rung seiner mit göttlicher Macht gerüsteten Hand, das Me- dium der Erweckung des Mädchens gewesen sei.
Bei der dem Lukas eigenthümlichen Erweckungsge- schichte (7, 11 ff.) fehlt der natürlichen Erklärung die Handhabe, die in der zulezt betrachteten der Ausspruch Jesu bot, in welchem er den wirklich erfolgten Tod des Mädchens zu leugnen schien. Dennoch fassen die ratio- nalistischen Ausleger Muth, und knüpfen ihre Hoffnungen hauptsächlich daran, dass Jesus V. 14. den im Sarge lie- genden Jüngling anredet: anreden aber, sagen sie, könne man doch nicht einen Todten, sondern nur einen solchen, den man des Hörens fähig erkannt habe oder vermuthe 12). Allein dieser Kanon würde auch beweisen, dass die Tod ten alle, welche am Ende der Tage Christus auferwecken wird, nur Scheintodte seien, da sie sonst nicht, wie es doch ausdrücklich heisst (Joh. 5, 28. vgl. 1. Thess. 4, 16.), seine Stimme hören könnten, -- er würde also zu viel be- weisen. Allerdings muss, wer angeredet wird, als hörend und in gewissem Sinne lebend vorausgesezt werden, aber hier nur insofern, als die Stimme des Todtenerweckers auch in erstorbene Ohren dringen kann. Nächstdem wer- den wir zwar die Möglichkeit, dass bei der jüdischen Un- sitte, die Todten schon einige Stunden nach deren Ver- scheiden zu begraben, leicht ein bloss Scheintodter zu Grabe getragen werden konnte, zugeben müssen 13): alles Weitere aber, wodurch gezeigt werden soll, dass diese Möglichkeit hier Wirklichkeit gewesen, ist ein Gewebe von Erdichtungen. Um zu erklären, wie Jesus, auch ohne den Vorsaz, hier ein Wunder zu thun, sich mit dem Lei- chenzuge einlassen, wie er auf die Vermuthung, der zu Begrabende möchte vielleicht nicht wirklich todt sein, kom- men konnte, wird zuerst fingirt, die beiden Züge, der
12)Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 716. Anm. und 719 f.
13) Ders. a. a. O. S. 723.
Zweiter Abschnitt.
rung seiner mit göttlicher Macht gerüsteten Hand, das Me- dium der Erweckung des Mädchens gewesen sei.
Bei der dem Lukas eigenthümlichen Erweckungsge- schichte (7, 11 ff.) fehlt der natürlichen Erklärung die Handhabe, die in der zulezt betrachteten der Ausspruch Jesu bot, in welchem er den wirklich erfolgten Tod des Mädchens zu leugnen schien. Dennoch fassen die ratio- nalistischen Ausleger Muth, und knüpfen ihre Hoffnungen hauptsächlich daran, daſs Jesus V. 14. den im Sarge lie- genden Jüngling anredet: anreden aber, sagen sie, könne man doch nicht einen Todten, sondern nur einen solchen, den man des Hörens fähig erkannt habe oder vermuthe 12). Allein dieser Kanon würde auch beweisen, daſs die Tod ten alle, welche am Ende der Tage Christus auferwecken wird, nur Scheintodte seien, da sie sonst nicht, wie es doch ausdrücklich heiſst (Joh. 5, 28. vgl. 1. Thess. 4, 16.), seine Stimme hören könnten, — er würde also zu viel be- weisen. Allerdings muſs, wer angeredet wird, als hörend und in gewissem Sinne lebend vorausgesezt werden, aber hier nur insofern, als die Stimme des Todtenerweckers auch in erstorbene Ohren dringen kann. Nächstdem wer- den wir zwar die Möglichkeit, daſs bei der jüdischen Un- sitte, die Todten schon einige Stunden nach deren Ver- scheiden zu begraben, leicht ein bloſs Scheintodter zu Grabe getragen werden konnte, zugeben müssen 13): alles Weitere aber, wodurch gezeigt werden soll, daſs diese Möglichkeit hier Wirklichkeit gewesen, ist ein Gewebe von Erdichtungen. Um zu erklären, wie Jesus, auch ohne den Vorsaz, hier ein Wunder zu thun, sich mit dem Lei- chenzuge einlassen, wie er auf die Vermuthung, der zu Begrabende möchte vielleicht nicht wirklich todt sein, kom- men konnte, wird zuerst fingirt, die beiden Züge, der
12)Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 716. Anm. und 719 f.
