es von der mythischen Beimischung zu sondern und zu entscheiden, wie viel zu diesem, wie viel zu jenem Be- standtheile gehöre.
Es zeigte sich somit die Unfähigkeit, den Begriff des Mythus in Bezug auf die biblische Geschichte rein zu fas- sen einestheils in der überwiegenden Neigung zur Annah- me historischer Mythen, welche nichts andres ist, als Man- gel an Zutrauen zum Geist und zur Idee, als ob diese nicht im Stande wären, rein aus sich heraus Erzählungen zu erzeugen, sondern es hiezu durchaus einer äusseren, wenn auch noch so zufälligen Begebenheit als Veranlassung bedürfte; andrerseits in einer Vermengung des historisch- mythischen Standpunkts mit der natürlichen Erklärung, indem ohne Rücksicht auf den zugestandenen sagenhaften Charakter des Berichts seine einzelnen Züge in der Erklä- rung so urgirt wurden, als ob er aus dem Munde von Augenzeugen aufgenommen wäre.
§. 11. Der Begriff des Mythus nicht umfassend genug angewendet.
Aber nicht nur unrein gefasst wurde der Begriff des Mythus bei seinem ersten Aufkommen unter den Theolo- gen, sondern auch auf die biblische Geschichte nicht um- fassend genug angewendet.
Wie Eichhorn nur an der allerersten Schwelle der A. T.lichen Urgeschichte einen wirklichen Mythus aner- kannte, alles Folgende aber als historisch auf natürliche Weise erklären zu müssen glaubte; wie man hierauf eine Zeit lang zwar im A. T. mythische Bestandtheile zugab, aber im N. T. an nichts dergleichen denken mochte: so musste, einmal in das N. T. zugelassen, der Mythus auch wieder lange an dessen erster Schwelle, der Kindheitsge- schichte Jesu, stehen bleiben, und jeder weitere Schritt
Einleitung. §. 11.
es von der mythischen Beimischung zu sondern und zu entscheiden, wie viel zu diesem, wie viel zu jenem Be- standtheile gehöre.
Es zeigte sich somit die Unfähigkeit, den Begriff des Mythus in Bezug auf die biblische Geschichte rein zu fas- sen einestheils in der überwiegenden Neigung zur Annah- me historischer Mythen, welche nichts andres ist, als Man- gel an Zutrauen zum Geist und zur Idee, als ob diese nicht im Stande wären, rein aus sich heraus Erzählungen zu erzeugen, sondern es hiezu durchaus einer äusseren, wenn auch noch so zufälligen Begebenheit als Veranlassung bedürfte; andrerseits in einer Vermengung des historisch- mythischen Standpunkts mit der natürlichen Erklärung, indem ohne Rücksicht auf den zugestandenen sagenhaften Charakter des Berichts seine einzelnen Züge in der Erklä- rung so urgirt wurden, als ob er aus dem Munde von Augenzeugen aufgenommen wäre.
§. 11. Der Begriff des Mythus nicht umfassend genug angewendet.
Aber nicht nur unrein gefaſst wurde der Begriff des Mythus bei seinem ersten Aufkommen unter den Theolo- gen, sondern auch auf die biblische Geschichte nicht um- fassend genug angewendet.
