Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. wird: wie aber will man erklären, dass von der durchJesum hervorgerufenen Mittheilsamkeit der übrigen mit Vor- rath Versehenen nichts gesagt ist? Zwischen das edoke(Matth. 14, 19.) und kai ephagon pantes kai ekhortasthesan (V. 20.) jene Mittheilung der Andern hineinzudenken, ist reine Willkühr, wogegen durch das kai tous duo ikhthuas emerise pasi(Marc. 6, 41.) unverkennbar angezeigt ist, dass nur die 2 Fische -- und also auch nur die 5 Brote -- das Objekt der Thei- lung für Alle waren 12). Ganz besonders aber kommt die- se natürliche Erklärung mit den Körben in Verlegenheit, welche, nachdem Alle satt geworden, Jesus noch mit den übrig gebliebenen Brocken füllen liess. Wenn hier der vierte Evangelist sagt: sunegagon oun, kai egemisan dodeka(6, 13.): so scheint doch hiedurch deutlich genug gesagt zu sein, dass eben von je- nen 5 Broten, nachdem 5000 Mann sich von denselben gesättigt, noch 12 Körbe voll Brocken, also mehr als der ursprüngliche Vorrath betragen hatte, übrig geblieben seien. Hier hat daher der natürliche Erklärer die abenteuerlich- sten Wendungen nöthig, um dem Wunder auszuweichen. Zwar, wenn die Synoptiker nur schlechtweg sagen, man habe die Überreste des Mahls gesammelt, und mit densel- ben 12 Körbe gefüllt, so könnte man vom Standpunkt der natürlichen Erklärung etwa denken, Jesus habe aus Ach- tung für die Gottesgabe auch das, was die Versammlung von den eigenen Vorräthen liegen liess, durch seine Jün- ger aufsammeln lassen. Allein, wie das, dass das Voik das übrig Gebliebene liegen liess und nicht zu sich steckte, anzudeuten scheint, dass es die gereichten Nahrungsmittel als fremdes Eigenthum behandelte: so scheint Jesus, in- dem er es ohne Weiteres durch seine Jünger einsammeln 12) Olshausen, 1, S. 488.
Zweiter Abschnitt. wird: wie aber will man erklären, daſs von der durchJesum hervorgerufenen Mittheilsamkeit der übrigen mit Vor- rath Versehenen nichts gesagt ist? Zwischen das ἔδωκε(Matth. 14, 19.) und καὶ ἔφαγον πάντες καὶ ἐχορτάσϑησαν (V. 20.) jene Mittheilung der Andern hineinzudenken, ist reine Willkühr, wogegen durch das καὶ τοὺς δύο ἰχϑύας ἐμέρισε πᾶσι(Marc. 6, 41.) unverkennbar angezeigt ist, daſs nur die 2 Fische — und also auch nur die 5 Brote — das Objekt der Thei- lung für Alle waren 12). Ganz besonders aber kommt die- se natürliche Erklärung mit den Körben in Verlegenheit, welche, nachdem Alle satt geworden, Jesus noch mit den übrig gebliebenen Brocken füllen lieſs. Wenn hier der vierte Evangelist sagt: συνήγαγον οὖν, καὶ ἐγέμισαν δώδεκα(6, 13.): so scheint doch hiedurch deutlich genug gesagt zu sein, daſs eben von je- nen 5 Broten, nachdem 5000 Mann sich von denselben gesättigt, noch 12 Körbe voll Brocken, also mehr als der ursprüngliche Vorrath betragen hatte, übrig geblieben seien. Hier hat daher der natürliche Erklärer die abenteuerlich- sten Wendungen nöthig, um dem Wunder auszuweichen. Zwar, wenn die Synoptiker nur schlechtweg sagen, man habe die Überreste des Mahls gesammelt, und mit densel- ben 12 Körbe gefüllt, so könnte man vom Standpunkt der natürlichen Erklärung etwa denken, Jesus habe aus Ach- tung für die Gottesgabe auch das, was die Versammlung von den eigenen Vorräthen liegen lieſs, durch seine Jün- ger aufsammeln lassen. Allein, wie das, daſs das Voik das übrig Gebliebene liegen lieſs und nicht zu sich steckte, anzudeuten scheint, daſs es die gereichten Nahrungsmittel als fremdes Eigenthum behandelte: so scheint Jesus, in- dem er es ohne Weiteres durch seine Jünger einsammeln 12) Olshausen, 1, S. 488.
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Zweiter Abschnitt.
wird: wie aber will man erklären, daſs von der durch
Jesum hervorgerufenen Mittheilsamkeit der übrigen mit Vor-
rath Versehenen nichts gesagt ist? Zwischen das ἔδωκε
τοῖς μαϑηταῖς, οἱ δὲ μαϑηταὶ τοῖς ὄχλοις (Matth. 14, 19.)
und καὶ ἔφαγον πάντες καὶ ἐχορτάσϑησαν (V. 20.) jene
Mittheilung der Andern hineinzudenken, ist reine Willkühr,
wogegen durch das καὶ τοὺς δύο ἰχϑύας ἐμέρισε πᾶσι (Marc.
6, 41.) unverkennbar angezeigt ist, daſs nur die 2 Fische
— und also auch nur die 5 Brote — das Objekt der Thei-
lung für Alle waren 12). Ganz besonders aber kommt die-
se natürliche Erklärung mit den Körben in Verlegenheit,
welche, nachdem Alle satt geworden, Jesus noch mit den
übrig gebliebenen Brocken füllen lieſs. Wenn hier der
vierte Evangelist sagt: συνήγαγον οὖν, καὶ ἐγέμισαν δώδεκα
κοφίνους κλασμάτων ἐκ τῶν πέντε ἄρτων τῶν κριϑίνων,
ἃ ἐπερίσσευσε τοῖς βεβρωκόσιν (6, 13.): so scheint doch
hiedurch deutlich genug gesagt zu sein, daſs eben von je-
nen 5 Broten, nachdem 5000 Mann sich von denselben
gesättigt, noch 12 Körbe voll Brocken, also mehr als der
ursprüngliche Vorrath betragen hatte, übrig geblieben seien.
Hier hat daher der natürliche Erklärer die abenteuerlich-
sten Wendungen nöthig, um dem Wunder auszuweichen.
Zwar, wenn die Synoptiker nur schlechtweg sagen, man
habe die Überreste des Mahls gesammelt, und mit densel-
ben 12 Körbe gefüllt, so könnte man vom Standpunkt der
natürlichen Erklärung etwa denken, Jesus habe aus Ach-
tung für die Gottesgabe auch das, was die Versammlung
von den eigenen Vorräthen liegen lieſs, durch seine Jün-
ger aufsammeln lassen. Allein, wie das, daſs das Voik
das übrig Gebliebene liegen lieſs und nicht zu sich steckte,
anzudeuten scheint, daſs es die gereichten Nahrungsmittel
als fremdes Eigenthum behandelte: so scheint Jesus, in-
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