chende Ähnlichkeit der Umstände vor der zweiten Spei- sung mit denen vor der ersten auch nicht Einen der Jün- ger an diese sollte erinnert haben. Mit Recht behauptet daher Paulus, hätte Jesus schon einmal die Menge durch ein Wunder gespeist gehabt, so würden bei'm zweiten Mal die Jünger auf seine Erklärung, er möge das Volk nicht nüchtern entlassen, ihn getrost zur Wiederholung des vo- rigen Wunders aufgefordert haben.
Jedenfalls daher, wenn Jesus zu zwei verschiedenen Malen eine Volksmenge mit unverhältnissmässig geringem Vorrath gesättigt hat, müsste man mit einigen Kritikern annehmen, dass aus der Erzählung von der einen Bege- benheit viele Züge in die von der andern übergegangen, und so beide, ursprünglich sich unähnlicher, in der münd- lichen Überlieferung immer mehr ausgeglichen worden seien, wobei also namentlich die zweifelnde Frage der Jünger nur das erste, nicht aber auch das zweitemal vorgekom- men sein könnte 3). Für eine solche Assimilation kann der Umstand zu sprechen scheinen, dass der vierte Evan- gelist, der namentlich in den Zahlangaben auf Seiten der ersten Speisung des Matthäus und Markus ist, doch von deren zweiter Speisungsgeschichte die Züge hat, dass eine Anrede Jesu, nicht der Jünger, die Scene eröffnet, und dass das Volk zu Jesu auf einen Berg kommt. Allein wenn man hiebei die Grundzüge: Wüste, Speisung des Volks, Aufsammeln der Brocken, auf beiden Seiten stehen lässt, so ist auch ohne jene Frage der Jünger immer noch un- wahrscheinlich genug, dass eine solche Scene sich auf so ganz ähnliche Weise wiederholt haben sollte; lässt man hin- gegen auch jene allgemeinen Züge bei der einen Geschichte fallen, so ist nicht weiter einzusehen, wie man die Treue der evangelischen Erzählung in Bezug auf den Hergang der
3)Gratz, Comm. z. Matth. 2, S. 90 f. Sieffert, über den Urspr. S. 97.
Zweiter Abschnitt.
chende Ähnlichkeit der Umstände vor der zweiten Spei- sung mit denen vor der ersten auch nicht Einen der Jün- ger an diese sollte erinnert haben. Mit Recht behauptet daher Paulus, hätte Jesus schon einmal die Menge durch ein Wunder gespeist gehabt, so würden bei'm zweiten Mal die Jünger auf seine Erklärung, er möge das Volk nicht nüchtern entlassen, ihn getrost zur Wiederholung des vo- rigen Wunders aufgefordert haben.
Jedenfalls daher, wenn Jesus zu zwei verschiedenen Malen eine Volksmenge mit unverhältniſsmäſsig geringem Vorrath gesättigt hat, müſste man mit einigen Kritikern annehmen, daſs aus der Erzählung von der einen Bege- benheit viele Züge in die von der andern übergegangen, und so beide, ursprünglich sich unähnlicher, in der münd- lichen Überlieferung immer mehr ausgeglichen worden seien, wobei also namentlich die zweifelnde Frage der Jünger nur das erste, nicht aber auch das zweitemal vorgekom- men sein könnte 3). Für eine solche Assimilation kann der Umstand zu sprechen scheinen, daſs der vierte Evan- gelist, der namentlich in den Zahlangaben auf Seiten der ersten Speisung des Matthäus und Markus ist, doch von deren zweiter Speisungsgeschichte die Züge hat, daſs eine Anrede Jesu, nicht der Jünger, die Scene eröffnet, und daſs das Volk zu Jesu auf einen Berg kommt. Allein wenn man hiebei die Grundzüge: Wüste, Speisung des Volks, Aufsammeln der Brocken, auf beiden Seiten stehen läſst, so ist auch ohne jene Frage der Jünger immer noch un- wahrscheinlich genug, daſs eine solche Scene sich auf so ganz ähnliche Weise wiederholt haben sollte; läſst man hin- gegen auch jene allgemeinen Züge bei der einen Geschichte fallen, so ist nicht weiter einzusehen, wie man die Treue der evangelischen Erzählung in Bezug auf den Hergang der
3)Gratz, Comm. z. Matth. 2, S. 90 f. Sieffert, über den Urspr. S. 97.
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Zweiter Abschnitt.
chende Ähnlichkeit der Umstände vor der zweiten Spei-
sung mit denen vor der ersten auch nicht Einen der Jün-
ger an diese sollte erinnert haben. Mit Recht behauptet
daher Paulus, hätte Jesus schon einmal die Menge durch
ein Wunder gespeist gehabt, so würden bei'm zweiten Mal
die Jünger auf seine Erklärung, er möge das Volk nicht
nüchtern entlassen, ihn getrost zur Wiederholung des vo-
rigen Wunders aufgefordert haben.
Jedenfalls daher, wenn Jesus zu zwei verschiedenen
Malen eine Volksmenge mit unverhältniſsmäſsig geringem
Vorrath gesättigt hat, müſste man mit einigen Kritikern
annehmen, daſs aus der Erzählung von der einen Bege-
benheit viele Züge in die von der andern übergegangen,
und so beide, ursprünglich sich unähnlicher, in der münd-
lichen Überlieferung immer mehr ausgeglichen worden seien,
wobei also namentlich die zweifelnde Frage der Jünger
nur das erste, nicht aber auch das zweitemal vorgekom-
men sein könnte 3). Für eine solche Assimilation kann
der Umstand zu sprechen scheinen, daſs der vierte Evan-
gelist, der namentlich in den Zahlangaben auf Seiten der
ersten Speisung des Matthäus und Markus ist, doch von
deren zweiter Speisungsgeschichte die Züge hat, daſs eine
Anrede Jesu, nicht der Jünger, die Scene eröffnet, und
daſs das Volk zu Jesu auf einen Berg kommt. Allein wenn
man hiebei die Grundzüge: Wüste, Speisung des Volks,
Aufsammeln der Brocken, auf beiden Seiten stehen läſst,
so ist auch ohne jene Frage der Jünger immer noch un-
wahrscheinlich genug, daſs eine solche Scene sich auf so
ganz ähnliche Weise wiederholt haben sollte; läſst man hin-
gegen auch jene allgemeinen Züge bei der einen Geschichte
fallen, so ist nicht weiter einzusehen, wie man die Treue
der evangelischen Erzählung in Bezug auf den Hergang der
3) Gratz, Comm. z. Matth. 2, S. 90 f. Sieffert, über den
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/219>, abgerufen am 21.11.2024.
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