zulässig gewesen sei17); wie denn auch nach dem Talmud Jesus am `rb pmkh d. h. am Vorabend des Pascha, gekreu- zigt worden ist 18). Ein Anderes wäre es, wenn, wie Dr. Baur nachzuweisen sucht, in dem Wesen und der Bedeu- tung des Pascha als eines Sühnfestes die Hinrichtung von Verbrechern, als blutige Sühne für das Volk, gelegen hät- te, und die von den Evangelisten angemerkte Sitte, auf das Fest einen Gefangenen loszulassen, zu der Hinrichtung eines andern nur als die Kehrseite, wie die beiden Böcke und Sperlinge jüdischer Sühn- und Reinigungsopfer, sich verhielte 19).
Leicht konnte freilich die urchristliche Tradition auch auf unhistorischem Wege dazukommen, Jesu leztes Mahl mit dem Osterlamm, und seinen Todestag mit dem Pascha- fest zu combiniren. Da nämlich schon in der apostolischen Zeit der Tod Jesu mit der Schlachtung des Paschalamms verglichen wurde (1. Kor. 5, 7.), das christliche Abend- mahl aber von selbst an die Paschamahlzeit erinnerte: so lag es nahe genug, die Hinrichtung Jesu auf den ersten Paschatag zu verlegen, und seine lezte Mahlzeit, bei wel- cher er das Abendmahl gestiftet haben sollte, als das Pa- schamahl zu betrachten. Freilich, wenn der Verfasser des ersten Evangeliums als Apostel und Selbsttheilnehmer an dem lezten Mahle Jesu vorausgesezt wird, bleibt es schwer zu erklären, wie er zu einem solchen Irrthum kommen konnte. Wenigstens reicht es nicht hin, sich mit Theile darauf zu berufen, je mehr das lezte mit ihrem Meister gehaltene Mahl den Jüngern über alle Paschamahle gegan- gen sei, desto weniger sei ihnen auf die Zeit desselben, ob es am Paschaabend selbst, oder einen Tag früher gehalten
17)Fritzsche, in Matth. p. 763 f. vgl. 755. Lücke, 2, S. 614.
18) Sanhedr. f. 43, 1, bei Schöttgen, 2, S. 700.
19) Über die ursprüngliche Bedeutung des Passahfestes u. s. w. Tübinger Zeitschrift f. Theol. 1832, 1, S. 90 ff.
Zweites Kapitel. §. 117.
zulässig gewesen sei17); wie denn auch nach dem Talmud Jesus am ערב פםח d. h. am Vorabend des Pascha, gekreu- zigt worden ist 18). Ein Anderes wäre es, wenn, wie Dr. Baur nachzuweisen sucht, in dem Wesen und der Bedeu- tung des Pascha als eines Sühnfestes die Hinrichtung von Verbrechern, als blutige Sühne für das Volk, gelegen hät- te, und die von den Evangelisten angemerkte Sitte, auf das Fest einen Gefangenen loszulassen, zu der Hinrichtung eines andern nur als die Kehrseite, wie die beiden Böcke und Sperlinge jüdischer Sühn- und Reinigungsopfer, sich verhielte 19).
Leicht konnte freilich die urchristliche Tradition auch auf unhistorischem Wege dazukommen, Jesu leztes Mahl mit dem Osterlamm, und seinen Todestag mit dem Pascha- fest zu combiniren. Da nämlich schon in der apostolischen Zeit der Tod Jesu mit der Schlachtung des Paschalamms verglichen wurde (1. Kor. 5, 7.), das christliche Abend- mahl aber von selbst an die Paschamahlzeit erinnerte: so lag es nahe genug, die Hinrichtung Jesu auf den ersten Paschatag zu verlegen, und seine lezte Mahlzeit, bei wel- cher er das Abendmahl gestiftet haben sollte, als das Pa- schamahl zu betrachten. Freilich, wenn der Verfasser des ersten Evangeliums als Apostel und Selbsttheilnehmer an dem lezten Mahle Jesu vorausgesezt wird, bleibt es schwer zu erklären, wie er zu einem solchen Irrthum kommen konnte. Wenigstens reicht es nicht hin, sich mit Theile darauf zu berufen, je mehr das lezte mit ihrem Meister gehaltene Mahl den Jüngern über alle Paschamahle gegan- gen sei, desto weniger sei ihnen auf die Zeit desselben, ob es am Paschaabend selbst, oder einen Tag früher gehalten
17)Fritzsche, in Matth. p. 763 f. vgl. 755. Lücke, 2, S. 614.
18) Sanhedr. f. 43, 1, bei Schöttgen, 2, S. 700.
19) Über die ursprüngliche Bedeutung des Passahfestes u. s. w. Tübinger Zeitschrift f. Theol. 1832, 1, S. 90 ff.
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Zweites Kapitel. §. 117.
zulässig gewesen sei 17); wie denn auch nach dem Talmud
Jesus am ערב פםח d. h. am Vorabend des Pascha, gekreu-
zigt worden ist 18). Ein Anderes wäre es, wenn, wie Dr.
Baur nachzuweisen sucht, in dem Wesen und der Bedeu-
tung des Pascha als eines Sühnfestes die Hinrichtung von
Verbrechern, als blutige Sühne für das Volk, gelegen hät-
te, und die von den Evangelisten angemerkte Sitte, auf
das Fest einen Gefangenen loszulassen, zu der Hinrichtung
eines andern nur als die Kehrseite, wie die beiden Böcke
und Sperlinge jüdischer Sühn- und Reinigungsopfer, sich
verhielte 19).
Leicht konnte freilich die urchristliche Tradition auch
auf unhistorischem Wege dazukommen, Jesu leztes Mahl
mit dem Osterlamm, und seinen Todestag mit dem Pascha-
fest zu combiniren. Da nämlich schon in der apostolischen
Zeit der Tod Jesu mit der Schlachtung des Paschalamms
verglichen wurde (1. Kor. 5, 7.), das christliche Abend-
mahl aber von selbst an die Paschamahlzeit erinnerte: so
lag es nahe genug, die Hinrichtung Jesu auf den ersten
Paschatag zu verlegen, und seine lezte Mahlzeit, bei wel-
cher er das Abendmahl gestiftet haben sollte, als das Pa-
schamahl zu betrachten. Freilich, wenn der Verfasser des
ersten Evangeliums als Apostel und Selbsttheilnehmer an
dem lezten Mahle Jesu vorausgesezt wird, bleibt es schwer
zu erklären, wie er zu einem solchen Irrthum kommen
konnte. Wenigstens reicht es nicht hin, sich mit Theile
darauf zu berufen, je mehr das lezte mit ihrem Meister
gehaltene Mahl den Jüngern über alle Paschamahle gegan-
gen sei, desto weniger sei ihnen auf die Zeit desselben, ob
es am Paschaabend selbst, oder einen Tag früher gehalten
17) Fritzsche, in Matth. p. 763 f. vgl. 755. Lücke, 2, S. 614.
18) Sanhedr. f. 43, 1, bei Schöttgen, 2, S. 700.
19) Über die ursprüngliche Bedeutung des Passahfestes u. s. w.
Tübinger Zeitschrift f. Theol. 1832, 1, S. 90 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/432>, abgerufen am 24.11.2024.
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