Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. das Gegentheil, die störendste Heterogeneität, vorhandenist. Überdiess fällt es nicht schwer, nachzuweisen, was den Lukas hier zu einer falschen Zusammenstellung ver- führt haben mag. Es war in der Parabel vom mamonas tes adikias die Rede: diess weckte in ihm die Erinnerung an ein ähnlich lautendes Diktum Jesu, dass, wer an dem adiko mamona, als dem Geringeren, sich treu beweise, dem auch das Höhere anvertraut werden könne. War aber einmal vom Mammon die Rede, wie konnte der Verf. umhin, sich des bekannten Ausspruchs Jesu von Gott und dem Mammon, als zwei unvereinbaren Herren, zu erin- nern, und zum Überfluss auch diesen noch beizusetzen? 22) Dass durch diese Zusätze die vorhergemeldete Gleichniss- rede in ein völlig falsches Licht gestellt wurde, kümmerte den Referenten wenig, der vielleicht ihren Sinn selbst nicht klar gefasst hatte, oder in dem Bestreben, sein evangelisches Gedächtniss vollständig zu entleeren, auf den Zusammenhang keinen Bedacht nahm. Man sollte überhaupt mehr Bewusstsein davon haben, dass bei denjenigen unsrer Evangelisten, welche nach der jezt herrschenden Annahme eine mündliche Überlieferung aufzeichneten, in Abfassung ihrer Schriften das Gedächtniss in einer Weise angespro- chen war, welche die Thätigkeit der Reflexion zurück- drängen musste, wesswegen in ihren Berichten das herr- schende Band die Ideenassociation mit ihren zum Theil sehr äusserlichen Gesetzen ist, und wir uns nicht wun- 22) Diesen lezteren Vers hat auch Schneckenburger, Beiträge,
No. V., wo er zugleich die Olshausen'sche Deutung der Pa- rabel treffend widerlegt, als nicht hieher gehörig erkannt, während er von den vorangegangenen Versen, mit Unrecht schon vom 9ten an, diese Ansicht blos möglich findet. -- Die zahlreichen älteren und neueren Versuche, das Gleichniss vom Haushalter ohne eine solche kritische Sonderung zu er- klären, sind nur eben so viele Beweise, dass ohne dieselbe eine befriedigende Auslegung der Parabel unmöglich ist. Zweiter Abschnitt. das Gegentheil, die störendste Heterogeneität, vorhandenist. Überdieſs fällt es nicht schwer, nachzuweisen, was den Lukas hier zu einer falschen Zusammenstellung ver- führt haben mag. Es war in der Parabel vom μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας die Rede: dieſs weckte in ihm die Erinnerung an ein ähnlich lautendes Diktum Jesu, daſs, wer an dem ἀδίκῳ μαμωνᾷ, als dem Geringeren, sich treu beweise, dem auch das Höhere anvertraut werden könne. War aber einmal vom Mammon die Rede, wie konnte der Verf. umhin, sich des bekannten Ausspruchs Jesu von Gott und dem Mammon, als zwei unvereinbaren Herren, zu erin- nern, und zum Überfluſs auch diesen noch beizusetzen? 22) Daſs durch diese Zusätze die vorhergemeldete Gleichniſs- rede in ein völlig falsches Licht gestellt wurde, kümmerte den Referenten wenig, der vielleicht ihren Sinn selbst nicht klar gefaſst hatte, oder in dem Bestreben, sein evangelisches Gedächtniſs vollständig zu entleeren, auf den Zusammenhang keinen Bedacht nahm. Man sollte überhaupt mehr Bewuſstsein davon haben, daſs bei denjenigen unsrer Evangelisten, welche nach der jezt herrschenden Annahme eine mündliche Überlieferung aufzeichneten, in Abfassung ihrer Schriften das Gedächtniſs in einer Weise angespro- chen war, welche die Thätigkeit der Reflexion zurück- drängen muſste, weſswegen in ihren Berichten das herr- schende Band die Ideenassociation mit ihren zum Theil sehr äusserlichen Gesetzen ist, und wir uns nicht wun- 22) Diesen lezteren Vers hat auch Schneckenburger, Beiträge,
No. V., wo er zugleich die Olshausen'sche Deutung der Pa- rabel treffend widerlegt, als nicht hieher gehörig erkannt, während er von den vorangegangenen Versen, mit Unrecht schon vom 9ten an, diese Ansicht blos möglich findet. — Die zahlreichen älteren und neueren Versuche, das Gleichniss vom Haushalter ohne eine solche kritische Sonderung zu er- klären, sind nur eben so viele Beweise, dass ohne dieselbe eine befriedigende Auslegung der Parabel unmöglich ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0626" n="602"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> das Gegentheil, die störendste Heterogeneität, vorhanden<lb/> ist. Überdieſs fällt es nicht schwer, nachzuweisen, was<lb/> den Lukas hier zu einer falschen Zusammenstellung ver-<lb/> führt haben mag. Es war in der Parabel vom <foreign xml:lang="ell">μαμωνᾶς<lb/> τῆς ἀδικίας</foreign> die Rede: dieſs weckte in ihm die Erinnerung<lb/> an ein ähnlich lautendes Diktum Jesu, daſs, wer an dem<lb/><foreign xml:lang="ell">ἀδίκῳ μαμωνᾷ</foreign>, als dem Geringeren, sich treu beweise,<lb/> dem auch das Höhere anvertraut werden könne. War<lb/> aber einmal vom Mammon die Rede, wie konnte der Verf.