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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Neuntes Kapitel. §. 99.
geringer Speisevorrath zureichend gemacht, -- und auch
mit solchen Notizen hat uns der uneigennützige Sammler-
fleiss von Dr. Paulus beschenkt, wie namentlich, dass zur
Zeit eines besonders heiligen Mannes die wenigen Schau-
brote zur Sättigung der Priester bis zum Überfluss zuge-
reicht haben 17). Consequenterweise sollte der genannte
Ausleger auch diese Erzählung natürlich, etwa gleichfalls
durch die Mässigkeit jener Priester, zu erklären suchen:
doch die Geschichte steht ja nicht im Kanon, daher kann
er sie unbedenklich für ein Mährchen halten, und räumt
ihrer auffallenden Ähnlichkeit mit der evangelischen nur
so viel ein, dass vermöge des durch jene rabbinische No-
tiz dokumentirten Glaubens der Juden an dergleichen Spei-
severmehrungen auch die N. T.liche Erzählung von judai-
sirenden Christen frühzeitig in gleichem (wunderhaftem)
Sinne habe aufgefasst werden können. Allein laut unsrer
Untersuchung ist der evangelische Bericht in diesem Sinne
schon abgefasst, und lag dieser Sinn im Geist der jüdischen
Volkssage, so ist die evangelische Erzählung ohne Zweifel
ein Produkt derselben.

§. 99.
Jesus verwandelt Wasser in Wein.

An die Speisungsgeschichte lässt sich die Erzählung
des vierten Evangeliums (2, 1 ff.) anreihen, dass Jesus
bei einer Hochzeit zu Kana in Galiläa Wasser in Wein
verwandelt habe. Nach Olshausen sollen beide Wunder
unter dieselbe Kategorie zusammenfallen, indem beidemale
ein Substrat vorhanden sei, dessen Substanz modificirt

17) Joma f. 39, 1: Tempore Simeonis justi benedictio erat super
duos panes pentecostales et super decem panes protheseos, ut
singuli sacerdotes, qui pro rata parte acciperent quantitatem
olivae, ad satietatem comederent, imo ut adhuc reliquiae
superessent.

Neuntes Kapitel. §. 99.
geringer Speisevorrath zureichend gemacht, — und auch
mit solchen Notizen hat uns der uneigennützige Sammler-
fleiſs von Dr. Paulus beschenkt, wie namentlich, daſs zur
Zeit eines besonders heiligen Mannes die wenigen Schau-
brote zur Sättigung der Priester bis zum Überfluſs zuge-
reicht haben 17). Consequenterweise sollte der genannte
Ausleger auch diese Erzählung natürlich, etwa gleichfalls
durch die Mäſsigkeit jener Priester, zu erklären suchen:
doch die Geschichte steht ja nicht im Kanon, daher kann
er sie unbedenklich für ein Mährchen halten, und räumt
ihrer auffallenden Ähnlichkeit mit der evangelischen nur
so viel ein, daſs vermöge des durch jene rabbinische No-
tiz dokumentirten Glaubens der Juden an dergleichen Spei-
severmehrungen auch die N. T.liche Erzählung von judai-
sirenden Christen frühzeitig in gleichem (wunderhaftem)
Sinne habe aufgefaſst werden können. Allein laut unsrer
Untersuchung ist der evangelische Bericht in diesem Sinne
schon abgefaſst, und lag dieser Sinn im Geist der jüdischen
Volkssage, so ist die evangelische Erzählung ohne Zweifel
ein Produkt derselben.

§. 99.
Jesus verwandelt Wasser in Wein.

An die Speisungsgeschichte läſst sich die Erzählung
des vierten Evangeliums (2, 1 ff.) anreihen, daſs Jesus
bei einer Hochzeit zu Kana in Galiläa Wasser in Wein
verwandelt habe. Nach Olshausen sollen beide Wunder
unter dieselbe Kategorie zusammenfallen, indem beidemale
ein Substrat vorhanden sei, dessen Substanz modificirt

17) Joma f. 39, 1: Tempore Simeonis justi benedictio erat super
duos panes pentecostales et super decem panes προϑέσεως, ut
singuli sacerdotes, qui pro rata parte acciperent quantitatem
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[219/0238] Neuntes Kapitel. §. 99. geringer Speisevorrath zureichend gemacht, — und auch mit solchen Notizen hat uns der uneigennützige Sammler- fleiſs von Dr. Paulus beschenkt, wie namentlich, daſs zur Zeit eines besonders heiligen Mannes die wenigen Schau- brote zur Sättigung der Priester bis zum Überfluſs zuge- reicht haben 17). Consequenterweise sollte der genannte Ausleger auch diese Erzählung natürlich, etwa gleichfalls durch die Mäſsigkeit jener Priester, zu erklären suchen: doch die Geschichte steht ja nicht im Kanon, daher kann er sie unbedenklich für ein Mährchen halten, und räumt ihrer auffallenden Ähnlichkeit mit der evangelischen nur so viel ein, daſs vermöge des durch jene rabbinische No- tiz dokumentirten Glaubens der Juden an dergleichen Spei- severmehrungen auch die N. T.liche Erzählung von judai- sirenden Christen frühzeitig in gleichem (wunderhaftem) Sinne habe aufgefaſst werden können. Allein laut unsrer Untersuchung ist der evangelische Bericht in diesem Sinne schon abgefaſst, und lag dieser Sinn im Geist der jüdischen Volkssage, so ist die evangelische Erzählung ohne Zweifel ein Produkt derselben. §. 99. Jesus verwandelt Wasser in Wein. An die Speisungsgeschichte läſst sich die Erzählung des vierten Evangeliums (2, 1 ff.) anreihen, daſs Jesus bei einer Hochzeit zu Kana in Galiläa Wasser in Wein verwandelt habe. Nach Olshausen sollen beide Wunder unter dieselbe Kategorie zusammenfallen, indem beidemale ein Substrat vorhanden sei, dessen Substanz modificirt 17) Joma f. 39, 1: Tempore Simeonis justi benedictio erat super duos panes pentecostales et super decem panes προϑέσεως, ut singuli sacerdotes, qui pro rata parte acciperent quantitatem olivae, ad satietatem comederent, imo ut adhuc reliquiae superessent.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/238>, abgerufen am 21.11.2024.