dern dürfen, namentlich manche Reden Jesu nach dem blossen Gleichklang gewisser Schlagworte zusammengereiht zu finden.
Sehen wir von hier auf die Behauptung zurück, dass das Gleichniss vom ungerechten Verwalter im Zusammen- hang mit dem vorhergehenden vom verlorenen Sohn ge- sprochen sein müsse: so sehen wir dieselbe nur auf fal- scher Deutung beruhen. Soll nämlich nach Schleiermacher die Vertheidigung der Zöllner gegen die Pharisäer das Band ausmachen: so finden wir von Zöllnern und Phari- säern in der Parabel keine Spur; soll aber nach Olshau- sen der zuvor dargestellten barmherzigen Liebe Gottes gegenüber nun die barmherzige Liebe der Menschen her- vorgehoben werden: so ist hier überall nur von simpler Wohlthätigkeit die Rede, und eine Parallele zwischen die- ser und der Art, wie Gott dem Verlorenen verzeihend ent- gegenkommt, nicht von ferne angedeutet. Auch die Be- merkung V. 14, dass alles diess die Pharisäer gehört, und als philarguroi Jesum verspottet haben, muss sich theils nicht nothwendig auf dieselben Individuen beziehen, von welchen 15, 2. die Rede gewesen war, so dass diese die ganze Rede als zusammenhängende angehört haben müss- ten, theils bewiese sie doch zunächst nur die Ansicht des Referenten von der Zusammengehörigkeit dieser Parabeln, welche nach dem Bisherigen uns unmöglich binden kann.
Nach einer bereits besprochenen, mit zusammenhang- losen Redestücken ausgefüllten Spalte, V. 15--18 wird an das lezte dieser Stücke, vom moikheuein, das Gleichniss vom reichen Manne auf eine Weise angefügt, welche man vergeblich nach dem früher Bemerkten als Zusammenhang darzustellen sich bemüht. Darin jedoch wird man Schleier- macher'n Recht geben müssen, dass, wenn man das Gleich- niss vom Vorhergehenden trennt, die alsdann gewöhnliche Beziehung desselben auf die göttliche Strafgerechtigkeit
Sechstes Kapitel. §. 74.
dern dürfen, namentlich manche Reden Jesu nach dem bloſsen Gleichklang gewisser Schlagworte zusammengereiht zu finden.
Sehen wir von hier auf die Behauptung zurück, daſs das Gleichniſs vom ungerechten Verwalter im Zusammen- hang mit dem vorhergehenden vom verlorenen Sohn ge- sprochen sein müsse: so sehen wir dieselbe nur auf fal- scher Deutung beruhen. Soll nämlich nach Schleiermacher die Vertheidigung der Zöllner gegen die Pharisäer das Band ausmachen: so finden wir von Zöllnern und Phari- säern in der Parabel keine Spur; soll aber nach Olshau- sen der zuvor dargestellten barmherzigen Liebe Gottes gegenüber nun die barmherzige Liebe der Menschen her- vorgehoben werden: so ist hier überall nur von simpler Wohlthätigkeit die Rede, und eine Parallele zwischen die- ser und der Art, wie Gott dem Verlorenen verzeihend ent- gegenkommt, nicht von ferne angedeutet. Auch die Be- merkung V. 14, daſs alles dieſs die Pharisäer gehört, und als φιλάργυροι Jesum verspottet haben, muſs sich theils nicht nothwendig auf dieselben Individuen beziehen, von welchen 15, 2. die Rede gewesen war, so daſs diese die ganze Rede als zusammenhängende angehört haben müſs- ten, theils bewiese sie doch zunächst nur die Ansicht des Referenten von der Zusammengehörigkeit dieser Parabeln, welche nach dem Bisherigen uns unmöglich binden kann.
Nach einer bereits besprochenen, mit zusammenhang- losen Redestücken ausgefüllten Spalte, V. 15—18 wird an das lezte dieser Stücke, vom μοιχεύειν, das Gleichniſs vom reichen Manne auf eine Weise angefügt, welche man vergeblich nach dem früher Bemerkten als Zusammenhang darzustellen sich bemüht. Darin jedoch wird man Schleier- macher'n Recht geben müssen, daſs, wenn man das Gleich- niſs vom Vorhergehenden trennt, die alsdann gewöhnliche Beziehung desselben auf die göttliche Strafgerechtigkeit
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Sechstes Kapitel. §. 74.
dern dürfen, namentlich manche Reden Jesu nach dem
bloſsen Gleichklang gewisser Schlagworte zusammengereiht
zu finden.
Sehen wir von hier auf die Behauptung zurück, daſs
das Gleichniſs vom ungerechten Verwalter im Zusammen-
hang mit dem vorhergehenden vom verlorenen Sohn ge-
sprochen sein müsse: so sehen wir dieselbe nur auf fal-
scher Deutung beruhen. Soll nämlich nach Schleiermacher
die Vertheidigung der Zöllner gegen die Pharisäer das
Band ausmachen: so finden wir von Zöllnern und Phari-
säern in der Parabel keine Spur; soll aber nach Olshau-
sen der zuvor dargestellten barmherzigen Liebe Gottes
gegenüber nun die barmherzige Liebe der Menschen her-
vorgehoben werden: so ist hier überall nur von simpler
Wohlthätigkeit die Rede, und eine Parallele zwischen die-
ser und der Art, wie Gott dem Verlorenen verzeihend ent-
gegenkommt, nicht von ferne angedeutet. Auch die Be-
merkung V. 14, daſs alles dieſs die Pharisäer gehört, und
als φιλάργυροι Jesum verspottet haben, muſs sich theils
nicht nothwendig auf dieselben Individuen beziehen, von
welchen 15, 2. die Rede gewesen war, so daſs diese die
ganze Rede als zusammenhängende angehört haben müſs-
ten, theils bewiese sie doch zunächst nur die Ansicht des
Referenten von der Zusammengehörigkeit dieser Parabeln,
welche nach dem Bisherigen uns unmöglich binden kann.
Nach einer bereits besprochenen, mit zusammenhang-
losen Redestücken ausgefüllten Spalte, V. 15—18 wird
an das lezte dieser Stücke, vom μοιχεύειν, das Gleichniſs
vom reichen Manne auf eine Weise angefügt, welche man
vergeblich nach dem früher Bemerkten als Zusammenhang
darzustellen sich bemüht. Darin jedoch wird man Schleier-
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/627>, abgerufen am 24.11.2024.
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