Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Neuntes Kapitel. §. 94. rung des Kranken, wie wir es z. B. bei dem AussätzigenMatth. 8, 3. und den Blinden Matth. 9, 29. antreffen, ver- möge eines nahe liegenden Klimax zunächst zum Heilen Gegenwärtiger mittelst des blossen Wortes, wie bei den Dämonischen, den Aussätzigen Luc. 17, 14. und andern Kranken, dann aber zur Herstellung selbst Abwesender durch ein Wort sich steigern konnte, wie denn schon im A. T. ein Analogon hievon besonders herausgehoben ist. Wie nämlich nach 2. Kön. 5, 9 ff. der syrische Feldherr Naeman vor die Wohnung des Propheten Elisa kam, um sich vom Aussaz heilen zu lassen, gieng dieser nicht selbst zu ihm heraus, sondern sandte ihm einen Boten und liess ihn zu siebenmaliger Waschung im Jordan anweisen. Dar- über wurde der Syrer so ungehalten, dass er, ohne die Anweisung des Propheten zu berücksichtigen, wieder heim- ziehen wollte. Er habe erwartet, erklärt er, der Prophet werde zu ihm hertreten und unter Anrufung Gottes mit der Hand über die aussätzige Stelle fahren; dass nun aber der Prophet, ohne selbst etwas an ihm vorzunehmen, ihn an den Jordan verweist, das macht ihn muthlos und ärger- lich, weil, wenn es auf Wasser ankäme, er solche zu Hause besser als hier hätte haben können. Man sieht aus dieser A. T.lichen Darstellung: das Ordentliche, was man von einem Propheten erwartete, war, dass er anwesend mit körperlicher Berührung heilen könne; dass er es auch entfernt und ohne Berührung vermöge, wurde nicht vor- ausgesetzt. Dass Elisa dennoch auf die letztere Weise die Kur des aussätzigen Feldherrn vollbringt, (denn das Wa- schen war es auch hier so wenig als Joh. 9., was den Kranken gesund machte, sondern die Wundermacht des Propheten, welche ihre Wirksamkeit an diese äussere Handlung zu knüpfen für gut fand), dadurch bewies er sich als einen besonders ausgezeichneten Propheten, -- und nun der Messias, durfte der auch in diesem Stücke hinter dem Propheten zurückbleiben? So zeigt sich unsre N. T.liche Neuntes Kapitel. §. 94. rung des Kranken, wie wir es z. B. bei dem AussätzigenMatth. 8, 3. und den Blinden Matth. 9, 29. antreffen, ver- möge eines nahe liegenden Klimax zunächst zum Heilen Gegenwärtiger mittelst des bloſsen Wortes, wie bei den Dämonischen, den Aussätzigen Luc. 17, 14. und andern Kranken, dann aber zur Herstellung selbst Abwesender durch ein Wort sich steigern konnte, wie denn schon im A. T. ein Analogon hievon besonders herausgehoben ist. Wie nämlich nach 2. Kön. 5, 9 ff. der syrische Feldherr Naëman vor die Wohnung des Propheten Elisa kam, um sich vom Aussaz heilen zu lassen, gieng dieser nicht selbst zu ihm heraus, sondern sandte ihm einen Boten und lieſs ihn zu siebenmaliger Waschung im Jordan anweisen. Dar- über wurde der Syrer so ungehalten, daſs er, ohne die Anweisung des Propheten zu berücksichtigen, wieder heim- ziehen wollte. Er habe erwartet, erklärt er, der Prophet werde zu ihm hertreten und unter Anrufung Gottes mit der Hand über die aussätzige Stelle fahren; daſs nun aber der Prophet, ohne selbst etwas an ihm vorzunehmen, ihn an den Jordan verweist, das macht ihn muthlos und ärger- lich, weil, wenn es auf Wasser ankäme, er solche zu Hause besser als hier hätte haben können. Man sieht aus dieser A. T.lichen Darstellung: das Ordentliche, was man von einem Propheten erwartete, war, daſs er anwesend mit körperlicher Berührung heilen könne; daſs er es auch entfernt und ohne Berührung vermöge, wurde nicht vor- ausgesetzt. Daſs Elisa dennoch auf die letztere Weise die Kur des aussätzigen Feldherrn vollbringt, (denn das Wa- schen war es auch hier so wenig als Joh. 9., was den Kranken gesund machte, sondern die Wundermacht des Propheten, welche ihre Wirksamkeit an diese äussere Handlung zu knüpfen für gut fand), dadurch bewies er sich als einen besonders ausgezeichneten Propheten, — und nun der Messias, durfte der auch in diesem Stücke hinter dem Propheten zurückbleiben? So zeigt sich unsre N. T.liche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0140" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Kapitel</hi>. §. 94.</fw><lb/> rung des Kranken, wie wir es z. 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Neuntes Kapitel. §. 94.
rung des Kranken, wie wir es z. B. bei dem Aussätzigen
Matth. 8, 3. und den Blinden Matth. 9, 29. antreffen, ver-
möge eines nahe liegenden Klimax zunächst zum Heilen
Gegenwärtiger mittelst des bloſsen Wortes, wie bei den
Dämonischen, den Aussätzigen Luc. 17, 14. und andern
Kranken, dann aber zur Herstellung selbst Abwesender
durch ein Wort sich steigern konnte, wie denn schon im
A. T. ein Analogon hievon besonders herausgehoben ist.
Wie nämlich nach 2. Kön. 5, 9 ff. der syrische Feldherr
Naëman vor die Wohnung des Propheten Elisa kam, um
sich vom Aussaz heilen zu lassen, gieng dieser nicht selbst
zu ihm heraus, sondern sandte ihm einen Boten und lieſs
ihn zu siebenmaliger Waschung im Jordan anweisen. Dar-
über wurde der Syrer so ungehalten, daſs er, ohne die
Anweisung des Propheten zu berücksichtigen, wieder heim-
ziehen wollte. Er habe erwartet, erklärt er, der Prophet
werde zu ihm hertreten und unter Anrufung Gottes mit
der Hand über die aussätzige Stelle fahren; daſs nun aber
der Prophet, ohne selbst etwas an ihm vorzunehmen, ihn
an den Jordan verweist, das macht ihn muthlos und ärger-
lich, weil, wenn es auf Wasser ankäme, er solche zu
Hause besser als hier hätte haben können. Man sieht aus
dieser A. T.lichen Darstellung: das Ordentliche, was man
von einem Propheten erwartete, war, daſs er anwesend
mit körperlicher Berührung heilen könne; daſs er es auch
entfernt und ohne Berührung vermöge, wurde nicht vor-
ausgesetzt. Daſs Elisa dennoch auf die letztere Weise die
Kur des aussätzigen Feldherrn vollbringt, (denn das Wa-
schen war es auch hier so wenig als Joh. 9., was den
Kranken gesund machte, sondern die Wundermacht des
Propheten, welche ihre Wirksamkeit an diese äussere
Handlung zu knüpfen für gut fand), dadurch bewies er
sich als einen besonders ausgezeichneten Propheten, — und
nun der Messias, durfte der auch in diesem Stücke hinter
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