Diese Abweichungen sind allerdings bedeutend genug, um von einem gewissen Gesichtspunkt aus um ihretwillen auf der Verschiedenheit des dem synoptischen und des dem johanneischen Berichte zum Grunde liegenden Faktischen zu beharren: nur sollte man, wenn man es von dieser Seite so genau nimmt, sich über die Abweichungen, welche auch zwischen den beiden synoptischen Berichten stattfinden, nicht verblenden. Schon in Bezeichnung der Person des Leidenden stimmen sie nicht ganz zusammen: Lukas heisst ihn einen doulos entimos des Hauptmanns, bei Matthäus nennt dieser ihn o pais mou, was ebensowohl einen Sohn als einen Diener bedeuten kann, und dadurch, dass der Hauptmann V. 9, wo er von seinem Knechte spricht, den Ausdruck: doulos gebraucht, während der Geheilte V. 13. wieder als o pais autou bezeichnet wird, eher im ersteren Sinne erklärt zu sein scheint. In Betreff seines Leidens wird der Mensch von Matthäus als ein paralutikos dei- nos basanizomenos geschildert, von welcher Krankheitsform Lukas nicht allein schweigt, sondern, indem er zu dem unbe- stimmten: kakos ekhon noch emelle teleutan sezt, Manchen eine andere Krankheit vorauszusetzen scheint, da die Pa- ralyse sonst nicht als schnell tödtende Krankheit vor- komme 2). Als die bedeutendste Differenz aber geht durch die ganze Erzählung diese hindurch, dass Alles, was nach Matthäus der Centurio unmittelbar selbst thut, bei Lukas durch Gesandtschaften vermittelt ist, indem er hier zuerst schon, nicht wie bei Matthäus persönlich, sondern durch die presbuterous ton Ioudaion Jesum um die Heilung ersucht, dann aber von dem Betreten seines Hauses ihn wiederum nicht selbst zurückhält, sondern durch einige Freunde ab- mahnen lässt. Zur Ausgleichung dieser Differenz pflegt man sich auf die Regel: quod quis per alium facit etc. zu be-
2)Schleiermacher, über den Lukas, S. 92.
Neuntes Kapitel. §. 94.
Diese Abweichungen sind allerdings bedeutend genug, um von einem gewissen Gesichtspunkt aus um ihretwillen auf der Verschiedenheit des dem synoptischen und des dem johanneischen Berichte zum Grunde liegenden Faktischen zu beharren: nur sollte man, wenn man es von dieser Seite so genau nimmt, sich über die Abweichungen, welche auch zwischen den beiden synoptischen Berichten stattfinden, nicht verblenden. Schon in Bezeichnung der Person des Leidenden stimmen sie nicht ganz zusammen: Lukas heiſst ihn einen δοῦλος ἔντιμος des Hauptmanns, bei Matthäus nennt dieser ihn ὁ παῖς μου, was ebensowohl einen Sohn als einen Diener bedeuten kann, und dadurch, daſs der Hauptmann V. 9, wo er von seinem Knechte spricht, den Ausdruck: δοῦλος gebraucht, während der Geheilte V. 13. wieder als ὁ παῖς αὐτοῦ bezeichnet wird, eher im ersteren Sinne erklärt zu sein scheint. In Betreff seines Leidens wird der Mensch von Matthäus als ein παραλυτικὸς δει- νῶς βασανιζόμενος geschildert, von welcher Krankheitsform Lukas nicht allein schweigt, sondern, indem er zu dem unbe- stimmten: κακῶς ἔχων noch ἤμελλε τελευτᾷν sezt, Manchen eine andere Krankheit vorauszusetzen scheint, da die Pa- ralyse sonst nicht als schnell tödtende Krankheit vor- komme 2). Als die bedeutendste Differenz aber geht durch die ganze Erzählung diese hindurch, daſs Alles, was nach Matthäus der Centurio unmittelbar selbst thut, bei Lukas durch Gesandtschaften vermittelt ist, indem er hier zuerst schon, nicht wie bei Matthäus persönlich, sondern durch die πρεσβυτέρους τῶν Ἰουδαίων Jesum um die Heilung ersucht, dann aber von dem Betreten seines Hauses ihn wiederum nicht selbst zurückhält, sondern durch einige Freunde ab- mahnen läſst. Zur Ausgleichung dieser Differenz pflegt man sich auf die Regel: quod quis per alium facit etc. zu be-
2)Schleiermacher, über den Lukas, S. 92.
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Neuntes Kapitel. §. 94.
Diese Abweichungen sind allerdings bedeutend genug,
um von einem gewissen Gesichtspunkt aus um ihretwillen
auf der Verschiedenheit des dem synoptischen und des dem
johanneischen Berichte zum Grunde liegenden Faktischen
zu beharren: nur sollte man, wenn man es von dieser Seite
so genau nimmt, sich über die Abweichungen, welche auch
zwischen den beiden synoptischen Berichten stattfinden,
nicht verblenden. Schon in Bezeichnung der Person des
Leidenden stimmen sie nicht ganz zusammen: Lukas heiſst
ihn einen δοῦλος ἔντιμος des Hauptmanns, bei Matthäus
nennt dieser ihn ὁ παῖς μου, was ebensowohl einen Sohn
als einen Diener bedeuten kann, und dadurch, daſs der
Hauptmann V. 9, wo er von seinem Knechte spricht, den
Ausdruck: δοῦλος gebraucht, während der Geheilte V. 13.
wieder als ὁ παῖς αὐτοῦ bezeichnet wird, eher im ersteren
Sinne erklärt zu sein scheint. In Betreff seines Leidens
wird der Mensch von Matthäus als ein παραλυτικὸς δει-
νῶς βασανιζόμενος geschildert, von welcher Krankheitsform
Lukas nicht allein schweigt, sondern, indem er zu dem unbe-
stimmten: κακῶς ἔχων noch ἤμελλε τελευτᾷν sezt, Manchen
eine andere Krankheit vorauszusetzen scheint, da die Pa-
ralyse sonst nicht als schnell tödtende Krankheit vor-
komme 2). Als die bedeutendste Differenz aber geht durch
die ganze Erzählung diese hindurch, daſs Alles, was nach
Matthäus der Centurio unmittelbar selbst thut, bei Lukas
durch Gesandtschaften vermittelt ist, indem er hier zuerst
schon, nicht wie bei Matthäus persönlich, sondern durch
die πρεσβυτέρους τῶν Ἰουδαίων Jesum um die Heilung ersucht,
dann aber von dem Betreten seines Hauses ihn wiederum
nicht selbst zurückhält, sondern durch einige Freunde ab-
mahnen läſst. Zur Ausgleichung dieser Differenz pflegt man
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/124>, abgerufen am 21.11.2024.
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