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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Achtes Kapitel. §. 81.
geistigen Zeichen dieser messianischen Zeit, das ist so
dunkel, dass aus der Verzweiflung an einem Zusammen-
hang die sonst unbegründete Auslassung der Verse 2 und
3 4) hervorgegangen scheint. Lukas, der diesen Vorwurf
Jesu, dass seine Zeitgenossen besser die Zeichen der Wit-
terung als der Zeit verstehen, nur zum Theil mit andern
Worten, gleichfalls hat (12, 54 f.), stellt denselben in
andern Zusammenhang, und ohne Zweifel in bessern, in-
dem nach den Reden von dem Feuer, das er anzünden,
und der Entzweiung, welche er herbeiführen werde, Je-
sus nun ganz schicklich zum Volke sagen kann: von den
unverkennbaren Vorzeichen einer so grossen Revolution,
wie sich durch mich eine vorbereitet, nehmet ihr keine
Notiz, so schlecht verstehet ihr euch auf die Zeichen der
Zeit 5). Sehen wir von hier auf Matthäus zurück, so
zeigt sich uns leicht, wie er zu seiner Darstellung kom-
men konnte. Zur Verdopplung der Zeichenforderung mag
ihn die Variation veranlasst haben, welche er vorfand,
dass das geforderte Zeichen bald als semeion schlechtweg,
bald als sem. ek tou ouranou bestimmt zu werden pflegte.
Und wenn er nun wusste, dass Jesus die Juden von dem
diakrinein to prosopon tou ouranou auf die diakrisis der
semeia ton kairon verwiesen hatte: so lag ihm die Ver-
muthung nicht allzu ferne, dass die Juden diese Abferti-
gung vielleicht durch das Verlangen eines semeion ek t[ou]
ouranou veranlasst haben mögen. So begegnet uns hier
Matthäus wie sonst öfters Lukas mit einer gemachten Ein-
leitung einer Rede Jesu, zum Beleg für den von Sieffert
aufgestellten 6), aber zu wenig berücksichtigten Saz, dass
es in der Natur solcher traditionellen Berichte, wie wir
sie an den drei ersten Evangelien haben, liege, dass der

4) s. Griesbach, Comm. crit. z. d. St.
5) Etwas anders Schleiermacher, S. 190 f.
6) Über den Ursprung, S. 115.
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Achtes Kapitel. §. 81.
geistigen Zeichen dieser messianischen Zeit, das ist so
dunkel, daſs aus der Verzweiflung an einem Zusammen-
hang die sonst unbegründete Auslassung der Verse 2 und
3 4) hervorgegangen scheint. Lukas, der diesen Vorwurf
Jesu, daſs seine Zeitgenossen besser die Zeichen der Wit-
terung als der Zeit verstehen, nur zum Theil mit andern
Worten, gleichfalls hat (12, 54 f.), stellt denselben in
andern Zusammenhang, und ohne Zweifel in bessern, in-
dem nach den Reden von dem Feuer, das er anzünden,
und der Entzweiung, welche er herbeiführen werde, Je-
sus nun ganz schicklich zum Volke sagen kann: von den
unverkennbaren Vorzeichen einer so groſsen Revolution,
wie sich durch mich eine vorbereitet, nehmet ihr keine
Notiz, so schlecht verstehet ihr euch auf die Zeichen der
Zeit 5). Sehen wir von hier auf Matthäus zurück, so
zeigt sich uns leicht, wie er zu seiner Darstellung kom-
men konnte. Zur Verdopplung der Zeichenforderung mag
ihn die Variation veranlaſst haben, welche er vorfand,
daſs das geforderte Zeichen bald als σημεῖον schlechtweg,
bald als σημ. ἐκ τοῦ οὐρανοῦ bestimmt zu werden pflegte.
Und wenn er nun wuſste, daſs Jesus die Juden von dem
διακρίνειν τὸ πρόσωπον τοῦ οὐρανοῦ auf die διάκρισις der
σημεῖα τῶν καιρῶν verwiesen hatte: so lag ihm die Ver-
muthung nicht allzu ferne, daſs die Juden diese Abferti-
gung vielleicht durch das Verlangen eines σημεῖον ἐκ τ[οῦ]
ουρανοῦ veranlaſst haben mögen. So begegnet uns hier
Matthäus wie sonst öfters Lukas mit einer gemachten Ein-
leitung einer Rede Jesu, zum Beleg für den von Sieffert
aufgestellten 6), aber zu wenig berücksichtigten Saz, daſs
es in der Natur solcher traditionellen Berichte, wie wir
sie an den drei ersten Evangelien haben, liege, daſs der

4) s. Griesbach, Comm. crit. z. d. St.
5) Etwas anders Schleiermacher, S. 190 f.
6) Über den Ursprung, S. 115.
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[691/0715] Achtes Kapitel. §. 81. geistigen Zeichen dieser messianischen Zeit, das ist so dunkel, daſs aus der Verzweiflung an einem Zusammen- hang die sonst unbegründete Auslassung der Verse 2 und 3 4) hervorgegangen scheint. Lukas, der diesen Vorwurf Jesu, daſs seine Zeitgenossen besser die Zeichen der Wit- terung als der Zeit verstehen, nur zum Theil mit andern Worten, gleichfalls hat (12, 54 f.), stellt denselben in andern Zusammenhang, und ohne Zweifel in bessern, in- dem nach den Reden von dem Feuer, das er anzünden, und der Entzweiung, welche er herbeiführen werde, Je- sus nun ganz schicklich zum Volke sagen kann: von den unverkennbaren Vorzeichen einer so groſsen Revolution, wie sich durch mich eine vorbereitet, nehmet ihr keine Notiz, so schlecht verstehet ihr euch auf die Zeichen der Zeit 5). Sehen wir von hier auf Matthäus zurück, so zeigt sich uns leicht, wie er zu seiner Darstellung kom- men konnte. Zur Verdopplung der Zeichenforderung mag ihn die Variation veranlaſst haben, welche er vorfand, daſs das geforderte Zeichen bald als σημεῖον schlechtweg, bald als σημ. ἐκ τοῦ οὐρανοῦ bestimmt zu werden pflegte. Und wenn er nun wuſste, daſs Jesus die Juden von dem διακρίνειν τὸ πρόσωπον τοῦ οὐρανοῦ auf die διάκρισις der σημεῖα τῶν καιρῶν verwiesen hatte: so lag ihm die Ver- muthung nicht allzu ferne, daſs die Juden diese Abferti- gung vielleicht durch das Verlangen eines σημεῖον ἐκ τοῦ ουρανοῦ veranlaſst haben mögen. So begegnet uns hier Matthäus wie sonst öfters Lukas mit einer gemachten Ein- leitung einer Rede Jesu, zum Beleg für den von Sieffert aufgestellten 6), aber zu wenig berücksichtigten Saz, daſs es in der Natur solcher traditionellen Berichte, wie wir sie an den drei ersten Evangelien haben, liege, daſs der 4) s. Griesbach, Comm. crit. z. d. St. 5) Etwas anders Schleiermacher, S. 190 f. 6) Über den Ursprung, S. 115. 44*

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/715>, abgerufen am 27.11.2024.