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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
auch ohne historischen Grund eine solche Sage sich gestal-
ten konnte. Kaiser verweist hiefür auf den abenteuerli-
chen Geist des verwandelnden Orients: aber diese Instanz
ist so unbestimmt, dass Kaiser allerdings noch die Voraus-
setzung eines wirklich vorgefallenen humanen Scherzes Jesu
nöthig hat 26), womit er in der unglücklichen Mitte zwi-
schen mythischer und natürlicher Erklärung stehen bleibt,
aus welcher man nicht eher herauskommt, als bis man be-
stimmtere, näher liegende mythische Anhalts- und Entste-
hungspunkte für eine Erzählung herbeizuschaffen im Stande
ist. Im gegenwärtigen Falle nun braucht man weder bei'm
Orient überhaupt, noch bei Verwandlungen im Allgemei-
nen stehen zu bleiben, da sich bestimmt Wasserverwand-
lungen im engeren Kreise der hebräischen Urgeschichte
finden. Neben einigen Erzählungen, dass Moses den Israe-
liten in der Wüste aus dürrem Felsen Wasser verschafft
habe (2. Mos. 17, 1 ff. 4. Mos. 20, 1 ff.), eine Wasser-
bescheerung, welche, nachdem sie in modificirter Weise
sich in der Geschichte Simson's wiederholt hatte (Richt. 15,
18 f.), auch in die messianischen Erwartungen übergetra-
gen wurde 27), ist die erste dem Moses zugeschriebene
Wasserverwandlung jene Umwandlung alles Wassers in
Ägypten in Blut, welche unter den sogenannten zehn Pla-
gen aufgeführt wird (2. Mos. 7, 17 ff.). Neben dieser
mutatio in deterius findet sich aber in der Geschichte des
Moses auch eine am Wasser vollzogene mutatio in melius,
indem er bitteres Wasser nach Jehova's Anweisung süss
machte (2. Mos. 14, 23 ff.), wie später auch Elisa ein un-
gesundes Wasser gut und unschädlich gemacht haben soll

26) bibl. Theol. 1, S. 200.
27) In der Band 1, S. 73. Anm. angeführten Stelle aus Midrasch
Koheleth heisst es unter Anderem: Goel primus -- ascendere
fecit puteum: sie quoque Goel postremus ascendere faciet
aquas etc.

Zweiter Abschnitt.
auch ohne historischen Grund eine solche Sage sich gestal-
ten konnte. Kaiser verweist hiefür auf den abenteuerli-
chen Geist des verwandelnden Orients: aber diese Instanz
ist so unbestimmt, daſs Kaiser allerdings noch die Voraus-
setzung eines wirklich vorgefallenen humanen Scherzes Jesu
nöthig hat 26), womit er in der unglücklichen Mitte zwi-
schen mythischer und natürlicher Erklärung stehen bleibt,
aus welcher man nicht eher herauskommt, als bis man be-
stimmtere, näher liegende mythische Anhalts- und Entste-
hungspunkte für eine Erzählung herbeizuschaffen im Stande
ist. Im gegenwärtigen Falle nun braucht man weder bei'm
Orient überhaupt, noch bei Verwandlungen im Allgemei-
nen stehen zu bleiben, da sich bestimmt Wasserverwand-
lungen im engeren Kreise der hebräischen Urgeschichte
finden. Neben einigen Erzählungen, daſs Moses den Israë-
liten in der Wüste aus dürrem Felsen Wasser verschafft
habe (2. Mos. 17, 1 ff. 4. Mos. 20, 1 ff.), eine Wasser-
bescheerung, welche, nachdem sie in modificirter Weise
sich in der Geschichte Simson's wiederholt hatte (Richt. 15,
18 f.), auch in die messianischen Erwartungen übergetra-
gen wurde 27), ist die erste dem Moses zugeschriebene
Wasserverwandlung jene Umwandlung alles Wassers in
Ägypten in Blut, welche unter den sogenannten zehn Pla-
gen aufgeführt wird (2. Mos. 7, 17 ff.). Neben dieser
mutatio in deterius findet sich aber in der Geschichte des
Moses auch eine am Wasser vollzogene mutatio in melius,
indem er bitteres Wasser nach Jehova's Anweisung süſs
machte (2. Mos. 14, 23 ff.), wie später auch Elisa ein un-
gesundes Wasser gut und unschädlich gemacht haben soll

26) bibl. Theol. 1, S. 200.
27) In der Band 1, S. 73. Anm. angeführten Stelle aus Midrasch
Koheleth heisst es unter Anderem: Goël primus — ascendere
fecit puteum: sie quoque Goël postremus ascendere faciet
aquas etc.
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[234/0253] Zweiter Abschnitt. auch ohne historischen Grund eine solche Sage sich gestal- ten konnte. Kaiser verweist hiefür auf den abenteuerli- chen Geist des verwandelnden Orients: aber diese Instanz ist so unbestimmt, daſs Kaiser allerdings noch die Voraus- setzung eines wirklich vorgefallenen humanen Scherzes Jesu nöthig hat 26), womit er in der unglücklichen Mitte zwi- schen mythischer und natürlicher Erklärung stehen bleibt, aus welcher man nicht eher herauskommt, als bis man be- stimmtere, näher liegende mythische Anhalts- und Entste- hungspunkte für eine Erzählung herbeizuschaffen im Stande ist. Im gegenwärtigen Falle nun braucht man weder bei'm Orient überhaupt, noch bei Verwandlungen im Allgemei- nen stehen zu bleiben, da sich bestimmt Wasserverwand- lungen im engeren Kreise der hebräischen Urgeschichte finden. Neben einigen Erzählungen, daſs Moses den Israë- liten in der Wüste aus dürrem Felsen Wasser verschafft habe (2. Mos. 17, 1 ff. 4. Mos. 20, 1 ff.), eine Wasser- bescheerung, welche, nachdem sie in modificirter Weise sich in der Geschichte Simson's wiederholt hatte (Richt. 15, 18 f.), auch in die messianischen Erwartungen übergetra- gen wurde 27), ist die erste dem Moses zugeschriebene Wasserverwandlung jene Umwandlung alles Wassers in Ägypten in Blut, welche unter den sogenannten zehn Pla- gen aufgeführt wird (2. Mos. 7, 17 ff.). Neben dieser mutatio in deterius findet sich aber in der Geschichte des Moses auch eine am Wasser vollzogene mutatio in melius, indem er bitteres Wasser nach Jehova's Anweisung süſs machte (2. Mos. 14, 23 ff.), wie später auch Elisa ein un- gesundes Wasser gut und unschädlich gemacht haben soll 26) bibl. Theol. 1, S. 200. 27) In der Band 1, S. 73. Anm. angeführten Stelle aus Midrasch Koheleth heisst es unter Anderem: Goël primus — ascendere fecit puteum: sie quoque Goël postremus ascendere faciet aquas etc.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/253>, abgerufen am 22.11.2024.