Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. werde 1). Allein hiebei ist der logische Unterschied über-sehen, dass in der Speisungsgeschichte die Modification des Substrats eine bloss quantitative, eine Vermehrung des be- reits in dieser Eigenschaft Vorhandenen, ist (Brot wird nur mehr Brot, aber bleibt Brot): wogegen bei der Hochzeit zu Kana das Substrat qualitativ modificirt, aus etwas nicht bloss mehr dergleichen, sondern ein Anderes (aus Wasser Wein) wird, somit eine eigentliche Trans- substantiation vor sich geht. Zwar giebt es qualitative Ver- änderungen, welche naturgemäss erfolgen, und deren plöz- liche Hervorbringung von Seiten Jesu noch leichter denk- bar wäre, als eine ebenso schnelle Vermehrung des Quan- tums, wie z. B. wenn er plözlich Most zu Wein, oder Wein zu Essig gemacht haben würde: denn diess wäre nur ein beschleunigtes Hindurchführen desselben vegetabi- lischen Substrats, des Traubensafts, durch verschiedene ihm natürliche Zuständlichkeiten; wogegen es schon wun- derbarer wäre, wenn Jesus dem Saft einer andern Pflan- zenfrucht, z. B. des Apfels, die Qualität des Traubensafts ertheilt hätte, ob er gleich hiebei doch immer noch inner- halb der Grenzen desselben Naturreichs stehen geblieben wäre. Hier nun aber, wo Wasser in Wein verwandelt wird, ist von einem Naturreich in das andere, vom Ele- mentarischen in das Vegetabilische übergesprungen, ein Wunder, welches so weit über dem Speisungswunder steht, als wenn Jesus dem Rath des Versuchers Gehör gegeben, und aus Steinen Brot gemacht hätte. Auch auf diese, wie auf die vorige Wundererzählung 1) b. Comm. 2, S. 74. 2) In Joann. tract. 8: Ipse vinum fecit in nuptiis, qui omni
anno hoc facit in vitibus. Zweiter Abschnitt. werde 1). Allein hiebei ist der logische Unterschied über-sehen, daſs in der Speisungsgeschichte die Modification des Substrats eine bloſs quantitative, eine Vermehrung des be- reits in dieser Eigenschaft Vorhandenen, ist (Brot wird nur mehr Brot, aber bleibt Brot): wogegen bei der Hochzeit zu Kana das Substrat qualitativ modificirt, aus etwas nicht bloſs mehr dergleichen, sondern ein Anderes (aus Wasser Wein) wird, somit eine eigentliche Trans- substantiation vor sich geht. Zwar giebt es qualitative Ver- änderungen, welche naturgemäſs erfolgen, und deren plöz- liche Hervorbringung von Seiten Jesu noch leichter denk- bar wäre, als eine ebenso schnelle Vermehrung des Quan- tums, wie z. B. wenn er plözlich Most zu Wein, oder Wein zu Essig gemacht haben würde: denn dieſs wäre nur ein beschleunigtes Hindurchführen desselben vegetabi- lischen Substrats, des Traubensafts, durch verschiedene ihm natürliche Zuständlichkeiten; wogegen es schon wun- derbarer wäre, wenn Jesus dem Saft einer andern Pflan- zenfrucht, z. B. des Apfels, die Qualität des Traubensafts ertheilt hätte, ob er gleich hiebei doch immer noch inner- halb der Grenzen desselben Naturreichs stehen geblieben wäre. Hier nun aber, wo Wasser in Wein verwandelt wird, ist von einem Naturreich in das andere, vom Ele- mentarischen in das Vegetabilische übergesprungen, ein Wunder, welches so weit über dem Speisungswunder steht, als wenn Jesus dem Rath des Versuchers Gehör gegeben, und aus Steinen Brot gemacht hätte. Auch auf diese, wie auf die vorige Wundererzählung 1) b. Comm. 2, S. 74. 2) In Joann. tract. 8: Ipse vinum fecit in nuptiis, qui omni
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Zweiter Abschnitt.
werde 1). Allein hiebei ist der logische Unterschied über-
sehen, daſs in der Speisungsgeschichte die Modification des
Substrats eine bloſs quantitative, eine Vermehrung des be-
reits in dieser Eigenschaft Vorhandenen, ist (Brot wird
nur mehr Brot, aber bleibt Brot): wogegen bei der
Hochzeit zu Kana das Substrat qualitativ modificirt, aus
etwas nicht bloſs mehr dergleichen, sondern ein Anderes
(aus Wasser Wein) wird, somit eine eigentliche Trans-
substantiation vor sich geht. Zwar giebt es qualitative Ver-
änderungen, welche naturgemäſs erfolgen, und deren plöz-
liche Hervorbringung von Seiten Jesu noch leichter denk-
bar wäre, als eine ebenso schnelle Vermehrung des Quan-
tums, wie z. B. wenn er plözlich Most zu Wein, oder
Wein zu Essig gemacht haben würde: denn dieſs wäre
nur ein beschleunigtes Hindurchführen desselben vegetabi-
lischen Substrats, des Traubensafts, durch verschiedene
ihm natürliche Zuständlichkeiten; wogegen es schon wun-
derbarer wäre, wenn Jesus dem Saft einer andern Pflan-
zenfrucht, z. B. des Apfels, die Qualität des Traubensafts
ertheilt hätte, ob er gleich hiebei doch immer noch inner-
halb der Grenzen desselben Naturreichs stehen geblieben
wäre. Hier nun aber, wo Wasser in Wein verwandelt
wird, ist von einem Naturreich in das andere, vom Ele-
mentarischen in das Vegetabilische übergesprungen, ein
Wunder, welches so weit über dem Speisungswunder steht,
als wenn Jesus dem Rath des Versuchers Gehör gegeben,
und aus Steinen Brot gemacht hätte.
Auch auf diese, wie auf die vorige Wundererzählung
wendet Olshausen, nach Augustin 2), die Kategorie eines
beschleunigten Naturprocesses an, so daſs hier nichts An-
dres geschehen sein soll, als in accelerirter Weise dassel-
1) b. Comm. 2, S. 74.
2) In Joann. tract. 8: Ipse vinum fecit in nuptiis, qui omni
anno hoc facit in vitibus.
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