thäus ausser der Magdalena nur noch die andere Maria hat, nur eine einzige Frau gewesen, welcher auf dem Rück- weg Jesus erschien: während doch Matthäus durchaus von mehreren spricht (apentesen autais u. s. f.).
Um diesem unsteten Hinundherrennen der Jünger und Frauen, dem phantasmagorischen Erscheinen, Verschwin- den und Wiedererscheinen der Engel, und der zwecklosen Häufung der Erscheinungen Jesu vor derselben Person, wie sie bei dieser harmonistischen Methode herauskommt, zu entgehen, müssen wir jeden Evangelisten für sich be- trachten, dann bekommen wir von jedem ein ruhiges Bild mit einfachen, würdigen Zügen: Einen Gang der Frauen, oder nach Johannes zwei; Eine Engelerscheinung; Eine Erscheinung Jesu nach Johannes und Matthäus, und Ei- nen Gang Eines oder zweier Jünger nach Lukas und Jo- hannes.
Doch zu jenen materiellen Schwierigkeiten der har- monistischen Einschiebungsmethode gesellt sich noch die formelle Frage, wie es denn unter den Voraussetzungen jener Ansicht komme, dass aus der Fülle des Geschehenen jeder Re- ferent ein andres Stück für sich herausgeschnitten, von den vielen Gängen und Erscheinungen keiner alle, und fast keiner dieselben wie sein Nachbar, sondern meistens nur jeder Eine, und jeder wieder eine andere zur Darstellung ausgewählt habe? Die plausibelste Antwort auf diese Fra- ge hat Griesbach in einem eigenen Programm über diesen Gegenstand gegeben 12), indem er annahm, jeder Evange- list gebe die Art und Weise wieder, wie ihm gerade zu- erst die Auferstehung Jesu bekannt geworden war. Johan- nes habe die erste Nachricht durch Maria Magdalena er- halten, und so erzähle er auch nur, was er von dieser er-
12) Progr. de fontibus, unde Evangelistae suas de resurrectione Domini narrationes hauserint. Opusc. acad. ed. Gabler, Vol. 2, p. 241 ff.
Dritter Abschnitt.
thäus ausser der Magdalena nur noch die andere Maria hat, nur eine einzige Frau gewesen, welcher auf dem Rück- weg Jesus erschien: während doch Matthäus durchaus von mehreren spricht (ἀπήντησεν αὐταῖς u. s. f.).
Um diesem unsteten Hinundherrennen der Jünger und Frauen, dem phantasmagorischen Erscheinen, Verschwin- den und Wiedererscheinen der Engel, und der zwecklosen Häufung der Erscheinungen Jesu vor derselben Person, wie sie bei dieser harmonistischen Methode herauskommt, zu entgehen, müssen wir jeden Evangelisten für sich be- trachten, dann bekommen wir von jedem ein ruhiges Bild mit einfachen, würdigen Zügen: Einen Gang der Frauen, oder nach Johannes zwei; Eine Engelerscheinung; Eine Erscheinung Jesu nach Johannes und Matthäus, und Ei- nen Gang Eines oder zweier Jünger nach Lukas und Jo- hannes.
Doch zu jenen materiellen Schwierigkeiten der har- monistischen Einschiebungsmethode gesellt sich noch die formelle Frage, wie es denn unter den Voraussetzungen jener Ansicht komme, daſs aus der Fülle des Geschehenen jeder Re- ferent ein andres Stück für sich herausgeschnitten, von den vielen Gängen und Erscheinungen keiner alle, und fast keiner dieselben wie sein Nachbar, sondern meistens nur jeder Eine, und jeder wieder eine andere zur Darstellung ausgewählt habe? Die plausibelste Antwort auf diese Fra- ge hat Griesbach in einem eigenen Programm über diesen Gegenstand gegeben 12), indem er annahm, jeder Evange- list gebe die Art und Weise wieder, wie ihm gerade zu- erst die Auferstehung Jesu bekannt geworden war. Johan- nes habe die erste Nachricht durch Maria Magdalena er- halten, und so erzähle er auch nur, was er von dieser er-
12) Progr. de fontibus, unde Evangelistae suas de resurrectione Domini narrationes hauserint. Opusc. acad. ed. Gabler, Vol. 2, p. 241 ff.
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Dritter Abschnitt.
thäus ausser der Magdalena nur noch die andere Maria
hat, nur eine einzige Frau gewesen, welcher auf dem Rück-
weg Jesus erschien: während doch Matthäus durchaus von
mehreren spricht (ἀπήντησεν αὐταῖς u. s. f.).
Um diesem unsteten Hinundherrennen der Jünger und
Frauen, dem phantasmagorischen Erscheinen, Verschwin-
den und Wiedererscheinen der Engel, und der zwecklosen
Häufung der Erscheinungen Jesu vor derselben Person,
wie sie bei dieser harmonistischen Methode herauskommt,
zu entgehen, müssen wir jeden Evangelisten für sich be-
trachten, dann bekommen wir von jedem ein ruhiges Bild
mit einfachen, würdigen Zügen: Einen Gang der Frauen,
oder nach Johannes zwei; Eine Engelerscheinung; Eine
Erscheinung Jesu nach Johannes und Matthäus, und Ei-
nen Gang Eines oder zweier Jünger nach Lukas und Jo-
hannes.
Doch zu jenen materiellen Schwierigkeiten der har-
monistischen Einschiebungsmethode gesellt sich noch die
formelle Frage, wie es denn unter den Voraussetzungen jener
Ansicht komme, daſs aus der Fülle des Geschehenen jeder Re-
ferent ein andres Stück für sich herausgeschnitten, von den
vielen Gängen und Erscheinungen keiner alle, und fast
keiner dieselben wie sein Nachbar, sondern meistens nur
jeder Eine, und jeder wieder eine andere zur Darstellung
ausgewählt habe? Die plausibelste Antwort auf diese Fra-
ge hat Griesbach in einem eigenen Programm über diesen
Gegenstand gegeben 12), indem er annahm, jeder Evange-
list gebe die Art und Weise wieder, wie ihm gerade zu-
erst die Auferstehung Jesu bekannt geworden war. Johan-
nes habe die erste Nachricht durch Maria Magdalena er-
halten, und so erzähle er auch nur, was er von dieser er-
12) Progr. de fontibus, unde Evangelistae suas de resurrectione
Domini narrationes hauserint. Opusc. acad. ed. Gabler,
Vol. 2, p. 241 ff.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/617>, abgerufen am 22.11.2024.
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