§. 110. Bildliche Reden, in welchen Jesus seine Auferstehung vorher- verkündigt haben soll.
Schon zu Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit hat dem vierten Evangelium zufolge Jesus die ihm feindlich ge- sinnten Juden in bildlicher Rede auf seine künftige Auf- erstehung hingewiesen (2, 19 ff.). Nachdem während sei- nes ersten messianischen Festbesuchs der Marktunfug im Tempel ihn zu jenem Schritte heiligen Eifers bewogen hat- te, von welchem oben die Rede gewesen, und wie nun die Juden ihn um ein Zeichen angiengen, durch welches er sich als einen Gottgesandten legitimiren sollte, der zur Vornahme solcher Gewaltmassregeln Befugniss hätte, giebt ihnen Jesus die Antwort: lusate ton naon touton, kai en trisin emerais egero auton. Die Juden nahmen diese Wor- te in dem Sinn, welcher, da sie im Tempel gesprochen wurden, am nächsten lag, und hielten Jesu entgegen, dass er diesen Tempel, zu dessen Bau man 46 Jahre gebraucht habe, wohl schwerlich, wenn er zerstört wäre, in 3 Tagen wieder aufzurichten im Stande sein dürfte; aber der Evan- gelist belehrt uns, diess sei nicht die Meinung Jesu gewe- sen, sondern dieser habe, wie übrigens den Jüngern erst nach seiner Auferstehung klar geworden sei, von dem naos tou somatos autou geredet, d. h. also durch das Abbrechen und Wiederaufbauen des Tempels auf seinen Tod und seine Auferstehung hingedeutet. Giebt man hiebei auch zu, was indessen gemässigte Ausleger leugnen 1), dass Jesus die Ju- den mit ihrer Forderung eines gegenwärtigen Zeichens (wie er es auch Matth. 12, 39 f. gethan haben soll) füglich auf seine einstige Auferstehung, als das grösste und namentlich für seine Feinde beschämendste Wunder in seiner Ge- schichte, habe verweisen können: so musste diese Hinwei- sung doch von der Art sein, dass sie möglicherweise ver-
1) z. B. Lücke, 1, S. 426; vgl. dagegen Tholuck, S. 75.
Erstes Kapitel. §. 110.
§. 110. Bildliche Reden, in welchen Jesus seine Auferstehung vorher- verkündigt haben soll.
Schon zu Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit hat dem vierten Evangelium zufolge Jesus die ihm feindlich ge- sinnten Juden in bildlicher Rede auf seine künftige Auf- erstehung hingewiesen (2, 19 ff.). Nachdem während sei- nes ersten messianischen Festbesuchs der Marktunfug im Tempel ihn zu jenem Schritte heiligen Eifers bewogen hat- te, von welchem oben die Rede gewesen, und wie nun die Juden ihn um ein Zeichen angiengen, durch welches er sich als einen Gottgesandten legitimiren sollte, der zur Vornahme solcher Gewaltmaſsregeln Befugniſs hätte, giebt ihnen Jesus die Antwort: λύσατε τὸν ναὸν τοῦτον, καὶ ἐν τρισὶν ἡμέραις ἐγερῶ αὐτόν. Die Juden nahmen diese Wor- te in dem Sinn, welcher, da sie im Tempel gesprochen wurden, am nächsten lag, und hielten Jesu entgegen, daſs er diesen Tempel, zu dessen Bau man 46 Jahre gebraucht habe, wohl schwerlich, wenn er zerstört wäre, in 3 Tagen wieder aufzurichten im Stande sein dürfte; aber der Evan- gelist belehrt uns, dieſs sei nicht die Meinung Jesu gewe- sen, sondern dieser habe, wie übrigens den Jüngern erst nach seiner Auferstehung klar geworden sei, von dem ναὸς τοῦ σώματος αὑτοῦ geredet, d. h. also durch das Abbrechen und Wiederaufbauen des Tempels auf seinen Tod und seine Auferstehung hingedeutet. Giebt man hiebei auch zu, was indessen gemäſsigte Ausleger leugnen 1), daſs Jesus die Ju- den mit ihrer Forderung eines gegenwärtigen Zeichens (wie er es auch Matth. 12, 39 f. gethan haben soll) füglich auf seine einstige Auferstehung, als das gröſste und namentlich für seine Feinde beschämendste Wunder in seiner Ge- schichte, habe verweisen können: so muſste diese Hinwei- sung doch von der Art sein, daſs sie möglicherweise ver-
1) z. B. Lücke, 1, S. 426; vgl. dagegen Tholuck, S. 75.
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Erstes Kapitel. §. 110.
§. 110.
Bildliche Reden, in welchen Jesus seine Auferstehung vorher-
verkündigt haben soll.
Schon zu Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit hat
dem vierten Evangelium zufolge Jesus die ihm feindlich ge-
sinnten Juden in bildlicher Rede auf seine künftige Auf-
erstehung hingewiesen (2, 19 ff.). Nachdem während sei-
nes ersten messianischen Festbesuchs der Marktunfug im
Tempel ihn zu jenem Schritte heiligen Eifers bewogen hat-
te, von welchem oben die Rede gewesen, und wie nun die
Juden ihn um ein Zeichen angiengen, durch welches er
sich als einen Gottgesandten legitimiren sollte, der zur
Vornahme solcher Gewaltmaſsregeln Befugniſs hätte, giebt
ihnen Jesus die Antwort: λύσατε τὸν ναὸν τοῦτον, καὶ ἐν
τρισὶν ἡμέραις ἐγερῶ αὐτόν. Die Juden nahmen diese Wor-
te in dem Sinn, welcher, da sie im Tempel gesprochen
wurden, am nächsten lag, und hielten Jesu entgegen, daſs
er diesen Tempel, zu dessen Bau man 46 Jahre gebraucht
habe, wohl schwerlich, wenn er zerstört wäre, in 3 Tagen
wieder aufzurichten im Stande sein dürfte; aber der Evan-
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sen, sondern dieser habe, wie übrigens den Jüngern erst
nach seiner Auferstehung klar geworden sei, von dem ναὸς
τοῦ σώματος αὑτοῦ geredet, d. h. also durch das Abbrechen
und Wiederaufbauen des Tempels auf seinen Tod und seine
Auferstehung hingedeutet. Giebt man hiebei auch zu, was
indessen gemäſsigte Ausleger leugnen 1), daſs Jesus die Ju-
den mit ihrer Forderung eines gegenwärtigen Zeichens (wie
er es auch Matth. 12, 39 f. gethan haben soll) füglich auf
seine einstige Auferstehung, als das gröſste und namentlich
für seine Feinde beschämendste Wunder in seiner Ge-
schichte, habe verweisen können: so muſste diese Hinwei-
sung doch von der Art sein, daſs sie möglicherweise ver-
1) z. B. Lücke, 1, S. 426; vgl. dagegen Tholuck, S. 75.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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