nicht was einmal geschehen sei, wird gesagt), und da- durch zum Stehen gebracht; ja das ursprüngliche Haupt- bild vom poimen durch das andre von der thura unterbro- chen, so dass wir hier keine Parabel haben, sondern eine Allegorie. Es bildet also diese Stelle wenigstens (und wir werden auch keine andre finden, denn mit dem sogenannten Gleichniss vom Weinstock K. 15. hat es, wie auch Lücke sieht, die gleiche Bewandtniss wie mit die- sem) keine Instanz gegen die Art, wie neuere Kritiker ihren Verdacht gegen das vierte Evangelium auch dadurch zu begründen gesucht haben, dass es von der paraboli- schen Lehrweise, welche Jesus den übrigen Evangelisten zufolge so sehr liebte, nichts zu wissen scheine. Unbe- kannt übrigens scheint es dem Verfasser desselben nicht gewesen zu sein, dass Jesus gerne in Parabeln lehrte, da er hier und K. 15. Proben davon zu geben strebt, von welchen er die erstere ausdrücklich eine paroimia nennt (V. 6.): aber man sieht, wie seinem anders gebildeten Ge- schmacke diese Form widerstand, wie er namentlich nicht genug Objektivität hatte, um sich der Einmischung von Reflexionen zu enthalten, wesswegen sich ihm unter der Hand die Parabel in Allegorie verwandelte.
Bis 10, 18 gehen die Reden Jesu auf dem Laubhüt- tenfeste: von V. 25. an meldet der Evangelist Äusserun- gen, welche Jesus drei Monate später, auf dem Feste der Tempelweihe gethan haben soll. Hier erwiedert Jesus den Juden, welche eine bestimmte Erklärung, ob er der Messias sei, von ihm verlangten, zunächst, dass er ihnen diess bereits zur Genüge gesagt habe, und wiederholt die Berufung auf das Zeugniss des Vaters für ihn durch die erga (aus 5, 36). Hierauf aber (von V. 26 an) fällt er durch die Wendung, dass die ungläubigen Frager nicht zu seinen Schafen gehören, in die eben verlassene Alle- gorie vom Hirten mit zum Theil wörtlicher Wiederholung
Zweiter Abschnitt.
nicht was einmal geschehen sei, wird gesagt), und da- durch zum Stehen gebracht; ja das ursprüngliche Haupt- bild vom ποιμὴν durch das andre von der ϑύρα unterbro- chen, so daſs wir hier keine Parabel haben, sondern eine Allegorie. Es bildet also diese Stelle wenigstens (und wir werden auch keine andre finden, denn mit dem sogenannten Gleichniſs vom Weinstock K. 15. hat es, wie auch Lücke sieht, die gleiche Bewandtniſs wie mit die- sem) keine Instanz gegen die Art, wie neuere Kritiker ihren Verdacht gegen das vierte Evangelium auch dadurch zu begründen gesucht haben, daſs es von der paraboli- schen Lehrweise, welche Jesus den übrigen Evangelisten zufolge so sehr liebte, nichts zu wissen scheine. Unbe- kannt übrigens scheint es dem Verfasser desselben nicht gewesen zu sein, daſs Jesus gerne in Parabeln lehrte, da er hier und K. 15. Proben davon zu geben strebt, von welchen er die erstere ausdrücklich eine παροιμία nennt (V. 6.): aber man sieht, wie seinem anders gebildeten Ge- schmacke diese Form widerstand, wie er namentlich nicht genug Objektivität hatte, um sich der Einmischung von Reflexionen zu enthalten, weſswegen sich ihm unter der Hand die Parabel in Allegorie verwandelte.
Bis 10, 18 gehen die Reden Jesu auf dem Laubhüt- tenfeste: von V. 25. an meldet der Evangelist Äusserun- gen, welche Jesus drei Monate später, auf dem Feste der Tempelweihe gethan haben soll. Hier erwiedert Jesus den Juden, welche eine bestimmte Erklärung, ob er der Messias sei, von ihm verlangten, zunächst, daſs er ihnen dieſs bereits zur Genüge gesagt habe, und wiederholt die Berufung auf das Zeugniſs des Vaters für ihn durch die ἕργα (aus 5, 36). Hierauf aber (von V. 26 an) fällt er durch die Wendung, daſs die ungläubigen Frager nicht zu seinen Schafen gehören, in die eben verlassene Alle- gorie vom Hirten mit zum Theil wörtlicher Wiederholung
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Zweiter Abschnitt.
nicht was einmal geschehen sei, wird gesagt), und da-
durch zum Stehen gebracht; ja das ursprüngliche Haupt-
bild vom ποιμὴν durch das andre von der ϑύρα unterbro-
chen, so daſs wir hier keine Parabel haben, sondern
eine Allegorie. Es bildet also diese Stelle wenigstens
(und wir werden auch keine andre finden, denn mit dem
sogenannten Gleichniſs vom Weinstock K. 15. hat es, wie
auch Lücke sieht, die gleiche Bewandtniſs wie mit die-
sem) keine Instanz gegen die Art, wie neuere Kritiker
ihren Verdacht gegen das vierte Evangelium auch dadurch
zu begründen gesucht haben, daſs es von der paraboli-
schen Lehrweise, welche Jesus den übrigen Evangelisten
zufolge so sehr liebte, nichts zu wissen scheine. Unbe-
kannt übrigens scheint es dem Verfasser desselben nicht
gewesen zu sein, daſs Jesus gerne in Parabeln lehrte, da
er hier und K. 15. Proben davon zu geben strebt, von
welchen er die erstere ausdrücklich eine παροιμία nennt
(V. 6.): aber man sieht, wie seinem anders gebildeten Ge-
schmacke diese Form widerstand, wie er namentlich
nicht genug Objektivität hatte, um sich der Einmischung
von Reflexionen zu enthalten, weſswegen sich ihm unter
der Hand die Parabel in Allegorie verwandelte.
Bis 10, 18 gehen die Reden Jesu auf dem Laubhüt-
tenfeste: von V. 25. an meldet der Evangelist Äusserun-
gen, welche Jesus drei Monate später, auf dem Feste
der Tempelweihe gethan haben soll. Hier erwiedert Jesus
den Juden, welche eine bestimmte Erklärung, ob er der
Messias sei, von ihm verlangten, zunächst, daſs er ihnen
dieſs bereits zur Genüge gesagt habe, und wiederholt die
Berufung auf das Zeugniſs des Vaters für ihn durch die
ἕργα (aus 5, 36). Hierauf aber (von V. 26 an) fällt er
durch die Wendung, daſs die ungläubigen Frager nicht
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/678>, abgerufen am 21.11.2024.
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