Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Siebentes Kapitel. §. 77. zurück 12). Eben verlassen aber hatte diese Allegorienicht Jesus, denn seit dieser sie vorgetragen, waren drei Monate verflossen, und gewiss Vieles von ihm gespro- chen, gethan und erlebt worden, was ihm diese Bilder- rede in den Hintergrund des Gedächtnisses rücken musste, so dass er schwerlich zu derselben zurückgekehrt, in kei- nem Falle aber sie so wörtlich zu wiederholen im Stande gewesen wäre. Wer unmittelbar von jener Allegorie her- kommt, ist vielmehr nur der Evangelist, welchem freilich vom Niederschreiben der ersten Hälfte dieses Kapitels bis zur zweiten nicht Monate vergangen waren, sondern er schrieb das nach seiner Zeitangabe ziemlich Entfernte in Einem Zuge fort, und so mochte wohl in seinem Gedächt- niss, nicht aber ebenso in Jesu die Allegorie vom Hirten auf solche Weise nachklingen. Wer sich hier dadurch noch helfen zu können glaubt, dass er nur die wörtliche Ähnlichkeit der späteren Rede mit der früheren auf Rech- nung des Evangelisten schreibt, dem kann man diess nicht verwehren: für mich ist dieser Punkt in Verbindung mit den übrigen dafür entscheidend, dass die Reden Jesu bei Johannes ziemlich freie Compositionen sind. Dasselbe erhellt auch aus derjenigen Rede, mit wel- 12) [Spaltenumbruch]
10, 27: ta probata ta
ema tes phones mou akouei kago ginosko auta 28: kai akolouthousi moi. [Spaltenumbruch] 10, 3: kai ta probata tes phones autou akouei 14: kai ginosko ta ema 4: kai ta probata auto akolouthe[i]. Auch das folgende kago zoen aionion didomi autois entspricht dem obigen ego elthon, ina zoen ekhosi, V. 10, so wie das kai oukh arpasei tis auta ek tes kheiros mou das Gegenstück davon ist, dass nach V. 12. der Miethling die Schafe arpazein lässt. Siebentes Kapitel. §. 77. zurück 12). Eben verlassen aber hatte diese Allegorienicht Jesus, denn seit dieser sie vorgetragen, waren drei Monate verflossen, und gewiſs Vieles von ihm gespro- chen, gethan und erlebt worden, was ihm diese Bilder- rede in den Hintergrund des Gedächtnisses rücken muſste, so daſs er schwerlich zu derselben zurückgekehrt, in kei- nem Falle aber sie so wörtlich zu wiederholen im Stande gewesen wäre. Wer unmittelbar von jener Allegorie her- kommt, ist vielmehr nur der Evangelist, welchem freilich vom Niederschreiben der ersten Hälfte dieses Kapitels bis zur zweiten nicht Monate vergangen waren, sondern er schrieb das nach seiner Zeitangabe ziemlich Entfernte in Einem Zuge fort, und so mochte wohl in seinem Gedächt- niſs, nicht aber ebenso in Jesu die Allegorie vom Hirten auf solche Weise nachklingen. Wer sich hier dadurch noch helfen zu können glaubt, daſs er nur die wörtliche Ähnlichkeit der späteren Rede mit der früheren auf Rech- nung des Evangelisten schreibt, dem kann man dieſs nicht verwehren: für mich ist dieser Punkt in Verbindung mit den übrigen dafür entscheidend, daſs die Reden Jesu bei Johannes ziemlich freie Compositionen sind. Dasselbe erhellt auch aus derjenigen Rede, mit wel- 12) [Spaltenumbruch]
10, 27: τὰ πρόβατα τὰ
ἐμὰ τῆς φωνῆς μου ἀκούει κἀγὼ γινώσκω αὐτὰ 28: καὶ ἀκολουϑοῦσί μοι. [Spaltenumbruch] 10, 3: καὶ τὰ πρόβατα τῆς φωνῆς αὐτοῦ ἀκούει 14: καὶ γινώσκω τὰ ἐμὰ 4: καὶ τὰ πρόβατα αὐτῷ ἀκολουϑε[ῖ]. Auch das folgende κἀγὼ ζωὴν αἰώνιον δίδωμι αὐτοῖς entspricht dem obigen ἐγὼ ἦλϑον, ἵνα ζωὴν ἔχωσι, V. 10, so wie das καὶ οὐχ ἁρπάσει τις αὐτὰ ἐκ τῆς χειρός μου das Gegenstück davon ist, dass nach V. 12. der Miethling die Schafe ἁρπάζειν lässt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0679" n="655"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Kapitel</hi>. §. 77.</fw><lb/> zurück <note place="foot" n="12)"><lb/><cb/> 10, 27: <foreign xml:lang="ell">τὰ πρόβατα τὰ<lb/> ἐμὰ τῆς φωνῆς μου ἀκούει<lb/> κἀγὼ γινώσκω αὐτὰ</foreign><lb/> 28: <foreign xml:lang="ell">καὶ ἀκολουϑοῦσί μοι</foreign>.