Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. rufen 3). Soll damit, wie es auf dem Standpunkt der sourtheilenden Erklärer nicht anders denkbar ist, gesagt sein, Matthäus habe wohl gewusst, dass zwischen dem Hauptmann und Jesu Alles durch Mittelspersonen verhan- delt worden sei, dennoch aber habe er der Kürze wegen mittelst jener Redefigur ihn selbst mit Jesu sprechen las- sen: so hat Storr vollkommen recht mit der Gegenbemer- kung, dass wohl schwerlich irgend ein Geschichtschreiber jene Metonymie so beharrlich durch eine ganze Erzählung hindurchführen würde, und zwar in einem Falle, wo ei- nerseits die Redefigur sich keineswegs so von selbst verrathe, wie z. B. wenn einem Feldherrn zugeschrieben wird, was seine Soldaten thun, und wo andrerseits gerade auf den Um- stand, ob die Person selbst oder durch Andere gehandelt habe, zur vollen Erkennbarkeit ihres Charakters etwas an- komme 4). Mit löblicher Consequenz hat daher Storr, wie er der bedeutenden Differenzen wegen die Erzählung des vierten Evangeliums auf ein anderes Faktum beziehen zu müssen glaubte, als die des ersten und dritten, ebenso um der Abweichungen willen, welche er zwischen den Berich- ten der lezteren beiden fand, auch diese für Erzählungen zweier verschiedenen Begebenheiten erklärt. Wundert man sich, dass zu drei verschiedenen Malen ein so ganz ähnli- cher Heilungsfall an dem gleichen Orte vorgekommen sein soll (denn auch nach Johannes lag und genas der Kranke in Kapernaum): so verwundert sich Storr seinerseits, wie man im Mindesten unwahrscheinlich finden könne, dass in Kapernaum zu verschiedenen Zeiten zwei Hauptleute einen kranken Knecht, und wieder ein andermal ein Hofbeamter einen kranken Sohn gehabt, dass der zweite Hauptmann (des Lukas) von der Geschichte des ersten gehört, sich auf 3) Augustin, de consens. evang. 1, 20; Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 709; Köster, Immanuel, S. 63. 4) Über den Zweck u. s. f. S. 351.
Zweiter Abschnitt. rufen 3). Soll damit, wie es auf dem Standpunkt der sourtheilenden Erklärer nicht anders denkbar ist, gesagt sein, Matthäus habe wohl gewuſst, daſs zwischen dem Hauptmann und Jesu Alles durch Mittelspersonen verhan- delt worden sei, dennoch aber habe er der Kürze wegen mittelst jener Redefigur ihn selbst mit Jesu sprechen las- sen: so hat Storr vollkommen recht mit der Gegenbemer- kung, daſs wohl schwerlich irgend ein Geschichtschreiber jene Metonymie so beharrlich durch eine ganze Erzählung hindurchführen würde, und zwar in einem Falle, wo ei- nerseits die Redefigur sich keineswegs so von selbst verrathe, wie z. B. wenn einem Feldherrn zugeschrieben wird, was seine Soldaten thun, und wo andrerseits gerade auf den Um- stand, ob die Person selbst oder durch Andere gehandelt habe, zur vollen Erkennbarkeit ihres Charakters etwas an- komme 4). Mit löblicher Consequenz hat daher Storr, wie er der bedeutenden Differenzen wegen die Erzählung des vierten Evangeliums auf ein anderes Faktum beziehen zu müssen glaubte, als die des ersten und dritten, ebenso um der Abweichungen willen, welche er zwischen den Berich- ten der lezteren beiden fand, auch diese für Erzählungen zweier verschiedenen Begebenheiten erklärt. Wundert man sich, daſs zu drei verschiedenen Malen ein so ganz ähnli- cher Heilungsfall an dem gleichen Orte vorgekommen sein soll (denn auch nach Johannes lag und genas der Kranke in Kapernaum): so verwundert sich Storr seinerseits, wie man im Mindesten unwahrscheinlich finden könne, daſs in Kapernaum zu verschiedenen Zeiten zwei Hauptleute einen kranken Knecht, und wieder ein andermal ein Hofbeamter einen kranken Sohn gehabt, daſs der zweite Hauptmann (des Lukas) von der Geschichte des ersten gehört, sich auf 3) Augustin, de consens. evang. 1, 20; Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 709; Köster, Immanuel, S. 63. 4) Über den Zweck u. s. f. S. 351.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0125" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/> rufen <note place="foot" n="3)">Augustin, de consens. evang. 1, 20; <hi rendition="#k">Paulus</hi>, ex. Handb. 