13) Ders. a. a. O. S. 723.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0159"n="140"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
rung seiner mit göttlicher Macht gerüsteten Hand, das Me-<lb/>
dium der Erweckung des Mädchens gewesen sei.</p><lb/><p>Bei der dem Lukas eigenthümlichen Erweckungsge-<lb/>
schichte (7, 11 ff.) fehlt der natürlichen Erklärung die<lb/>
Handhabe, die in der zulezt betrachteten der Ausspruch<lb/>
Jesu bot, in welchem er den wirklich erfolgten Tod des<lb/>
Mädchens zu leugnen schien. Dennoch fassen die ratio-<lb/>
nalistischen Ausleger Muth, und knüpfen ihre Hoffnungen<lb/>
hauptsächlich daran, daſs Jesus V. 14. den im Sarge lie-<lb/>
genden Jüngling anredet: anreden aber, sagen sie, könne<lb/>
man doch nicht einen Todten, sondern nur einen solchen,<lb/>
den man des Hörens fähig erkannt habe oder vermuthe <noteplace="foot"n="12)"><hirendition="#k">Paulus</hi>, ex. Handb. 1, b, S. 716. Anm. und 719 f.</note>.<lb/>
Allein dieser Kanon würde auch beweisen, daſs die Tod<lb/>
ten alle, welche am Ende der Tage Christus auferwecken<lb/>
wird, nur Scheintodte seien, da sie sonst nicht, wie es<lb/>
doch ausdrücklich heiſst (Joh. 5, 28. vgl. 1. Thess. 4, 16.),<lb/>
seine Stimme hören könnten, — er würde also zu viel be-<lb/>
weisen. Allerdings muſs, wer angeredet wird, als hörend<lb/>
und in gewissem Sinne lebend vorausgesezt werden, aber<lb/>
hier nur insofern, als die Stimme des Todtenerweckers<lb/>
auch in erstorbene Ohren dringen kann. Nächstdem wer-<lb/>
den wir zwar die Möglichkeit, daſs bei der jüdischen Un-<lb/>
sitte, die Todten schon einige Stunden nach deren Ver-<lb/>
scheiden zu begraben, leicht ein bloſs Scheintodter zu<lb/>
Grabe getragen werden konnte, zugeben müssen <noteplace="foot"n="13)">Ders. a. a. O. S. 723.</note>: alles<lb/>
Weitere aber, wodurch gezeigt werden soll, daſs diese<lb/>
Möglichkeit hier Wirklichkeit gewesen, ist ein Gewebe<lb/>
von Erdichtungen. Um zu erklären, wie Jesus, auch ohne<lb/>
den Vorsaz, hier ein Wunder zu thun, sich mit dem Lei-<lb/>
chenzuge einlassen, wie er auf die Vermuthung, der zu<lb/>
Begrabende möchte vielleicht nicht wirklich todt sein, kom-<lb/>
men konnte, wird zuerst fingirt, die beiden Züge, der<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[140/0159]
Zweiter Abschnitt.
rung seiner mit göttlicher Macht gerüsteten Hand, das Me-
dium der Erweckung des Mädchens gewesen sei.
Bei der dem Lukas eigenthümlichen Erweckungsge-
schichte (7, 11 ff.) fehlt der natürlichen Erklärung die
Handhabe, die in der zulezt betrachteten der Ausspruch
Jesu bot, in welchem er den wirklich erfolgten Tod des
Mädchens zu leugnen schien. Dennoch fassen die ratio-
nalistischen Ausleger Muth, und knüpfen ihre Hoffnungen
hauptsächlich daran, daſs Jesus V. 14. den im Sarge lie-
genden Jüngling anredet: anreden aber, sagen sie, könne
man doch nicht einen Todten, sondern nur einen solchen,
den man des Hörens fähig erkannt habe oder vermuthe 12).
Allein dieser Kanon würde auch beweisen, daſs die Tod
ten alle, welche am Ende der Tage Christus auferwecken
wird, nur Scheintodte seien, da sie sonst nicht, wie es
doch ausdrücklich heiſst (Joh. 5, 28. vgl. 1. Thess. 4, 16.),
seine Stimme hören könnten, — er würde also zu viel be-
weisen. Allerdings muſs, wer angeredet wird, als hörend
und in gewissem Sinne lebend vorausgesezt werden, aber
hier nur insofern, als die Stimme des Todtenerweckers
auch in erstorbene Ohren dringen kann. Nächstdem wer-
den wir zwar die Möglichkeit, daſs bei der jüdischen Un-
sitte, die Todten schon einige Stunden nach deren Ver-
scheiden zu begraben, leicht ein bloſs Scheintodter zu
Grabe getragen werden konnte, zugeben müssen 13): alles
Weitere aber, wodurch gezeigt werden soll, daſs diese
Möglichkeit hier Wirklichkeit gewesen, ist ein Gewebe
von Erdichtungen. Um zu erklären, wie Jesus, auch ohne
den Vorsaz, hier ein Wunder zu thun, sich mit dem Lei-
chenzuge einlassen, wie er auf die Vermuthung, der zu
Begrabende möchte vielleicht nicht wirklich todt sein, kom-
men konnte, wird zuerst fingirt, die beiden Züge, der
12) Paulus, ex. Handb. 1, b, S. 716. Anm. und 719 f.
13) Ders. a. a. O. S. 723.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/159>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.