<lb/><cb/> 10, 3: <foreign xml:lang="ell">καὶ τὰ πρόβατα τῆς<lb/> φωνῆς αὐτοῦ ἀκούει</foreign><lb/> 14: <foreign xml:lang="ell">καὶ γινώσκω τὰ ἐμὰ</foreign><lb/> 4: <foreign xml:lang="ell">καὶ τὰ πρόβατα αὐτῷ<lb/> ἀκολουϑε<supplied>ῖ</supplied></foreign>.<lb/> Auch das folgende <foreign xml:lang="ell">κἀγὼ ζωὴν αἰώνιον δίδωμι αὐτοῖς</foreign><lb/> entspricht dem obigen <foreign xml:lang="ell">ἐγὼ ἦλϑον, ἵνα ζωὴν ἔχωσι</foreign>, V. 10,<lb/> so wie das <foreign xml:lang="ell">καὶ οὐχ ἁρπάσει τις αὐτὰ ἐκ τῆς χειρός μου</foreign><lb/> das Gegenstück davon ist, dass nach V. 12. der Miethling<lb/> die Schafe <foreign xml:lang="ell">ἁρπάζειν</foreign> lässt.</note>. Eben verlassen aber hatte diese Allegorie<lb/> nicht Jesus, denn seit dieser sie vorgetragen, waren drei<lb/> Monate verflossen, und gewiſs Vieles von ihm gespro-<lb/> chen, gethan und erlebt worden, was ihm diese Bilder-<lb/> rede in den Hintergrund des Gedächtnisses rücken muſste,<lb/> so daſs er schwerlich zu derselben zurückgekehrt, in kei-<lb/> nem Falle aber sie so wörtlich zu wiederholen im Stande<lb/> gewesen wäre. Wer unmittelbar von jener Allegorie her-<lb/> kommt, ist vielmehr nur der Evangelist, welchem freilich<lb/> vom Niederschreiben der ersten Hälfte dieses Kapitels bis<lb/> zur zweiten nicht Monate vergangen waren, sondern er<lb/> schrieb das nach seiner Zeitangabe ziemlich Entfernte in<lb/> Einem Zuge fort, und so mochte wohl in seinem Gedächt-<lb/> niſs, nicht aber ebenso in Jesu die Allegorie vom Hirten<lb/> auf solche Weise nachklingen. Wer sich hier dadurch<lb/> noch helfen zu können glaubt, daſs er nur die wörtliche<lb/> Ähnlichkeit der späteren Rede mit der früheren auf Rech-<lb/> nung des Evangelisten schreibt, dem kann man dieſs nicht<lb/> verwehren: für mich ist dieser Punkt in Verbindung mit<lb/> den übrigen dafür entscheidend, daſs die Reden Jesu bei<lb/> Johannes ziemlich freie Compositionen sind.</p><lb/> <p>Dasselbe erhellt auch aus derjenigen Rede, mit wel-<lb/> cher der vierte Evangelist Jesum seine öffentliche Thätig-<lb/> keit beschlieſsen läſst (12, 44—50). Diese Rede nämlich<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [655/0679]
Siebentes Kapitel. §. 77.
zurück 12). Eben verlassen aber hatte diese Allegorie
nicht Jesus, denn seit dieser sie vorgetragen, waren drei
Monate verflossen, und gewiſs Vieles von ihm gespro-
chen, gethan und erlebt worden, was ihm diese Bilder-
rede in den Hintergrund des Gedächtnisses rücken muſste,
so daſs er schwerlich zu derselben zurückgekehrt, in kei-
nem Falle aber sie so wörtlich zu wiederholen im Stande
gewesen wäre. Wer unmittelbar von jener Allegorie her-
kommt, ist vielmehr nur der Evangelist, welchem freilich
vom Niederschreiben der ersten Hälfte dieses Kapitels bis
zur zweiten nicht Monate vergangen waren, sondern er
schrieb das nach seiner Zeitangabe ziemlich Entfernte in
Einem Zuge fort, und so mochte wohl in seinem Gedächt-
niſs, nicht aber ebenso in Jesu die Allegorie vom Hirten
auf solche Weise nachklingen. Wer sich hier dadurch
noch helfen zu können glaubt, daſs er nur die wörtliche
Ähnlichkeit der späteren Rede mit der früheren auf Rech-
nung des Evangelisten schreibt, dem kann man dieſs nicht
verwehren: für mich ist dieser Punkt in Verbindung mit
den übrigen dafür entscheidend, daſs die Reden Jesu bei
Johannes ziemlich freie Compositionen sind.
Dasselbe erhellt auch aus derjenigen Rede, mit wel-
cher der vierte Evangelist Jesum seine öffentliche Thätig-
keit beschlieſsen läſst (12, 44—50). Diese Rede nämlich
12)
10, 27: τὰ πρόβατα τὰ
ἐμὰ τῆς φωνῆς μου ἀκούει
κἀγὼ γινώσκω αὐτὰ
28: καὶ ἀκολουϑοῦσί μοι.
10, 3: καὶ τὰ πρόβατα τῆς
φωνῆς αὐτοῦ ἀκούει
14: καὶ γινώσκω τὰ ἐμὰ
4: καὶ τὰ πρόβατα αὐτῷ
ἀκολουϑεῖ.
Auch das folgende κἀγὼ ζωὴν αἰώνιον δίδωμι αὐτοῖς
entspricht dem obigen ἐγὼ ἦλϑον, ἵνα ζωὴν ἔχωσι, V. 10,
so wie das καὶ οὐχ ἁρπάσει τις αὐτὰ ἐκ τῆς χειρός μου
das Gegenstück davon ist, dass nach V. 12. der Miethling
die Schafe ἁρπάζειν lässt.
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