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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
nicht zum Volk, sondern zu solchen spreche, welche selbst
von dergleichen Krankheiten nach seiner Anleitung befrei-
ten, so sei es nicht als blosse Anbequemung erklärbar,
wenn er ihr ta daimonia upotassetai emin bestätigend
wieder aufnehme, und ihre Befähigung zur Heilung der
Dämonischen als eine Gewalt über die dunamis tou ekhthrou
beschreibe 9). Ebenso treffend hat derselbe Theologe an
andern Orten dem Anstoss, welchen solche, deren Bildung
mit dem Glauben an Dämonenbesitzungen sich nicht ver-
trägt, an dem Ergebniss nehmen könnten, dass Jesus jenen
Glauben gehabt habe, durch die Bemerkung vorgebeugt,
dass selbst der ausgezeichnetste Geist eine unrichtige Zeit-
vorstellung beibehalten könne, sofern sie nicht gerade im
Bereich seines besondern Nachdenkens liege[10)].

Erläuternd für die neutestamentlichen Vorstellungen
von den Dämonischen sind die Ansichten, welche wir bei
andern mehr oder minder gleichzeitigen Schriftstellern
über diese Materie finden. Die allgemeinen Begriffe von
Einflüssen böser Geister auf den Menschen, welche Melan-
cholie, Wahnsinn, Epilepsie zur Folge haben, waren zwar
schon frühe bei Griechen 11) wie bei Hebräern 12) verbrei-
tet: aber die bestimmtere Vorstellung, dass die bösen Gei-
ster in den Leib des Menschen fahren und von demselben
Besiz nehmen, hat sich nachweislich doch erst ziemlich
spät, in Folge allgemeiner Verbreitung der orientalischen,

9) exeg. Handb. 2, S. 566.
10) a. a. O. 1, b, S. 483. 2, S. 96.
11) Daher wurde daimonan, kakodaimonan = melagkholan, mainesthai,
gebraucht, und Hippokrates musste die Ableitung der Epi-
lepsie von dämonischem Einfluss bestreiten. s. bei Wetstein,
S. 282 ff.
12) Man vergleiche die rv'kha ra`ah teet y@hvaoh, welche den Saul
melancholisch machte, 1. Sam. 16, 14. Ihr Einfluss auf Saul
wird durch b'i`at'at'v', sie überfiel ihn, ausgedrückt.

Zweiter Abschnitt.
nicht zum Volk, sondern zu solchen spreche, welche selbst
von dergleichen Krankheiten nach seiner Anleitung befrei-
ten, so sei es nicht als bloſse Anbequemung erklärbar,
wenn er ihr τὰ δαιμόνια ὑποτάσσεται ἡμῖν bestätigend
wieder aufnehme, und ihre Befähigung zur Heilung der
Dämonischen als eine Gewalt über die δύναμις τοῦ ἐχϑροῦ
beschreibe 9). Ebenso treffend hat derselbe Theologe an
andern Orten dem Anstoſs, welchen solche, deren Bildung
mit dem Glauben an Dämonenbesitzungen sich nicht ver-
trägt, an dem Ergebniſs nehmen könnten, daſs Jesus jenen
Glauben gehabt habe, durch die Bemerkung vorgebeugt,
daſs selbst der ausgezeichnetste Geist eine unrichtige Zeit-
vorstellung beibehalten könne, sofern sie nicht gerade im
Bereich seines besondern Nachdenkens liege[10)].

Erläuternd für die neutestamentlichen Vorstellungen
von den Dämonischen sind die Ansichten, welche wir bei
andern mehr oder minder gleichzeitigen Schriftstellern
über diese Materie finden. Die allgemeinen Begriffe von
Einflüssen böser Geister auf den Menschen, welche Melan-
cholie, Wahnsinn, Epilepsie zur Folge haben, waren zwar
schon frühe bei Griechen 11) wie bei Hebräern 12) verbrei-
tet: aber die bestimmtere Vorstellung, daſs die bösen Gei-
ster in den Leib des Menschen fahren und von demselben
Besiz nehmen, hat sich nachweislich doch erst ziemlich
spät, in Folge allgemeiner Verbreitung der orientalischen,

9) exeg. Handb. 2, S. 566.
10) a. a. O. 1, b, S. 483. 2, S. 96.
11) Daher wurde δαιμονᾷν, κακοδαιμονᾷν = μελαγχολᾷν, μαινεσϑαι,
gebraucht, und Hippokrates musste die Ableitung der Epi-
lepsie von dämonischem Einfluss bestreiten. s. bei Wetstein,
S. 282 ff.
12) Man vergleiche die רוּחַ רָעָה טֵאֵת יְהוָֹה, welche den Saul
melancholisch machte, 1. Sam. 16, 14. Ihr Einfluss auf Saul
wird durch בִּעֲתַּתּוּ, sie überfiel ihn, ausgedrückt.
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[10/0029] Zweiter Abschnitt. nicht zum Volk, sondern zu solchen spreche, welche selbst von dergleichen Krankheiten nach seiner Anleitung befrei- ten, so sei es nicht als bloſse Anbequemung erklärbar, wenn er ihr τὰ δαιμόνια ὑποτάσσεται ἡμῖν bestätigend wieder aufnehme, und ihre Befähigung zur Heilung der Dämonischen als eine Gewalt über die δύναμις τοῦ ἐχϑροῦ beschreibe 9). Ebenso treffend hat derselbe Theologe an andern Orten dem Anstoſs, welchen solche, deren Bildung mit dem Glauben an Dämonenbesitzungen sich nicht ver- trägt, an dem Ergebniſs nehmen könnten, daſs Jesus jenen Glauben gehabt habe, durch die Bemerkung vorgebeugt, daſs selbst der ausgezeichnetste Geist eine unrichtige Zeit- vorstellung beibehalten könne, sofern sie nicht gerade im Bereich seines besondern Nachdenkens liege 10). Erläuternd für die neutestamentlichen Vorstellungen von den Dämonischen sind die Ansichten, welche wir bei andern mehr oder minder gleichzeitigen Schriftstellern über diese Materie finden. Die allgemeinen Begriffe von Einflüssen böser Geister auf den Menschen, welche Melan- cholie, Wahnsinn, Epilepsie zur Folge haben, waren zwar schon frühe bei Griechen 11) wie bei Hebräern 12) verbrei- tet: aber die bestimmtere Vorstellung, daſs die bösen Gei- ster in den Leib des Menschen fahren und von demselben Besiz nehmen, hat sich nachweislich doch erst ziemlich spät, in Folge allgemeiner Verbreitung der orientalischen, 9) exeg. Handb. 2, S. 566. 10) a. a. O. 1, b, S. 483. 2, S. 96. 11) Daher wurde δαιμονᾷν, κακοδαιμονᾷν = μελαγχολᾷν, μαινεσϑαι, gebraucht, und Hippokrates musste die Ableitung der Epi- lepsie von dämonischem Einfluss bestreiten. s. bei Wetstein, S. 282 ff. 12) Man vergleiche die רוּחַ רָעָה טֵאֵת יְהוָֹה, welche den Saul melancholisch machte, 1. Sam. 16, 14. Ihr Einfluss auf Saul wird durch בִּעֲתַּתּוּ, sie überfiel ihn, ausgedrückt.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/29>, abgerufen am 21.11.2024.