<lb/> umhin, sich des bekannten Ausspruchs Jesu von Gott und<lb/> dem Mammon, als zwei unvereinbaren Herren, zu erin-<lb/> nern, und zum Überfluſs auch diesen noch beizusetzen? <note place="foot" n="22)">Diesen lezteren Vers hat auch <hi rendition="#k">Schneckenburger</hi>, Beiträge,<lb/> No. V., wo er zugleich die <hi rendition="#k">Olshausen</hi>'sche Deutung der Pa-<lb/> rabel treffend widerlegt, als nicht hieher gehörig erkannt,<lb/> während er von den vorangegangenen Versen, mit Unrecht<lb/> schon vom 9ten an, diese Ansicht blos möglich findet. — Die<lb/> zahlreichen älteren und neueren Versuche, das Gleichniss<lb/> vom Haushalter ohne eine solche kritische Sonderung zu er-<lb/> klären, sind nur eben so viele Beweise, dass ohne dieselbe<lb/> eine befriedigende Auslegung der Parabel unmöglich ist.</note><lb/> Daſs durch diese Zusätze die vorhergemeldete Gleichniſs-<lb/> rede in ein völlig falsches Licht gestellt wurde, kümmerte<lb/> den Referenten wenig, der vielleicht ihren Sinn selbst<lb/> nicht klar gefaſst hatte, oder in dem Bestreben, sein<lb/> evangelisches Gedächtniſs vollständig zu entleeren, auf den<lb/> Zusammenhang keinen Bedacht nahm. Man sollte überhaupt<lb/> mehr Bewuſstsein davon haben, daſs bei denjenigen unsrer<lb/> Evangelisten, welche nach der jezt herrschenden Annahme<lb/> eine mündliche Überlieferung aufzeichneten, in Abfassung<lb/> ihrer Schriften das Gedächtniſs in einer Weise angespro-<lb/> chen war, welche die Thätigkeit der Reflexion zurück-<lb/> drängen muſste, weſswegen in ihren Berichten das herr-<lb/> schende Band die Ideenassociation mit ihren zum Theil<lb/> sehr äusserlichen Gesetzen ist, und wir uns nicht wun-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [602/0626]
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das Gegentheil, die störendste Heterogeneität, vorhanden
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den Lukas hier zu einer falschen Zusammenstellung ver-
führt haben mag. Es war in der Parabel vom μαμωνᾶς
τῆς ἀδικίας die Rede: dieſs weckte in ihm die Erinnerung
an ein ähnlich lautendes Diktum Jesu, daſs, wer an dem
ἀδίκῳ μαμωνᾷ, als dem Geringeren, sich treu beweise,
dem auch das Höhere anvertraut werden könne. War
aber einmal vom Mammon die Rede, wie konnte der Verf.
umhin, sich des bekannten Ausspruchs Jesu von Gott und
dem Mammon, als zwei unvereinbaren Herren, zu erin-
nern, und zum Überfluſs auch diesen noch beizusetzen? 22)
Daſs durch diese Zusätze die vorhergemeldete Gleichniſs-
rede in ein völlig falsches Licht gestellt wurde, kümmerte
den Referenten wenig, der vielleicht ihren Sinn selbst
nicht klar gefaſst hatte, oder in dem Bestreben, sein
evangelisches Gedächtniſs vollständig zu entleeren, auf den
Zusammenhang keinen Bedacht nahm. Man sollte überhaupt
mehr Bewuſstsein davon haben, daſs bei denjenigen unsrer
Evangelisten, welche nach der jezt herrschenden Annahme
eine mündliche Überlieferung aufzeichneten, in Abfassung
ihrer Schriften das Gedächtniſs in einer Weise angespro-
chen war, welche die Thätigkeit der Reflexion zurück-
drängen muſste, weſswegen in ihren Berichten das herr-
schende Band die Ideenassociation mit ihren zum Theil
sehr äusserlichen Gesetzen ist, und wir uns nicht wun-
22) Diesen lezteren Vers hat auch Schneckenburger, Beiträge,
No. V., wo er zugleich die Olshausen'sche Deutung der Pa-
rabel treffend widerlegt, als nicht hieher gehörig erkannt,
während er von den vorangegangenen Versen, mit Unrecht
schon vom 9ten an, diese Ansicht blos möglich findet. — Die
zahlreichen älteren und neueren Versuche, das Gleichniss
vom Haushalter ohne eine solche kritische Sonderung zu er-
klären, sind nur eben so viele Beweise, dass ohne dieselbe
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