Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Zweiter Abschnitt. vom barmherzigen Samariter schliesst, während er beiden beiden andern ohne weitere Frage befriedigt oder abgefertigt sich giebt. Indess auch zwischen der Erzäh- lung des Matthäus und der des Markus zeigen sich er- hebliche Verschiedenheiten. Die hauptsächlichste betrifft den Charakter des Fragenden, der bei Matthäus als peira- zon, bei Markus in gutmüthiger Absicht kommt, weil er wusste, dass Jesus den Sadducäern kalos apekrithe. Pau- lus zwar, unerachtet er anderswo (Luc. 10, 25.) den ekpei- razon selbst als einen eigensüchtigen Probemacher nimmt, erklärt doch, hier bei Matthäus könne peirazon nur im guten Sinne gemeint sein 20). Allein ein Grund hiezu liegt im Matthäus nicht, sondern nur im Markus und in der unberechtigten Voraussetzung, dass beide Referenten in Bezug auf den Charakter und die Absicht des fragen- den Gesezlehrers nicht verschiedener Meinung gewesen sein können. Mit Recht hat hiegegen Fritzsche darauf aufmerksam gemacht, wie hier einer Vereinigung des Matthäus mit dem Markus theils die Bedeutung des peira- zon, theils der Zusammenhang entgegenstehe, welcher nicht gestatte, eine Reihe böswilliger Fragen der Gegner Jesu ohne besondre Anzeige durch eine gutgemeinte un- terbrochen zu denken 21). Mit dieser Hauptdifferenz hängt die andre zusammen, dass, während bei Matthäus der Schriftgelehrte, nachdem ihm Jesus die beiden Gebote genannt hat, wahrscheinlich beschämt, schweigt, was auch kein Zeichen einer freundlichen Stellung zu Jesu ist, er bei Markus nicht nur durch ein: kalos, didaskale, ep' aletheias eipas Jesu Beifall giebt, sondern auch das von diesem gesagte weiter ausführt, wofür er von Jesu, oti nounekhos apekrithe, als einer bezeichnet wird, der nicht ferne vom Reich Gottes sei. Auch das kann noch ange- 20) ex. Handb. 3, a, S. 261. 21) Comm. in Matth. p. 667.
Zweiter Abschnitt. vom barmherzigen Samariter schlieſst, während er beiden beiden andern ohne weitere Frage befriedigt oder abgefertigt sich giebt. Indeſs auch zwischen der Erzäh- lung des Matthäus und der des Markus zeigen sich er- hebliche Verschiedenheiten. Die hauptsächlichste betrifft den Charakter des Fragenden, der bei Matthäus als πειρά- ζων, bei Markus in gutmüthiger Absicht kommt, weil er wuſste, daſs Jesus den Sadducäern καλῶς ἀπεκρίϑη. Pau- lus zwar, unerachtet er anderswo (Luc. 10, 25.) den ἐκπει- ράζων selbst als einen eigensüchtigen Probemacher nimmt, erklärt doch, hier bei Matthäus könne πειράζων nur im guten Sinne gemeint sein 20). Allein ein Grund hiezu liegt im Matthäus nicht, sondern nur im Markus und in der unberechtigten Voraussetzung, daſs beide Referenten in Bezug auf den Charakter und die Absicht des fragen- den Gesezlehrers nicht verschiedener Meinung gewesen sein können. Mit Recht hat hiegegen Fritzsche darauf aufmerksam gemacht, wie hier einer Vereinigung des Matthäus mit dem Markus theils die Bedeutung des πειρά- ζων, theils der Zusammenhang entgegenstehe, welcher nicht gestatte, eine Reihe böswilliger Fragen der Gegner Jesu ohne besondre Anzeige durch eine gutgemeinte un- terbrochen zu denken 21). Mit dieser Hauptdifferenz hängt die andre zusammen, daſs, während bei Matthäus der Schriftgelehrte, nachdem ihm Jesus die beiden Gebote genannt hat, wahrscheinlich beschämt, schweigt, was auch kein Zeichen einer freundlichen Stellung zu Jesu ist, er bei Markus nicht nur durch ein: καλῶς, διδάσκαλε, ἐπ' ἀληϑείας εἶπας Jesu Beifall giebt, sondern auch das von diesem gesagte weiter ausführt, wofür er von Jesu, ὅτι νουνεχῶς ἀπεκρίϑη, als einer bezeichnet wird, der nicht ferne vom Reich Gottes sei. Auch das kann noch ange- 20) ex. Handb. 3, a, S. 261. 21) Comm. in Matth. p. 667.
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Zweiter Abschnitt.
vom barmherzigen Samariter schlieſst, während er bei
den beiden andern ohne weitere Frage befriedigt oder
abgefertigt sich giebt. Indeſs auch zwischen der Erzäh-
lung des Matthäus und der des Markus zeigen sich er-
hebliche Verschiedenheiten. Die hauptsächlichste betrifft
den Charakter des Fragenden, der bei Matthäus als πειρά-
ζων, bei Markus in gutmüthiger Absicht kommt, weil er
wuſste, daſs Jesus den Sadducäern καλῶς ἀπεκρίϑη. Pau-
lus zwar, unerachtet er anderswo (Luc. 10, 25.) den ἐκπει-
ράζων selbst als einen eigensüchtigen Probemacher nimmt,
erklärt doch, hier bei Matthäus könne πειράζων nur
im guten Sinne gemeint sein 20). Allein ein Grund hiezu
liegt im Matthäus nicht, sondern nur im Markus und in
der unberechtigten Voraussetzung, daſs beide Referenten
in Bezug auf den Charakter und die Absicht des fragen-
den Gesezlehrers nicht verschiedener Meinung gewesen
sein können. Mit Recht hat hiegegen Fritzsche darauf
aufmerksam gemacht, wie hier einer Vereinigung des
Matthäus mit dem Markus theils die Bedeutung des πειρά-
ζων, theils der Zusammenhang entgegenstehe, welcher
nicht gestatte, eine Reihe böswilliger Fragen der Gegner
Jesu ohne besondre Anzeige durch eine gutgemeinte un-
terbrochen zu denken 21). Mit dieser Hauptdifferenz
hängt die andre zusammen, daſs, während bei Matthäus
der Schriftgelehrte, nachdem ihm Jesus die beiden Gebote
genannt hat, wahrscheinlich beschämt, schweigt, was
auch kein Zeichen einer freundlichen Stellung zu Jesu ist,
er bei Markus nicht nur durch ein: καλῶς, διδάσκαλε,
ἐπ' ἀληϑείας εἶπας Jesu Beifall giebt, sondern auch das
von diesem gesagte weiter ausführt, wofür er von Jesu,
ὅτι νουνεχῶς ἀπεκρίϑη, als einer bezeichnet wird, der nicht
ferne vom Reich Gottes sei. Auch das kann noch ange-
20) ex. Handb. 3, a, S. 261.
21) Comm. in Matth. p. 667.
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