aus deren Vergleichung allein auf den Besessenen ein Licht zurückgeworfen werden kann. Durch dieses Herüberspie- len der Sache vom physiologisch - psychologischen Gebiete auf das moralisch-religiöse ist der Excurs über die Dämo- nischen zu einem d[er] unbrauchbarsten geworden, die im Olshausen'schen Buche zu finden sind 33).
Lassen wir also die unerfreulichen Versuche, die neutestamentlichen Vorstellungen von den Dämonischen zu modernisiren, und unsre jetzigen Begriffe zu judaisiren, fassen wir vielmehr auch in diesem Punkte das N. T. auf, wie es sich giebt, ohne jedoch durch die Zeit- und Volks- vorstellungen in demselben uns für weitere Forschungen die Hände binden zu lassen.
Den bisher ermittelten Vorstellungen vom Wesen der Dämonischen gemäss gestaltete sich auch das Heilverfahren mit solchen Personen, namentlich bei den Juden. Da die Krankheitsursache nicht, wie bei natürlichen Übeln als ein unpersönlicher Gegenstand oder Zustand, wie ein ungesun- der Saft, eine krankhafte Spannung oder Schwäche, son- dern als ein selbstbewusstes Wesen angesehen wurde: so suchte man auf dieselbe auch nicht blos mechanisch, che- misch und dergl., sondern logisch, durch das Wort, zu wir- ken. Man sprach dem Dämon zu, sich zu entfernen, und um diesem Zuspruch Nachdruck zu geben, knüpfte man ihn an die Namen von Wesen, welchen man Macht über das Reich der Dämonen zuschrieb. Daher als Hauptmittel gegen dämonische Besitzungen die Beschwörung 34), sei es bei dem Namen Gottes, oder der Engel, oder eines andern übermächtigen Wesens, wie des Messias (A. G. 19, 13.), und mittelst gewisser Formeln, die man von Salomo her- zuleiten pflegte 35). Übrigens wurden hiemit auch gewisse
33) Er füllt S. 289--298.
34) s. die Anm. 16. angeführte Lucianische Stelle.
35) Joseph. Antiq. 8, 2, 5.
Zweiter Abschnitt.
aus deren Vergleichung allein auf den Besessenen ein Licht zurückgeworfen werden kann. Durch dieses Herüberspie- len der Sache vom physiologisch - psychologischen Gebiete auf das moralisch-religiöse ist der Excurs über die Dämo- nischen zu einem d[er] unbrauchbarsten geworden, die im Olshausen'schen Buche zu finden sind 33).
Lassen wir also die unerfreulichen Versuche, die neutestamentlichen Vorstellungen von den Dämonischen zu modernisiren, und unsre jetzigen Begriffe zu judaisiren, fassen wir vielmehr auch in diesem Punkte das N. T. auf, wie es sich giebt, ohne jedoch durch die Zeit- und Volks- vorstellungen in demselben uns für weitere Forschungen die Hände binden zu lassen.
Den bisher ermittelten Vorstellungen vom Wesen der Dämonischen gemäſs gestaltete sich auch das Heilverfahren mit solchen Personen, namentlich bei den Juden. Da die Krankheitsursache nicht, wie bei natürlichen Übeln als ein unpersönlicher Gegenstand oder Zustand, wie ein ungesun- der Saft, eine krankhafte Spannung oder Schwäche, son- dern als ein selbstbewuſstes Wesen angesehen wurde: so suchte man auf dieselbe auch nicht blos mechanisch, che- misch und dergl., sondern logisch, durch das Wort, zu wir- ken. Man sprach dem Dämon zu, sich zu entfernen, und um diesem Zuspruch Nachdruck zu geben, knüpfte man ihn an die Namen von Wesen, welchen man Macht über das Reich der Dämonen zuschrieb. Daher als Hauptmittel gegen dämonische Besitzungen die Beschwörung 34), sei es bei dem Namen Gottes, oder der Engel, oder eines andern übermächtigen Wesens, wie des Messias (A. G. 19, 13.), und mittelst gewisser Formeln, die man von Salomo her- zuleiten pflegte 35). Übrigens wurden hiemit auch gewisse
33) Er füllt S. 289—298.
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35) Joseph. Antiq. 8, 2, 5.
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Zweiter Abschnitt.
aus deren Vergleichung allein auf den Besessenen ein Licht
zurückgeworfen werden kann. Durch dieses Herüberspie-
len der Sache vom physiologisch - psychologischen Gebiete
auf das moralisch-religiöse ist der Excurs über die Dämo-
nischen zu einem der unbrauchbarsten geworden, die im
Olshausen'schen Buche zu finden sind 33).
Lassen wir also die unerfreulichen Versuche, die
neutestamentlichen Vorstellungen von den Dämonischen zu
modernisiren, und unsre jetzigen Begriffe zu judaisiren,
fassen wir vielmehr auch in diesem Punkte das N. T. auf,
wie es sich giebt, ohne jedoch durch die Zeit- und Volks-
vorstellungen in demselben uns für weitere Forschungen
die Hände binden zu lassen.
Den bisher ermittelten Vorstellungen vom Wesen der
Dämonischen gemäſs gestaltete sich auch das Heilverfahren
mit solchen Personen, namentlich bei den Juden. Da die
Krankheitsursache nicht, wie bei natürlichen Übeln als ein
unpersönlicher Gegenstand oder Zustand, wie ein ungesun-
der Saft, eine krankhafte Spannung oder Schwäche, son-
dern als ein selbstbewuſstes Wesen angesehen wurde: so
suchte man auf dieselbe auch nicht blos mechanisch, che-
misch und dergl., sondern logisch, durch das Wort, zu wir-
ken. Man sprach dem Dämon zu, sich zu entfernen, und
um diesem Zuspruch Nachdruck zu geben, knüpfte man
ihn an die Namen von Wesen, welchen man Macht über
das Reich der Dämonen zuschrieb. Daher als Hauptmittel
gegen dämonische Besitzungen die Beschwörung 34), sei es
bei dem Namen Gottes, oder der Engel, oder eines andern
übermächtigen Wesens, wie des Messias (A. G. 19, 13.),
und mittelst gewisser Formeln, die man von Salomo her-
zuleiten pflegte 35). Übrigens wurden hiemit auch gewisse
33) Er füllt S. 289—298.
34) s. die Anm. 16. angeführte Lucianische Stelle.
35) Joseph. Antiq. 8, 2, 5.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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