesezt ist; auch würde,
daſs der Verfasser dadurch zugleich sich selbst gemeint
habe, durch die dritte Person, deren er sich bedient,
keineswegs unwahrscheinlich: wohl aber könnte das Prä-
teritum zweifelhaft machen, ob nicht doch der Verfasser sich
hier auf das Zeugniſs des Johannes, als einer von ihm ver-
schiedenen Person berufe 12)? Doch läſst sich diese Aus-
drucksweise auch im andern Fall erklären 13), und in dem
ἐϑεασάμεϑα und [ἐ]λάβομεν 1, 14. 16. scheint sich der Verf.
als Augenzeugen der von ihm erzählten Geschichte zu geben.

Ob nun aber der Verfasser des vierten Evangeliums,
welcher sich wahrscheinlich als den Apostel Johannes zu
errathen geben will, dieser auch wirklich gewesen sei, ist
eine andre Frage, über welche wir übrigens hier nur nach
Maſsgabe des uns bis jezt Vorliegenden uns aussprechen
können. Ob der Apostel Johannes eine so unhistorische
Zeichnung des Täufers hätte geben können, wie wir im
vierten Evangelium eine gefunden haben, sei nur kurz in
Erinnerung gebracht. Hier aber fragt es sich, ob es irgend

11) s. Lücke, Comm. z. Joh. 2, S. 708.
12) Hierüber am gründlichsten Paulus, in der Recens. von Bret-
schneider
's Probabilien, in den Heidelberger Jahrbüchern,
1821, no. 9, S. 138.
13) Lücke, a. a. O. S. 664.
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[562/0586] Zweiter Abschnitt. Apostel Johannes bezeichnen wolle? Der Schluſs des 21ten Kapitels freilich, V. 24., macht den Lieblingsjünger zum μαρτυρῶν περὶ τούτων καὶ γράψας ταῦτα: doch daſs dieſs ein Zusatz von fremder Hand sei, kann als anerkannt vor- ausgesezt werden 11). Wenn aber in dem ächten Context des Evangeliums, 19, 35., der Verfasser von dem Erfolg des Jesu am Kreuze beigebrachten Lanzenstichs sagt: ὁ ἑωρακὼς μεμαρτύρηκε: so kann damit zwar nur der Lieblingsjünger gemeint sein, weil nur er unter den Jüngern, die doch allein hier als Zeugen aufzuführen schicklich war, als bei dem Kreuze gegenwärtig vorausgesezt ist; auch würde, daſs der Verfasser dadurch zugleich sich selbst gemeint habe, durch die dritte Person, deren er sich bedient, keineswegs unwahrscheinlich: wohl aber könnte das Prä- teritum zweifelhaft machen, ob nicht doch der Verfasser sich hier auf das Zeugniſs des Johannes, als einer von ihm ver- schiedenen Person berufe 12)? Doch läſst sich diese Aus- drucksweise auch im andern Fall erklären 13), und in dem ἐϑεασάμεϑα und ἐλάβομεν 1, 14. 16. scheint sich der Verf. als Augenzeugen der von ihm erzählten Geschichte zu geben. Ob nun aber der Verfasser des vierten Evangeliums, welcher sich wahrscheinlich als den Apostel Johannes zu errathen geben will, dieser auch wirklich gewesen sei, ist eine andre Frage, über welche wir übrigens hier nur nach Maſsgabe des uns bis jezt Vorliegenden uns aussprechen können. Ob der Apostel Johannes eine so unhistorische Zeichnung des Täufers hätte geben können, wie wir im vierten Evangelium eine gefunden haben, sei nur kurz in Erinnerung gebracht. Hier aber fragt es sich, ob es irgend 11) s. Lücke, Comm. z. Joh. 2, S. 708. 12) Hierüber am gründlichsten Paulus, in der Recens. von Bret- schneider's Probabilien, in den Heidelberger Jahrbüchern, 1821, no. 9, S. 138. 13) Lücke, a. a. O. S. 664.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/586>, abgerufen am 22.11.2024.