Wie Eichhorn nur an der allerersten Schwelle der A. T.lichen Urgeschichte einen wirklichen Mythus aner- kannte, alles Folgende aber als historisch auf natürliche Weise erklären zu müssen glaubte; wie man hierauf eine Zeit lang zwar im A. T. mythische Bestandtheile zugab, aber im N. T. an nichts dergleichen denken mochte: so muſste, einmal in das N. T. zugelassen, der Mythus auch wieder lange an dessen erster Schwelle, der Kindheitsge- schichte Jesu, stehen bleiben, und jeder weitere Schritt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0070"n="46"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Einleitung</hi>. §. 11.</fw><lb/>
es von der mythischen Beimischung zu sondern und zu<lb/>
entscheiden, wie viel zu diesem, wie viel zu jenem Be-<lb/>
standtheile gehöre.</p><lb/><p>Es zeigte sich somit die Unfähigkeit, den Begriff des<lb/>
Mythus in Bezug auf die biblische Geschichte rein zu fas-<lb/>
sen einestheils in der überwiegenden Neigung zur Annah-<lb/>
me historischer Mythen, welche nichts andres ist, als Man-<lb/>
gel an Zutrauen zum Geist und zur Idee, als ob diese<lb/>
nicht im Stande wären, rein aus sich heraus Erzählungen<lb/>
zu erzeugen, sondern es hiezu durchaus einer äusseren,<lb/>
wenn auch noch so zufälligen Begebenheit als Veranlassung<lb/>
bedürfte; andrerseits in einer Vermengung des historisch-<lb/>
mythischen Standpunkts mit der natürlichen Erklärung,<lb/>
indem ohne Rücksicht auf den zugestandenen sagenhaften<lb/>
Charakter des Berichts seine einzelnen Züge in der Erklä-<lb/>
rung so urgirt wurden, als ob er aus dem Munde von<lb/>
Augenzeugen aufgenommen wäre.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 11.<lb/>
Der Begriff des Mythus nicht umfassend genug angewendet.</head><lb/><p>Aber nicht nur unrein gefaſst wurde der Begriff des<lb/>
Mythus bei seinem ersten Aufkommen unter den Theolo-<lb/>
gen, sondern auch auf die biblische Geschichte nicht um-<lb/>
fassend genug angewendet.</p><lb/><p>Wie <hirendition="#k">Eichhorn</hi> nur an der allerersten Schwelle der<lb/>
A. T.lichen Urgeschichte einen wirklichen Mythus aner-<lb/>
kannte, alles Folgende aber als historisch auf natürliche<lb/>
Weise erklären zu müssen glaubte; wie man hierauf eine<lb/>
Zeit lang zwar im A. T. mythische Bestandtheile zugab,<lb/>
aber im N. T. an nichts dergleichen denken mochte: so<lb/>
muſste, einmal in das N. T. zugelassen, der Mythus auch<lb/>
wieder lange an dessen erster Schwelle, der Kindheitsge-<lb/>
schichte Jesu, stehen bleiben, und jeder weitere Schritt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0070]
Einleitung. §. 11.
es von der mythischen Beimischung zu sondern und zu
entscheiden, wie viel zu diesem, wie viel zu jenem Be-
standtheile gehöre.
Es zeigte sich somit die Unfähigkeit, den Begriff des
Mythus in Bezug auf die biblische Geschichte rein zu fas-
sen einestheils in der überwiegenden Neigung zur Annah-
me historischer Mythen, welche nichts andres ist, als Man-
gel an Zutrauen zum Geist und zur Idee, als ob diese
nicht im Stande wären, rein aus sich heraus Erzählungen
zu erzeugen, sondern es hiezu durchaus einer äusseren,
wenn auch noch so zufälligen Begebenheit als Veranlassung
bedürfte; andrerseits in einer Vermengung des historisch-
mythischen Standpunkts mit der natürlichen Erklärung,
indem ohne Rücksicht auf den zugestandenen sagenhaften
Charakter des Berichts seine einzelnen Züge in der Erklä-
rung so urgirt wurden, als ob er aus dem Munde von
Augenzeugen aufgenommen wäre.
§. 11.
Der Begriff des Mythus nicht umfassend genug angewendet.
Aber nicht nur unrein gefaſst wurde der Begriff des
Mythus bei seinem ersten Aufkommen unter den Theolo-
gen, sondern auch auf die biblische Geschichte nicht um-
fassend genug angewendet.
Wie Eichhorn nur an der allerersten Schwelle der
A. T.lichen Urgeschichte einen wirklichen Mythus aner-
kannte, alles Folgende aber als historisch auf natürliche
Weise erklären zu müssen glaubte; wie man hierauf eine
Zeit lang zwar im A. T. mythische Bestandtheile zugab,
aber im N. T. an nichts dergleichen denken mochte: so
muſste, einmal in das N. T. zugelassen, der Mythus auch
wieder lange an dessen erster Schwelle, der Kindheitsge-
schichte Jesu, stehen bleiben, und jeder weitere Schritt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/70>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.