Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. sende Beschreibung vom Ausgehen der Dämonen, ihremUmirren in der Wüste und ihrer verstärkten Rückkehr giebt (Matth. 12, 43 ff.): so kann man nur ein Zurechtma- chen der Vorstellungen Jesu nach den unsrigen darin se- hen, wenn sonst unbefangene Forscher, wie Winer 5), Je- sum die Meinung des Volks von der Ursache dieser Krank- heiten nicht theilen, sondern sich ihr nur anbequemen lassen. Um von jedem Gedanken an blosse Accommoda- tion abzukommen, darf man sich nur die zulezt bemerkte Stelle genauer ansehen. Zwar hat man das Beweisende derselben dadurch zu umgehen gesucht, dass man sie bild- lich nahm, oder gar als eine Parabel bezeichnete 6). Dabei, wenn wir monstra von Ausdeutungen, wie diejenige, wel- che nach Calmet noch Olshausen giebt 7), bei Seite lassen, kommt das Wesentliche der Erklärung des vorgeblichen Bildes immer darauf hinaus, dass oberflächliche Bekehrung zu der Sache Jesu einen nur um so schlimmern Rückfall nach sich ziehe 8). Allein ich möchte wissen, was uns denn überhaupt berechtigt, von der eigentlichen Auffassung dieser Rede abzuweichen? In den Sätzen selbst liegt kei- ne Andeutung, ebensowenig in der anderweitigen Darstel- lungsweise Jesu, welcher sonst nirgends sittliche Verhält- nisse in das Bild dämönischer Zustände hüllt, sondern wo er noch, wie hier, von exerkhesthai der bösen Geister spricht, wie Matth. 17, 21. diess eigentlich will verstanden wissen. Aber in dem Zusammenhang der Erzählung? Lukas (11, 24, ff.) stellt den in Frage stehenden Ausspruch hinter die Vertheidigung Jesu gegen die pharisäische Beschuldigung, 5) a. a. O. S. 191. 6) Gratz, Comm. z. Matth. 1, S. 615. 7) b. Comm. 1, S. 424. Es sei vom jüdischen Volk die Rede, das vor dem Exil durch den Teufel in Form der Abgötterei, nach demselben durch den schlimmeren des Pharisäismus besessen gewesen. 8) so Fritzsche, in Matth. p. 447.
Zweiter Abschnitt. sende Beschreibung vom Ausgehen der Dämonen, ihremUmirren in der Wüste und ihrer verstärkten Rückkehr giebt (Matth. 12, 43 ff.): so kann man nur ein Zurechtma- chen der Vorstellungen Jesu nach den unsrigen darin se- hen, wenn sonst unbefangene Forscher, wie Winer 5), Je- sum die Meinung des Volks von der Ursache dieser Krank- heiten nicht theilen, sondern sich ihr nur anbequemen lassen. Um von jedem Gedanken an bloſse Accommoda- tion abzukommen, darf man sich nur die zulezt bemerkte Stelle genauer ansehen. Zwar hat man das Beweisende derselben dadurch zu umgehen gesucht, daſs man sie bild- lich nahm, oder gar als eine Parabel bezeichnete 6). Dabei, wenn wir monstra von Ausdeutungen, wie diejenige, wel- che nach Calmet noch Olshausen giebt 7), bei Seite lassen, kommt das Wesentliche der Erklärung des vorgeblichen Bildes immer darauf hinaus, daſs oberflächliche Bekehrung zu der Sache Jesu einen nur um so schlimmern Rückfall nach sich ziehe 8). Allein ich möchte wissen, was uns denn überhaupt berechtigt, von der eigentlichen Auffassung dieser Rede abzuweichen? In den Sätzen selbst liegt kei- ne Andeutung, ebensowenig in der anderweitigen Darstel- lungsweise Jesu, welcher sonst nirgends sittliche Verhält- nisse in das Bild dämönischer Zustände hüllt, sondern wo er noch, wie hier, von ἐξέρχεσϑαι der bösen Geister spricht, wie Matth. 17, 21. dieſs eigentlich will verstanden wissen. Aber in dem Zusammenhang der Erzählung? Lukas (11, 24, ff.) stellt den in Frage stehenden Ausspruch hinter die Vertheidigung Jesu gegen die pharisäische Beschuldigung, 5) a. a. O. S. 191. 6) Gratz, Comm. z. Matth. 1, S. 615. 7) b. Comm. 1, S. 424. Es sei vom jüdischen Volk die Rede, das vor dem Exil durch den Teufel in Form der Abgötterei, nach demselben durch den schlimmeren des Pharisäismus besessen gewesen. 8) so Fritzsche, in Matth. p. 447.
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Zweiter Abschnitt.
sende Beschreibung vom Ausgehen der Dämonen, ihrem
Umirren in der Wüste und ihrer verstärkten Rückkehr
giebt (Matth. 12, 43 ff.): so kann man nur ein Zurechtma-
chen der Vorstellungen Jesu nach den unsrigen darin se-
hen, wenn sonst unbefangene Forscher, wie Winer 5), Je-
sum die Meinung des Volks von der Ursache dieser Krank-
heiten nicht theilen, sondern sich ihr nur anbequemen
lassen. Um von jedem Gedanken an bloſse Accommoda-
tion abzukommen, darf man sich nur die zulezt bemerkte
Stelle genauer ansehen. Zwar hat man das Beweisende
derselben dadurch zu umgehen gesucht, daſs man sie bild-
lich nahm, oder gar als eine Parabel bezeichnete 6). Dabei,
wenn wir monstra von Ausdeutungen, wie diejenige, wel-
che nach Calmet noch Olshausen giebt 7), bei Seite lassen,
kommt das Wesentliche der Erklärung des vorgeblichen
Bildes immer darauf hinaus, daſs oberflächliche Bekehrung
zu der Sache Jesu einen nur um so schlimmern Rückfall
nach sich ziehe 8). Allein ich möchte wissen, was uns
denn überhaupt berechtigt, von der eigentlichen Auffassung
dieser Rede abzuweichen? In den Sätzen selbst liegt kei-
ne Andeutung, ebensowenig in der anderweitigen Darstel-
lungsweise Jesu, welcher sonst nirgends sittliche Verhält-
nisse in das Bild dämönischer Zustände hüllt, sondern wo
er noch, wie hier, von ἐξέρχεσϑαι der bösen Geister spricht,
wie Matth. 17, 21. dieſs eigentlich will verstanden wissen.
Aber in dem Zusammenhang der Erzählung? Lukas (11,
24, ff.) stellt den in Frage stehenden Ausspruch hinter die
Vertheidigung Jesu gegen die pharisäische Beschuldigung,
5) a. a. O. S. 191.
6) Gratz, Comm. z. Matth. 1, S. 615.
7) b. Comm. 1, S. 424. Es sei vom jüdischen Volk die Rede,
das vor dem Exil durch den Teufel in Form der Abgötterei,
nach demselben durch den schlimmeren des Pharisäismus
besessen gewesen.
8) so Fritzsche, in Matth. p. 447.
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