Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Neuntes Kapitel. §. 89. und insbesondere den Untergang der Schweine mit derdurch Jesum bewirkten Austreibung der Dämonen aus- ser Beziehung zu setzen. So fand Krug in der Stellung beider Erfolge ein in der Tradition entstandenes useron proteron. Die Schweine seien schon vor der Landung Je- su durch den Sturm, der während seiner Überfahrt wü- thete, in den See gestürzt worden, und als Jesus nachher den Dämonischen heilen wollte, habe entweder er selbst, oder einer aus seinem Gefolge, den Menschen beredet, sei- ne Dämonen seien bereits in jene Schweine gefahren, und haben sie in den See gestürzt; was dann als wirklich so erfolgt aufgenommen und weiter gesagt worden sei 36). K. Ch. L. Schmidt lässt, als Jesus an's Land stieg, die Hirten ihm entgegen gehen, indessen von den sich selbst überlassenen Schweinen mehrere in das Wasser stürzen, und da nun um eben diese Zeit Jesus dem Dämon auszu- fahren geboten habe, so haben die Umstehenden Beides in Causalzusammenhang gesezt 37). Ohne weitere Bemerkung erkennt man in diesen Erklärungsversuchen, an der gros- sen Rolle, welche in denselben das zufällige Zusammen- treffen verschiedener Umstände spielt, die ungeschickte Vermischung der mythischen Erklärung mit der natürli- chen, wie sie den ersten Unternehmungen auf dem mythi- schen Standpunkt eigen gewesen ist. Da diese Vermischung darin besteht, dass von dem Unglaublichen in einer Er- zählung, statt es aus Zeitvorstellungen herzuleiten, eine historische aber wunderlose Grundlage angenommen wird: so fragt sich, ob in der Zeit der muthmasslichen Bildung 36) In der Abhandlung über genetische oder formelle Erklärungs- art der Wunder, in Henke's Museum 1, 3, S. 410 ff. Zu lo- ben ist hier auch das Bewusstsein davon, dass die Darstel- lung bei Matthäus die einfachere, die der beiden andern Evangelisten die ausgeschmücktere ist. 37) Exeg. Beiträge, 2, 109 ff.
Neuntes Kapitel. §. 89. und insbesondere den Untergang der Schweine mit derdurch Jesum bewirkten Austreibung der Dämonen aus- ser Beziehung zu setzen. So fand Krug in der Stellung beider Erfolge ein in der Tradition entstandenes ὕςερον πρότερον. Die Schweine seien schon vor der Landung Je- su durch den Sturm, der während seiner Überfahrt wü- thete, in den See gestürzt worden, und als Jesus nachher den Dämonischen heilen wollte, habe entweder er selbst, oder einer aus seinem Gefolge, den Menschen beredet, sei- ne Dämonen seien bereits in jene Schweine gefahren, und haben sie in den See gestürzt; was dann als wirklich so erfolgt aufgenommen und weiter gesagt worden sei 36). K. Ch. L. Schmidt läſst, als Jesus an's Land stieg, die Hirten ihm entgegen gehen, indessen von den sich selbst überlassenen Schweinen mehrere in das Wasser stürzen, und da nun um eben diese Zeit Jesus dem Dämon auszu- fahren geboten habe, so haben die Umstehenden Beides in Causalzusammenhang gesezt 37). Ohne weitere Bemerkung erkennt man in diesen Erklärungsversuchen, an der gros- sen Rolle, welche in denselben das zufällige Zusammen- treffen verschiedener Umstände spielt, die ungeschickte Vermischung der mythischen Erklärung mit der natürli- chen, wie sie den ersten Unternehmungen auf dem mythi- schen Standpunkt eigen gewesen ist. Da diese Vermischung darin besteht, daſs von dem Unglaublichen in einer Er- zählung, statt es aus Zeitvorstellungen herzuleiten, eine historische aber wunderlose Grundlage angenommen wird: so fragt sich, ob in der Zeit der muthmaſslichen Bildung 36) In der Abhandlung über genetische oder formelle Erklärungs- art der Wunder, in Henke's Museum 1, 3, S. 410 ff. Zu lo- ben ist hier auch das Bewusstsein davon, dass die Darstel- lung bei Matthäus die einfachere, die der beiden andern Evangelisten die ausgeschmücktere ist. 37) Exeg. Beiträge, 2, 109 ff.
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Neuntes Kapitel. §. 89.
und insbesondere den Untergang der Schweine mit der
durch Jesum bewirkten Austreibung der Dämonen aus-
ser Beziehung zu setzen. So fand Krug in der Stellung
beider Erfolge ein in der Tradition entstandenes ὕςερον
πρότερον. Die Schweine seien schon vor der Landung Je-
su durch den Sturm, der während seiner Überfahrt wü-
thete, in den See gestürzt worden, und als Jesus nachher
den Dämonischen heilen wollte, habe entweder er selbst,
oder einer aus seinem Gefolge, den Menschen beredet, sei-
ne Dämonen seien bereits in jene Schweine gefahren, und
haben sie in den See gestürzt; was dann als wirklich so
erfolgt aufgenommen und weiter gesagt worden sei 36).
K. Ch. L. Schmidt läſst, als Jesus an's Land stieg, die
Hirten ihm entgegen gehen, indessen von den sich selbst
überlassenen Schweinen mehrere in das Wasser stürzen,
und da nun um eben diese Zeit Jesus dem Dämon auszu-
fahren geboten habe, so haben die Umstehenden Beides in
Causalzusammenhang gesezt 37). Ohne weitere Bemerkung
erkennt man in diesen Erklärungsversuchen, an der gros-
sen Rolle, welche in denselben das zufällige Zusammen-
treffen verschiedener Umstände spielt, die ungeschickte
Vermischung der mythischen Erklärung mit der natürli-
chen, wie sie den ersten Unternehmungen auf dem mythi-
schen Standpunkt eigen gewesen ist. Da diese Vermischung
darin besteht, daſs von dem Unglaublichen in einer Er-
zählung, statt es aus Zeitvorstellungen herzuleiten, eine
historische aber wunderlose Grundlage angenommen wird:
so fragt sich, ob in der Zeit der muthmaſslichen Bildung
36) In der Abhandlung über genetische oder formelle Erklärungs-
art der Wunder, in Henke's Museum 1, 3, S. 410 ff. Zu lo-
ben ist hier auch das Bewusstsein davon, dass die Darstel-
lung bei Matthäus die einfachere, die der beiden andern
Evangelisten die ausgeschmücktere ist.
37) Exeg. Beiträge, 2, 109 ff.
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