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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Einleitung. §. 10.
nicht einen historischen Mythus zu suchen hat. Die phi-
losophisch-mythische Deutung, schliesst er, sei überdiess in
manchen Fällen weit weniger anstössig, als die Behand-
lung aus dem historisch-mythischen Gesichtspunkt 5). --
Bei dieser Neigung Gabler's zum philosophischen Mythus
in Bezug auf die biblische Geschichte muss man sich wun-
dern, wenn man sieht, wie er selbst in concreto nicht
zu wissen scheint, weder was ein historischer, noch was
ein philosophischer Mythus ist. Wenn er nämlich (in der
angef. Abh.) von den bisherigen mythologischen Erklärern
des N. T.s sagt, Einige von ihnen sehen in der Geschichte
Jesu nur historische Mythen, wie Dr. Paulus, Andre lau-
ter philosophische, wie der ungenannte E. F. in Henke's
Magazin: so ist klar, dass er natürliche Erklärungen mit
historisch-mythischer Auffassung verwechselt, denn in Pau-
lus
Commentar sind nur die ersteren zu finden, da ja die
Sage nicht als Vermittlung der Erzählungen gefasst wird;
ebenso wiederum historische Mythen mit philosophischen,
denn jene Abhandlung steht nach der oben mitgetheilten
Probe so sehr nur auf dem historisch-mythischen Stand-
punkt, dass man ihre Erklärungen sogar für natürliche
halten könnte. -- Am entschiedensten erklärte sich gegen
den Versuch, in den Mythen des N. T.s noch eine histo-
rische Grundlage zu suchen, der Ungenannte in Bertholdt's
kritischem Journal 6). Ihm scheint auch der von Gabler
vorgeschlagene Mittelweg zwischen ausschliessender An-
nahme von historischen und von philosophischen Mythen
nicht anwendbar zu sein, da zwar den meisten Nachrich-
ten des N. T.s etwas wirklich Geschehenes zum Grunde
liegen möge, ohne dass es jedoch jezt noch möglich wäre,

5) Gabler's neuestes theol. Journal, 7. Bd. S. 83. vgl. 397 u. 409.
6) Über die verschiedenen Gesichtspunkte, in welchen und für
welche der Biograph Jesu arbeiten kann. In Bertholdt's krit.
Journal 5, S. 235 ff.

Einleitung. §. 10.
nicht einen historischen Mythus zu suchen hat. Die phi-
losophisch-mythische Deutung, schlieſst er, sei überdieſs in
manchen Fällen weit weniger anstöſsig, als die Behand-
lung aus dem historisch-mythischen Gesichtspunkt 5). —
Bei dieser Neigung Gabler's zum philosophischen Mythus
in Bezug auf die biblische Geschichte muſs man sich wun-
dern, wenn man sieht, wie er selbst in concreto nicht
zu wissen scheint, weder was ein historischer, noch was
ein philosophischer Mythus ist. Wenn er nämlich (in der
angef. Abh.) von den bisherigen mythologischen Erklärern
des N. T.s sagt, Einige von ihnen sehen in der Geschichte
Jesu nur historische Mythen, wie Dr. Paulus, Andre lau-
ter philosophische, wie der ungenannte E. F. in Henke's
Magazin: so ist klar, daſs er natürliche Erklärungen mit
historisch-mythischer Auffassung verwechselt, denn in Pau-
lus
Commentar sind nur die ersteren zu finden, da ja die
Sage nicht als Vermittlung der Erzählungen gefaſst wird;
ebenso wiederum historische Mythen mit philosophischen,
denn jene Abhandlung steht nach der oben mitgetheilten
Probe so sehr nur auf dem historisch-mythischen Stand-
punkt, daſs man ihre Erklärungen sogar für natürliche
halten könnte. — Am entschiedensten erklärte sich gegen
den Versuch, in den Mythen des N. T.s noch eine histo-
rische Grundlage zu suchen, der Ungenannte in Bertholdt's
kritischem Journal 6). Ihm scheint auch der von Gabler
vorgeschlagene Mittelweg zwischen ausschlieſsender An-
nahme von historischen und von philosophischen Mythen
nicht anwendbar zu sein, da zwar den meisten Nachrich-
ten des N. T.s etwas wirklich Geschehenes zum Grunde
liegen möge, ohne daſs es jedoch jezt noch möglich wäre,

5) Gabler's neuestes theol. Journal, 7. Bd. S. 83. vgl. 397 u. 409.
6) Über die verschiedenen Gesichtspunkte, in welchen und für
welche der Biograph Jesu arbeiten kann. In Bertholdt's krit.
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[45/0069] Einleitung. §. 10. nicht einen historischen Mythus zu suchen hat. Die phi- losophisch-mythische Deutung, schlieſst er, sei überdieſs in manchen Fällen weit weniger anstöſsig, als die Behand- lung aus dem historisch-mythischen Gesichtspunkt 5). — Bei dieser Neigung Gabler's zum philosophischen Mythus in Bezug auf die biblische Geschichte muſs man sich wun- dern, wenn man sieht, wie er selbst in concreto nicht zu wissen scheint, weder was ein historischer, noch was ein philosophischer Mythus ist. Wenn er nämlich (in der angef. Abh.) von den bisherigen mythologischen Erklärern des N. T.s sagt, Einige von ihnen sehen in der Geschichte Jesu nur historische Mythen, wie Dr. Paulus, Andre lau- ter philosophische, wie der ungenannte E. F. in Henke's Magazin: so ist klar, daſs er natürliche Erklärungen mit historisch-mythischer Auffassung verwechselt, denn in Pau- lus Commentar sind nur die ersteren zu finden, da ja die Sage nicht als Vermittlung der Erzählungen gefaſst wird; ebenso wiederum historische Mythen mit philosophischen, denn jene Abhandlung steht nach der oben mitgetheilten Probe so sehr nur auf dem historisch-mythischen Stand- punkt, daſs man ihre Erklärungen sogar für natürliche halten könnte. — Am entschiedensten erklärte sich gegen den Versuch, in den Mythen des N. T.s noch eine histo- rische Grundlage zu suchen, der Ungenannte in Bertholdt's kritischem Journal 6). Ihm scheint auch der von Gabler vorgeschlagene Mittelweg zwischen ausschlieſsender An- nahme von historischen und von philosophischen Mythen nicht anwendbar zu sein, da zwar den meisten Nachrich- ten des N. T.s etwas wirklich Geschehenes zum Grunde liegen möge, ohne daſs es jedoch jezt noch möglich wäre, 5) Gabler's neuestes theol. Journal, 7. Bd. S. 83. vgl. 397 u. 409. 6) Über die verschiedenen Gesichtspunkte, in welchen und für welche der Biograph Jesu arbeiten kann. In Bertholdt's krit. Journal 5, S. 235 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/69>, abgerufen am 21.11.2024.