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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Achtes Kapitel. §. 85.
Commentator des vierten Evangeliums einräumt, umgekehrt
das Salben der Füsse mit kostbarem Oel das minder Ge-
wöhnliche war 24).

Ganz besonders dankbar ist man aber dem Augenzeu-
gen Johannes dafür, dass er den Namen sowohl der sal-
benden Frau als des tadelnden Jüngers der Vergessenheit
entrissen hat 25). Da in Bezug auf die Frau die Auskunft,
die Synoptiker haben ihren Namen wohl gewusst, ihn
aber aus Rücksicht auf mögliche Gefahr für die Familie
des Lazarus verschwiegen, und erst der später schreibende
Johannes habe wagen können, ihn zu nennen 26), einem
aus der Mode gekommenen Pragmatismus in Bezug auf
das Leben Jesu angehört, so bleibt es dabei, dass die er-
sten Evangelisten von dem Namen der Frau nichts gewusst
haben, und es fragt sich, wie diess möglich war? Da
Jesus der That des Weibes ausdrücklich Verewigung ver-
hiess, so musste die Tendenz entstehen, auch ihren Na-
men aufzubewahren, und wenn dieser nun mit dem be-
kannten und vielfach genannten der Bethanischen Maria
zusammentraf, so ist nicht einzusehen, wie dieses Band
in der Überlieferung wieder gelöst, und jene salbende
Frau zur Unbekannten werden konnte. Fast noch unbe-
greiflicher aber ist, wie, wenn der habsüchtige Tadel der
Frau wirklich von dem nachmaligen Verräther ausgespro-
chen worden war, diess in der Überlieferung vergessen,
und derselbe den Jüngern überhaupt zugeschrieben wer-
den konnte. Wenn von einer sonst unbekannten Person
namentlich etwas erzählt wird, oder auch von einer be-
kannten etwas, das mit ihrem anderweitigen Charakter
nicht sichtbar zusammenhängt, so ist es natürlich, dass
sich in der Überlieferung der Name verliert: wenn aber

24) Lücke, 2, S. 417; vgl. Lightfoot, horae, S. 468. 1081.
25) Schulz, a. a. O.
26) so Gtotius, Herder.
Das Leben Jesu I. Band. 46

Achtes Kapitel. §. 85.
Commentator des vierten Evangeliums einräumt, umgekehrt
das Salben der Füſse mit kostbarem Oel das minder Ge-
wöhnliche war 24).

Ganz besonders dankbar ist man aber dem Augenzeu-
gen Johannes dafür, daſs er den Namen sowohl der sal-
benden Frau als des tadelnden Jüngers der Vergessenheit
entrissen hat 25). Da in Bezug auf die Frau die Auskunft,
die Synoptiker haben ihren Namen wohl gewuſst, ihn
aber aus Rücksicht auf mögliche Gefahr für die Familie
des Lazarus verschwiegen, und erst der später schreibende
Johannes habe wagen können, ihn zu nennen 26), einem
aus der Mode gekommenen Pragmatismus in Bezug auf
das Leben Jesu angehört, so bleibt es dabei, daſs die er-
sten Evangelisten von dem Namen der Frau nichts gewuſst
haben, und es fragt sich, wie dieſs möglich war? Da
Jesus der That des Weibes ausdrücklich Verewigung ver-
hieſs, so muſste die Tendenz entstehen, auch ihren Na-
men aufzubewahren, und wenn dieser nun mit dem be-
kannten und vielfach genannten der Bethanischen Maria
zusammentraf, so ist nicht einzusehen, wie dieses Band
in der Überlieferung wieder gelöst, und jene salbende
Frau zur Unbekannten werden konnte. Fast noch unbe-
greiflicher aber ist, wie, wenn der habsüchtige Tadel der
Frau wirklich von dem nachmaligen Verräther ausgespro-
chen worden war, dieſs in der Überlieferung vergessen,
und derselbe den Jüngern überhaupt zugeschrieben wer-
den konnte. Wenn von einer sonst unbekannten Person
namentlich etwas erzählt wird, oder auch von einer be-
kannten etwas, das mit ihrem anderweitigen Charakter
nicht sichtbar zusammenhängt, so ist es natürlich, daſs
sich in der Überlieferung der Name verliert: wenn aber

24) Lücke, 2, S. 417; vgl. Lightfoot, horae, S. 468. 1081.
25) Schulz, a. a. O.
26) so Gtotius, Herder.
Das Leben Jesu I. Band. 46
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[721/0745] Achtes Kapitel. §. 85. Commentator des vierten Evangeliums einräumt, umgekehrt das Salben der Füſse mit kostbarem Oel das minder Ge- wöhnliche war 24). Ganz besonders dankbar ist man aber dem Augenzeu- gen Johannes dafür, daſs er den Namen sowohl der sal- benden Frau als des tadelnden Jüngers der Vergessenheit entrissen hat 25). Da in Bezug auf die Frau die Auskunft, die Synoptiker haben ihren Namen wohl gewuſst, ihn aber aus Rücksicht auf mögliche Gefahr für die Familie des Lazarus verschwiegen, und erst der später schreibende Johannes habe wagen können, ihn zu nennen 26), einem aus der Mode gekommenen Pragmatismus in Bezug auf das Leben Jesu angehört, so bleibt es dabei, daſs die er- sten Evangelisten von dem Namen der Frau nichts gewuſst haben, und es fragt sich, wie dieſs möglich war? Da Jesus der That des Weibes ausdrücklich Verewigung ver- hieſs, so muſste die Tendenz entstehen, auch ihren Na- men aufzubewahren, und wenn dieser nun mit dem be- kannten und vielfach genannten der Bethanischen Maria zusammentraf, so ist nicht einzusehen, wie dieses Band in der Überlieferung wieder gelöst, und jene salbende Frau zur Unbekannten werden konnte. Fast noch unbe- greiflicher aber ist, wie, wenn der habsüchtige Tadel der Frau wirklich von dem nachmaligen Verräther ausgespro- chen worden war, dieſs in der Überlieferung vergessen, und derselbe den Jüngern überhaupt zugeschrieben wer- den konnte. Wenn von einer sonst unbekannten Person namentlich etwas erzählt wird, oder auch von einer be- kannten etwas, das mit ihrem anderweitigen Charakter nicht sichtbar zusammenhängt, so ist es natürlich, daſs sich in der Überlieferung der Name verliert: wenn aber 24) Lücke, 2, S. 417; vgl. Lightfoot, horae, S. 468. 1081. 25) Schulz, a. a. O. 26) so Gtotius, Herder. Das Leben Jesu I. Band. 46

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/745>, abgerufen am 24.11.2024.