Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. uns jede Möglichkeit genommen ist, die Heilung durch einAnalogon des Natürlichen uns denkbar zu machen 16). Nach Olshausen zwar hat auch diese Fernwirkung ihre Analogieen, nämlich im thierischen Magnetismus 17). Ich will diess nicht geradezu bestreiten, sondern nur auf die Schranken aufmerksam machen, innerhalb deren sich mei- nes Wissens diese Erscheinung im Gebiete des Magnetis- mus immer hält. In die Ferne hin wirken kann nach den bisherigen Erfahrungen nur theils der Magnetiseur oder ein anderes im magnetischen Rapport mit ihr stehendes In- dividuum auf die somnambüle Person, wo also der Fern- wirkung immer eine unmittelbare Berührung vorausgegan- gen sein muss, was in dem Verhältniss Jesu zu dem Kran- ken unsrer Erzählung nicht gegeben ist; theils kommt eine solche Wirkungsart bei den Somnambülen selbst oder an- dern in zerrüttetem Nervenzustand befindlichen Menschen vor, was wiederum auf Jesum keine Anwendung findet. Geht also ein solches Heilen entfernter Personen, wie es in unsern Erzählungen Jesu zugeschrieben wird, über je- nes Äusserste natürlicher Wirksamkeit, wie wir es im Magnetismus und den verwandten Erscheinungen finden, noch weit hinaus: so wird uns durch jene Erzählungen, sofern sie historische Geltung ansprechen, Jesus zu einem übernatürlichen Wesen, und ehe wir ein solches uns als wirklich denken, verlohnt es sich auf unserem kriti- schen Standpunkt, zuvor noch zu untersuchen, ob die betrachtete Erzählung nicht auch ohne historischen Grund dennoch habe entstehen können? zumal sich, dass sie sagenhafte Ingredienzien enthalte, schon an den ver- schiedenen Formationen zeigt, welche sie in den drei evan- gelischen Berichte erhalten hat. Und hier erhellt es nun von selbst, dass das wunderbare Heilen Jesu durch Berüh- 16) Lücke, 1, S. 550. 17) b. Comm. 1, S. 268.
Zweiter Abschnitt. uns jede Möglichkeit genommen ist, die Heilung durch einAnalogon des Natürlichen uns denkbar zu machen 16). Nach Olshausen zwar hat auch diese Fernwirkung ihre Analogieen, nämlich im thierischen Magnetismus 17). Ich will dieſs nicht geradezu bestreiten, sondern nur auf die Schranken aufmerksam machen, innerhalb deren sich mei- nes Wissens diese Erscheinung im Gebiete des Magnetis- mus immer hält. In die Ferne hin wirken kann nach den bisherigen Erfahrungen nur theils der Magnetiseur oder ein anderes im magnetischen Rapport mit ihr stehendes In- dividuum auf die somnambüle Person, wo also der Fern- wirkung immer eine unmittelbare Berührung vorausgegan- gen sein muſs, was in dem Verhältniſs Jesu zu dem Kran- ken unsrer Erzählung nicht gegeben ist; theils kommt eine solche Wirkungsart bei den Somnambülen selbst oder an- dern in zerrüttetem Nervenzustand befindlichen Menschen vor, was wiederum auf Jesum keine Anwendung findet. Geht also ein solches Heilen entfernter Personen, wie es in unsern Erzählungen Jesu zugeschrieben wird, über je- nes Äusserste natürlicher Wirksamkeit, wie wir es im Magnetismus und den verwandten Erscheinungen finden, noch weit hinaus: so wird uns durch jene Erzählungen, sofern sie historische Geltung ansprechen, Jesus zu einem übernatürlichen Wesen, und ehe wir ein solches uns als wirklich denken, verlohnt es sich auf unserem kriti- schen Standpunkt, zuvor noch zu untersuchen, ob die betrachtete Erzählung nicht auch ohne historischen Grund dennoch habe entstehen können? zumal sich, daſs sie sagenhafte Ingredienzien enthalte, schon an den ver- schiedenen Formationen zeigt, welche sie in den drei evan- gelischen Berichte erhalten hat. Und hier erhellt es nun von selbst, daſs das wunderbare Heilen Jesu durch Berüh- 16) Lücke, 1, S. 550. 17) b. Comm. 1, S. 268.
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Zweiter Abschnitt.
uns jede Möglichkeit genommen ist, die Heilung durch ein
Analogon des Natürlichen uns denkbar zu machen 16).
Nach Olshausen zwar hat auch diese Fernwirkung ihre
Analogieen, nämlich im thierischen Magnetismus 17). Ich
will dieſs nicht geradezu bestreiten, sondern nur auf die
Schranken aufmerksam machen, innerhalb deren sich mei-
nes Wissens diese Erscheinung im Gebiete des Magnetis-
mus immer hält. In die Ferne hin wirken kann nach den
bisherigen Erfahrungen nur theils der Magnetiseur oder
ein anderes im magnetischen Rapport mit ihr stehendes In-
dividuum auf die somnambüle Person, wo also der Fern-
wirkung immer eine unmittelbare Berührung vorausgegan-
gen sein muſs, was in dem Verhältniſs Jesu zu dem Kran-
ken unsrer Erzählung nicht gegeben ist; theils kommt eine
solche Wirkungsart bei den Somnambülen selbst oder an-
dern in zerrüttetem Nervenzustand befindlichen Menschen
vor, was wiederum auf Jesum keine Anwendung findet.
Geht also ein solches Heilen entfernter Personen, wie es
in unsern Erzählungen Jesu zugeschrieben wird, über je-
nes Äusserste natürlicher Wirksamkeit, wie wir es im
Magnetismus und den verwandten Erscheinungen finden,
noch weit hinaus: so wird uns durch jene Erzählungen,
sofern sie historische Geltung ansprechen, Jesus zu einem
übernatürlichen Wesen, und ehe wir ein solches uns
als wirklich denken, verlohnt es sich auf unserem kriti-
schen Standpunkt, zuvor noch zu untersuchen, ob die
betrachtete Erzählung nicht auch ohne historischen
Grund dennoch habe entstehen können? zumal sich, daſs
sie sagenhafte Ingredienzien enthalte, schon an den ver-
schiedenen Formationen zeigt, welche sie in den drei evan-
gelischen Berichte erhalten hat. Und hier erhellt es nun
von selbst, daſs das wunderbare Heilen Jesu durch Berüh-
16) Lücke, 1, S. 550.
17) b. Comm. 1, S. 268.
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