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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
Welt geben werde, und das phagein ten sarka tou uiou tou
anthropou und piein to aima autou für das einzige Mittel,
zur zoe aionios zu gelangen, ausgiebt. Durch die Ähnlich-
keit dieser Ausdrücke mit den Worten, welche die Synop-
tiker und Paul[u]s Jesum bei der Einsetzung des Abend-
mahls sprechen lassen, bewogen, haben die älteren Ausleger
diese Stelle meistens als Hindeutung auf das zu stiftende
Abendmahl gefasst 6). Die Haupteinwendung gegen diese
Auslegung ist, dass damals, vor der Stiftung des Abend-
mahls, eine solche Andeutung völlig unverständlich gewe-
sen wäre 7). Allein unverständlich blieb ja die Rede, sie
mochte einen Sinn haben, welchen sie wollte, nach der eige-
nen Angabe der Relation, den Zuhörern doch, auch kommt
Jesu im vierten Evangelium auf die Unmöglichkeit, verstan-
den zu werden, nicht so viel an, dass hiedurch jene Er-
klärung unwahrscheinlich würde, welche an der Verwandt-
schaft mit den Einsetzungsworten einen Halt besizt, der
einem der neuesten Kritiker das Bekenntniss abgedrungen
hat, wenn auch nicht Jesus, indem er so sprach, so mö-
ge doch Johannes, indem er gerade diese Reden Jesu aus-
wählte und überlieferte, an das Abendmahl gedacht, und
in denselben eine Vorandeutung davon gefunden haben 8).
Indess schwerlich hat er dann die Reden Jesu unmodificirt
gelassen, sondern, da sich die Wahl der Ausdrücke: sarka
phagein u. s. w. nur aus der Beziehung auf das Abend-
mahl genügend erklären lässt, so haben wir diese ohne
Zweifel nur dem Evangelisten zu verdanken. Hatte dieser
einmal, wie es scheint nach alexandrinischen Ideen, Jesum
sich als o artos tes zoes bezeichnen lassen: wie hätte ihm
nicht der artos einfallen sollen, welcher in der christlichen

6) s. Lücke's Geschichte der Auslegung dieser Stelle, in s. Comm.
2, Anhang B, S. 727 ff.
7) Schulz, die Lehre vom Abendmahl, S. 161; Lücke, a. a. O.
S. 113.
8) Hase, L. J. §. 92.

Zweiter Abschnitt.
Welt geben werde, und das φαγεῖν τὴν σάρκα τοῦ υἱοῦ τοῦ
ἀνϑρώπου und πιεῖν τὸ αἶμα αὐτοῦ für das einzige Mittel,
zur ζωὴ αἰώνιος zu gelangen, ausgiebt. Durch die Ähnlich-
keit dieser Ausdrücke mit den Worten, welche die Synop-
tiker und Paul[u]s Jesum bei der Einsetzung des Abend-
mahls sprechen lassen, bewogen, haben die älteren Ausleger
diese Stelle meistens als Hindeutung auf das zu stiftende
Abendmahl gefaſst 6). Die Haupteinwendung gegen diese
Auslegung ist, daſs damals, vor der Stiftung des Abend-
mahls, eine solche Andeutung völlig unverständlich gewe-
sen wäre 7). Allein unverständlich blieb ja die Rede, sie
mochte einen Sinn haben, welchen sie wollte, nach der eige-
nen Angabe der Relation, den Zuhörern doch, auch kommt
Jesu im vierten Evangelium auf die Unmöglichkeit, verstan-
den zu werden, nicht so viel an, daſs hiedurch jene Er-
klärung unwahrscheinlich würde, welche an der Verwandt-
schaft mit den Einsetzungsworten einen Halt besizt, der
einem der neuesten Kritiker das Bekenntniſs abgedrungen
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ge doch Johannes, indem er gerade diese Reden Jesu aus-
wählte und überlieferte, an das Abendmahl gedacht, und
in denselben eine Vorandeutung davon gefunden haben 8).
Indeſs schwerlich hat er dann die Reden Jesu unmodificirt
gelassen, sondern, da sich die Wahl der Ausdrücke: σάρκα
φαγεῖν u. s. w. nur aus der Beziehung auf das Abend-
mahl genügend erklären läſst, so haben wir diese ohne
Zweifel nur dem Evangelisten zu verdanken. Hatte dieser
einmal, wie es scheint nach alexandrinischen Ideen, Jesum
sich als ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς bezeichnen lassen: wie hätte ihm
nicht der ἄρτος einfallen sollen, welcher in der christlichen

6) s. Lücke's Geschichte der Auslegung dieser Stelle, in s. Comm.
2, Anhang B, S. 727 ff.
7) Schulz, die Lehre vom Abendmahl, S. 161; Lücke, a. a. O.
S. 113.
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[650/0674] Zweiter Abschnitt. Welt geben werde, und das φαγεῖν τὴν σάρκα τοῦ υἱοῦ τοῦ ἀνϑρώπου und πιεῖν τὸ αἶμα αὐτοῦ für das einzige Mittel, zur ζωὴ αἰώνιος zu gelangen, ausgiebt. Durch die Ähnlich- keit dieser Ausdrücke mit den Worten, welche die Synop- tiker und Paulus Jesum bei der Einsetzung des Abend- mahls sprechen lassen, bewogen, haben die älteren Ausleger diese Stelle meistens als Hindeutung auf das zu stiftende Abendmahl gefaſst 6). Die Haupteinwendung gegen diese Auslegung ist, daſs damals, vor der Stiftung des Abend- mahls, eine solche Andeutung völlig unverständlich gewe- sen wäre 7). Allein unverständlich blieb ja die Rede, sie mochte einen Sinn haben, welchen sie wollte, nach der eige- nen Angabe der Relation, den Zuhörern doch, auch kommt Jesu im vierten Evangelium auf die Unmöglichkeit, verstan- den zu werden, nicht so viel an, daſs hiedurch jene Er- klärung unwahrscheinlich würde, welche an der Verwandt- schaft mit den Einsetzungsworten einen Halt besizt, der einem der neuesten Kritiker das Bekenntniſs abgedrungen hat, wenn auch nicht Jesus, indem er so sprach, so mö- ge doch Johannes, indem er gerade diese Reden Jesu aus- wählte und überlieferte, an das Abendmahl gedacht, und in denselben eine Vorandeutung davon gefunden haben 8). Indeſs schwerlich hat er dann die Reden Jesu unmodificirt gelassen, sondern, da sich die Wahl der Ausdrücke: σάρκα φαγεῖν u. s. w. nur aus der Beziehung auf das Abend- mahl genügend erklären läſst, so haben wir diese ohne Zweifel nur dem Evangelisten zu verdanken. Hatte dieser einmal, wie es scheint nach alexandrinischen Ideen, Jesum sich als ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς bezeichnen lassen: wie hätte ihm nicht der ἄρτος einfallen sollen, welcher in der christlichen 6) s. Lücke's Geschichte der Auslegung dieser Stelle, in s. Comm. 2, Anhang B, S. 727 ff. 7) Schulz, die Lehre vom Abendmahl, S. 161; Lücke, a. a. O. S. 113. 8) Hase, L. J. §. 92.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/674>, abgerufen am 22.11.2024.