Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Einleitung. §. 12. Voraussetzung einer Abfassung derselben durch Aposteloder solche, welche unmittelbar von Aposteln ihre Erkun- digungen eingezogen hätten; auf innere Gründe also kann die Authentie der Evangelien nicht gebaut werden, ehe sämmtliche Erzählungen derselben darauf angesehen sind, ob sie eine historische oder eine mythische Auffassung ver- langen. Freilich, wenn die äussern Zeugnisse für einen apostolischen Ursprung der Evangelien zwingend wären: so würde diess ein bedenkliches Hinderniss der mythischen Ansicht von ihren Berichten sein. Allein so sind jene äus- sern Gründe keineswegs beschaffen. Denn so hoch gehen doch die Zeugnisse weder für das Matthäus- noch für das Johannes-Evangelium hinauf, dass uns ein Bekannter die- ser Apostel die Mittheilung machte, sie haben Evange- lien, und zwar eben diejenigen geschrieben, welche wir jezt unter ihren Namen lesen. Für das johanneische Evan- gelium findet sich gerade bei Polykarpus, welcher den Jo- hannes gekannt haben soll, nicht blos in dem, was uns von ihm Schriftliches übrig ist, kein Zeugniss, sondern auch Irenäus, sein Schüler, weiss sich für die Ächtheit je- nes Evangeliums auf keinen Ausspruch seines Lehrers zu berufen 18). Auch aus Papias, der als Ioannou akou[s]es be- zeichnet wird, wissen die Väter, welche die alten Zeug- nisse für unsre Evangelien sorgfältig aufgesammelt haben, nichts für das johanneische Evangelium beizubringen. Da- gegen bezeugt Papias von Matthäus, dass er ein Evange- lium (denn das will er allerdings durch ta logia bezeich- nen 19)) geschrieben habe 20); allein theils wird Papias nicht wie des Johannes, so auch des Matthäus Bekannter 18) de Wette, Einleitung in das N. T. §. 109 (2te Auflage). 19) vgl. Lücke, in ullmann's und umbreit's Studien, 1833, 2. Heft S. 499 ff., gegen Schleiermacher, über Papias Zeugnisse von unsern beiden ersten Evangelien, Studien, 1832, 4, S. 736 ff. 20) Euseb. H. E. 3, 39.
Einleitung. §. 12. Voraussetzung einer Abfassung derselben durch Aposteloder solche, welche unmittelbar von Aposteln ihre Erkun- digungen eingezogen hätten; auf innere Gründe also kann die Authentie der Evangelien nicht gebaut werden, ehe sämmtliche Erzählungen derselben darauf angesehen sind, ob sie eine historische oder eine mythische Auffassung ver- langen. Freilich, wenn die äussern Zeugnisse für einen apostolischen Ursprung der Evangelien zwingend wären: so würde dieſs ein bedenkliches Hinderniſs der mythischen Ansicht von ihren Berichten sein. Allein so sind jene äus- sern Gründe keineswegs beschaffen. Denn so hoch gehen doch die Zeugnisse weder für das Matthäus- noch für das Johannes-Evangelium hinauf, daſs uns ein Bekannter die- ser Apostel die Mittheilung machte, sie haben Evange- lien, und zwar eben diejenigen geschrieben, welche wir jezt unter ihren Namen lesen. Für das johanneische Evan- gelium findet sich gerade bei Polykarpus, welcher den Jo- hannes gekannt haben soll, nicht blos in dem, was uns von ihm Schriftliches übrig ist, kein Zeugniſs, sondern auch Irenäus, sein Schüler, weiſs sich für die Ächtheit je- nes Evangeliums auf keinen Ausspruch seines Lehrers zu berufen 18). Auch aus Papias, der als Ἰωάννου ἀκου[ς]ὴς be- zeichnet wird, wissen die Väter, welche die alten Zeug- nisse für unsre Evangelien sorgfältig aufgesammelt haben, nichts für das johanneische Evangelium beizubringen. Da- gegen bezeugt Papias von Matthäus, daſs er ein Evange- lium (denn das will er allerdings durch τὰ λόγια bezeich- nen 19)) geschrieben habe 20); allein theils wird Papias nicht wie des Johannes, so auch des Matthäus Bekannter 18) de Wette, Einleitung in das N. T. §. 109 (2te Auflage). 19) vgl. Lücke, in ullmann's und umbreit's Studien, 1833, 2. Heft S. 499 ff., gegen Schleiermacher, über Papias Zeugnisse von unsern beiden ersten Evangelien, Studien, 1832, 4, S. 736 ff. 20) Euseb. H. E. 3, 39.
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Einleitung. §. 12.
Voraussetzung einer Abfassung derselben durch Apostel
oder solche, welche unmittelbar von Aposteln ihre Erkun-
digungen eingezogen hätten; auf innere Gründe also kann
die Authentie der Evangelien nicht gebaut werden, ehe
sämmtliche Erzählungen derselben darauf angesehen sind,
ob sie eine historische oder eine mythische Auffassung ver-
langen. Freilich, wenn die äussern Zeugnisse für einen
apostolischen Ursprung der Evangelien zwingend wären:
so würde dieſs ein bedenkliches Hinderniſs der mythischen
Ansicht von ihren Berichten sein. Allein so sind jene äus-
sern Gründe keineswegs beschaffen. Denn so hoch gehen
doch die Zeugnisse weder für das Matthäus- noch für das
Johannes-Evangelium hinauf, daſs uns ein Bekannter die-
ser Apostel die Mittheilung machte, sie haben Evange-
lien, und zwar eben diejenigen geschrieben, welche wir
jezt unter ihren Namen lesen. Für das johanneische Evan-
gelium findet sich gerade bei Polykarpus, welcher den Jo-
hannes gekannt haben soll, nicht blos in dem, was uns
von ihm Schriftliches übrig ist, kein Zeugniſs, sondern
auch Irenäus, sein Schüler, weiſs sich für die Ächtheit je-
nes Evangeliums auf keinen Ausspruch seines Lehrers zu
berufen 18). Auch aus Papias, der als Ἰωάννου ἀκουςὴς be-
zeichnet wird, wissen die Väter, welche die alten Zeug-
nisse für unsre Evangelien sorgfältig aufgesammelt haben,
nichts für das johanneische Evangelium beizubringen. Da-
gegen bezeugt Papias von Matthäus, daſs er ein Evange-
lium (denn das will er allerdings durch τὰ λόγια bezeich-
nen 19)) geschrieben habe 20); allein theils wird Papias
nicht wie des Johannes, so auch des Matthäus Bekannter
18) de Wette, Einleitung in das N. T. §. 109 (2te Auflage).
19) vgl. Lücke, in ullmann's und umbreit's Studien, 1833, 2. Heft
S. 499 ff., gegen Schleiermacher, über Papias Zeugnisse von
unsern beiden ersten Evangelien, Studien, 1832, 4, S. 736 ff.
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