1, b,<lb/> S. 709; <hi rendition="#k">Köster</hi>, Immanuel, S. 63.</note>. Soll damit, wie es auf dem Standpunkt der so<lb/> urtheilenden Erklärer nicht anders denkbar ist, gesagt<lb/> sein, Matthäus habe wohl gewuſst, daſs zwischen dem<lb/> Hauptmann und Jesu Alles durch Mittelspersonen verhan-<lb/> delt worden sei, dennoch aber habe er der Kürze wegen<lb/> mittelst jener Redefigur ihn selbst mit Jesu sprechen las-<lb/> sen: so hat <hi rendition="#k">Storr</hi> vollkommen recht mit der Gegenbemer-<lb/> kung, daſs wohl schwerlich irgend ein Geschichtschreiber<lb/> jene Metonymie so beharrlich durch eine ganze Erzählung<lb/> hindurchführen würde, und zwar in einem Falle, wo ei-<lb/> nerseits die Redefigur sich keineswegs so von selbst verrathe,<lb/> wie z. B. wenn einem Feldherrn zugeschrieben wird, was<lb/> seine Soldaten thun, und wo andrerseits gerade auf den Um-<lb/> stand, ob die Person selbst oder durch Andere gehandelt<lb/> habe, zur vollen Erkennbarkeit ihres Charakters etwas an-<lb/> komme <note place="foot" n="4)">Über den Zweck u. s. f. S. 351.</note>. Mit löblicher Consequenz hat daher <hi rendition="#k">Storr</hi>, wie<lb/> er der bedeutenden Differenzen wegen die Erzählung des<lb/> vierten Evangeliums auf ein anderes Faktum beziehen zu<lb/> müssen glaubte, als die des ersten und dritten, ebenso um<lb/> der Abweichungen willen, welche er zwischen den Berich-<lb/> ten der lezteren beiden fand, auch diese für Erzählungen<lb/> zweier verschiedenen Begebenheiten erklärt. Wundert man<lb/> sich, daſs zu drei verschiedenen Malen ein so ganz ähnli-<lb/> cher Heilungsfall an dem gleichen Orte vorgekommen sein<lb/> soll (denn auch nach Johannes lag und genas der Kranke<lb/> in Kapernaum): so verwundert sich <hi rendition="#k">Storr</hi> seinerseits, wie<lb/> man im Mindesten unwahrscheinlich finden könne, daſs in<lb/> Kapernaum zu verschiedenen Zeiten zwei Hauptleute einen<lb/> kranken Knecht, und wieder ein andermal ein Hofbeamter<lb/> einen kranken Sohn gehabt, daſs der zweite Hauptmann<lb/> (des Lukas) von der Geschichte des ersten gehört, sich auf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0125]
Zweiter Abschnitt.
rufen 3). Soll damit, wie es auf dem Standpunkt der so
urtheilenden Erklärer nicht anders denkbar ist, gesagt
sein, Matthäus habe wohl gewuſst, daſs zwischen dem
Hauptmann und Jesu Alles durch Mittelspersonen verhan-
delt worden sei, dennoch aber habe er der Kürze wegen
mittelst jener Redefigur ihn selbst mit Jesu sprechen las-
sen: so hat Storr vollkommen recht mit der Gegenbemer-
kung, daſs wohl schwerlich irgend ein Geschichtschreiber
jene Metonymie so beharrlich durch eine ganze Erzählung
hindurchführen würde, und zwar in einem Falle, wo ei-
nerseits die Redefigur sich keineswegs so von selbst verrathe,
wie z. B. wenn einem Feldherrn zugeschrieben wird, was
seine Soldaten thun, und wo andrerseits gerade auf den Um-
stand, ob die Person selbst oder durch Andere gehandelt
habe, zur vollen Erkennbarkeit ihres Charakters etwas an-
komme 4). Mit löblicher Consequenz hat daher Storr, wie
er der bedeutenden Differenzen wegen die Erzählung des
vierten Evangeliums auf ein anderes Faktum beziehen zu
müssen glaubte, als die des ersten und dritten, ebenso um
der Abweichungen willen, welche er zwischen den Berich-
ten der lezteren beiden fand, auch diese für Erzählungen
zweier verschiedenen Begebenheiten erklärt. Wundert man
sich, daſs zu drei verschiedenen Malen ein so ganz ähnli-
cher Heilungsfall an dem gleichen Orte vorgekommen sein
soll (denn auch nach Johannes lag und genas der Kranke
in Kapernaum): so verwundert sich Storr seinerseits, wie
man im Mindesten unwahrscheinlich finden könne, daſs in
Kapernaum zu verschiedenen Zeiten zwei Hauptleute einen
kranken Knecht, und wieder ein andermal ein Hofbeamter
einen kranken Sohn gehabt, daſs der zweite Hauptmann
(des Lukas) von der Geschichte des ersten gehört, sich auf
3) Augustin, de consens. evang. 1, 20; Paulus, ex. Handb. 1, b,
S. 709; Köster, Immanuel, S. 63.
4) Über den Zweck u. s. f. S. 351.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |