Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Viertes Kapitel. §. 133. fahren habe; dem Matthäus (denn die Jünger haben, alsfestbesuchende Fremde, ohne Zweifel in verschiedenen Quartieren der Stadt gewohnt) sei die erste Kunde durch diejenigen Weiber zugekommen, welchen auf dem Rück- weg vom Grabe Jesus selbst erschienen war, und so thei- le er denn nur das von diesen Erlebte mit. Doch hier scheitert diese Erklärung bereits daran, dass theils bei Matthäus unter den Frauen, welche auf dem Rückweg die Christophanie haben, auch Magdalena ist, theils bei Johannes Magdalena nach ihrem zweiten Gang, auf welchem ihr Jesus erschienen war, nicht mehr zu Johannes und Petrus allein, son- dern zu den mathetais überhaupt gieng, und ihnen die gehabte Erscheinung und den erhaltenen Auftrag mittheilte: so dass also Matthäus in jedem Fall auch von der Erscheinung Je- su vor Magdalena wissen musste 13). Wenn dann ferner nach dieser Hypothese Markus die Auferstehungsgeschich- te so, wie er sie im Hause seiner zu Jerusalem lebenden Mutter (A. G. 12, 12.), Lukas, wie er sie von der bei ihm allein genannten Johanna erfahren hatte, erzählen soll: so muss man sich über die Zähigkeit verwundern, mit wel- cher hienach jeder an der zufällig zuerst vernommenen Erzählung hängen geblieben wäre, da doch gerade über die Auferstehung Jesu der Austausch der Erzählungen un- ter seinen Anhängern der lebhafteste sein, und so die Vor- stellungen über das erste Bekanntwerden derselben sich ausgleichen mussten. Diese Schwierigkeit zu heben, hat Gries- bach weiter angenommen, die Jünger haben wohl im Sinne gehabt, die unzusammenstimmenden Berichte der Frauen zu vergleichen und in Ordnung zu bringen, als aber der wie- derbelebte Jesus selbst in ihre Mitte getreten sei, haben sie diess unterlassen, weil sie nun nicht mehr auf die Aus- sagen der Weiber, sondern auf die selbstgehabten Erschei- nungen ihren Glauben gegründet haben: allein eben, je 13) Vgl. Schneckenburger a. a. O. S. 64 f. Anm.
Viertes Kapitel. §. 133. fahren habe; dem Matthäus (denn die Jünger haben, alsfestbesuchende Fremde, ohne Zweifel in verschiedenen Quartieren der Stadt gewohnt) sei die erste Kunde durch diejenigen Weiber zugekommen, welchen auf dem Rück- weg vom Grabe Jesus selbst erschienen war, und so thei- le er denn nur das von diesen Erlebte mit. Doch hier scheitert diese Erklärung bereits daran, daſs theils bei Matthäus unter den Frauen, welche auf dem Rückweg die Christophanie haben, auch Magdalena ist, theils bei Johannes Magdalena nach ihrem zweiten Gang, auf welchem ihr Jesus erschienen war, nicht mehr zu Johannes und Petrus allein, son- dern zu den μαϑηταῖς überhaupt gieng, und ihnen die gehabte Erscheinung und den erhaltenen Auftrag mittheilte: so daſs also Matthäus in jedem Fall auch von der Erscheinung Je- su vor Magdalena wissen muſste 13). Wenn dann ferner nach dieser Hypothese Markus die Auferstehungsgeschich- te so, wie er sie im Hause seiner zu Jerusalem lebenden Mutter (A. G. 12, 12.), Lukas, wie er sie von der bei ihm allein genannten Johanna erfahren hatte, erzählen soll: so muſs man sich über die Zähigkeit verwundern, mit wel- cher hienach jeder an der zufällig zuerst vernommenen Erzählung hängen geblieben wäre, da doch gerade über die Auferstehung Jesu der Austausch der Erzählungen un- ter seinen Anhängern der lebhafteste sein, und so die Vor- stellungen über das erste Bekanntwerden derselben sich ausgleichen muſsten. Diese Schwierigkeit zu heben, hat Gries- bach weiter angenommen, die Jünger haben wohl im Sinne gehabt, die unzusammenstimmenden Berichte der Frauen zu vergleichen und in Ordnung zu bringen, als aber der wie- derbelebte Jesus selbst in ihre Mitte getreten sei, haben sie dieſs unterlassen, weil sie nun nicht mehr auf die Aus- sagen der Weiber, sondern auf die selbstgehabten Erschei- nungen ihren Glauben gegründet haben: allein eben, je 13) Vgl. Schneckenburger a. a. O. S. 64 f. Anm.
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Viertes Kapitel. §. 133.
fahren habe; dem Matthäus (denn die Jünger haben, als
festbesuchende Fremde, ohne Zweifel in verschiedenen
Quartieren der Stadt gewohnt) sei die erste Kunde durch
diejenigen Weiber zugekommen, welchen auf dem Rück-
weg vom Grabe Jesus selbst erschienen war, und so thei-
le er denn nur das von diesen Erlebte mit. Doch hier
scheitert diese Erklärung bereits daran, daſs theils bei
Matthäus unter den Frauen, welche auf dem Rückweg die
Christophanie haben, auch Magdalena ist, theils bei Johannes
Magdalena nach ihrem zweiten Gang, auf welchem ihr Jesus
erschienen war, nicht mehr zu Johannes und Petrus allein, son-
dern zu den μαϑηταῖς überhaupt gieng, und ihnen die gehabte
Erscheinung und den erhaltenen Auftrag mittheilte: so daſs
also Matthäus in jedem Fall auch von der Erscheinung Je-
su vor Magdalena wissen muſste 13). Wenn dann ferner
nach dieser Hypothese Markus die Auferstehungsgeschich-
te so, wie er sie im Hause seiner zu Jerusalem lebenden
Mutter (A. G. 12, 12.), Lukas, wie er sie von der bei ihm
allein genannten Johanna erfahren hatte, erzählen soll:
so muſs man sich über die Zähigkeit verwundern, mit wel-
cher hienach jeder an der zufällig zuerst vernommenen
Erzählung hängen geblieben wäre, da doch gerade über
die Auferstehung Jesu der Austausch der Erzählungen un-
ter seinen Anhängern der lebhafteste sein, und so die Vor-
stellungen über das erste Bekanntwerden derselben sich
ausgleichen muſsten. Diese Schwierigkeit zu heben, hat Gries-
bach weiter angenommen, die Jünger haben wohl im Sinne
gehabt, die unzusammenstimmenden Berichte der Frauen zu
vergleichen und in Ordnung zu bringen, als aber der wie-
derbelebte Jesus selbst in ihre Mitte getreten sei, haben
sie dieſs unterlassen, weil sie nun nicht mehr auf die Aus-
sagen der Weiber, sondern auf die selbstgehabten Erschei-
nungen ihren Glauben gegründet haben: allein eben, je
13) Vgl. Schneckenburger a. a. O. S. 64 f. Anm.
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