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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 134.
Jesu frühere Vorhersagung durch eipen passender, und
darauf könnte man die Vermuthung begründen, dass hier
vielleicht Markus das Richtige und Ursprüngliche, Mat-
thäus aber ein nicht ohne Missverständniss Abgeleitetes ha-
be 11). Ziehen wir nun aber auch den Bericht des Lukas
in die Vergleichung herein: so wird auch hier, wie bei
Markus, durch ein mnesthete, os elalesen umin eti on en
te Galilaia, legon k. t. l. auf eine frühere Vorhersage
Jesu zurückgewiesen, aber nicht auf eine nach Galiläa
weisende, sondern auf eine in Galiläa gegebene. Hier fragt
sich: ist es wahrscheinlicher, dass das ursprünglich zur
Bestimmung des Lokals, in welchem die Weissagung der
Auferstehung gegeben wurde, hinzugesezte Galiläa später
irrig als Bestimmung desjenigen Lokals, wo der Aufer-
standene erscheinen wollte, umgedeutet worden ist, oder
umgekehrt? Diess muss sich darnach entscheiden, in wel-
cher von beiden Stellungen die Erwähnung Galiläa's inni-
ger in den Zusammenhang passt. Dass nun bei Verkün-
digung der Auferstehung Alles darauf ankam, ob und wo
der Auferstandene zu sehen sei, erhellt von selbst; weni-
ger lag, wenn auf eine frühere Weissagung zurückgewie-
sen werden sollte, daran, wo diese gegeben worden war.
Hienach könnte man schon von dieser Vergleichung der
Stellen aus es wahrscheinlicher finden, dass es ursprüng-
lich geheissen haben möge, der Engel habe die Jünger
nach Galiläa gewiesen, um dort den Auferstandenen zu
sehen (Matth.); hierauf aber, als die Erzählungen von ju-
däischen Erscheinungen Jesu die galiläischen verdrängt
hatten, habe man das Galiläa in der Engelrede dahin um-
gestellt, dass es nun hiess, schon in Galiläa habe Jesus sei-
ne Auferstehung vorhergesagt (Lukas); worauf dann Mar-
kus vermittelnd eingetreten zu sein scheint, indem er mit

11) Wesswegen Michaelis, S. 118 f., auch bei Matthäus eipen
für die ursprüngliche Lesart hält.

Viertes Kapitel. §. 134.
Jesu frühere Vorhersagung durch εἶπεν passender, und
darauf könnte man die Vermuthung begründen, daſs hier
vielleicht Markus das Richtige und Ursprüngliche, Mat-
thäus aber ein nicht ohne Miſsverständniſs Abgeleitetes ha-
be 11). Ziehen wir nun aber auch den Bericht des Lukas
in die Vergleichung herein: so wird auch hier, wie bei
Markus, durch ein μνήσϑητε, ὡς ἐλάλησεν ὑμῖν ἔτι ὢν ἐν
τῇ Γαλιλαίᾳ, λέγων κ. τ. λ. auf eine frühere Vorhersage
Jesu zurückgewiesen, aber nicht auf eine nach Galiläa
weisende, sondern auf eine in Galiläa gegebene. Hier fragt
sich: ist es wahrscheinlicher, daſs das ursprünglich zur
Bestimmung des Lokals, in welchem die Weissagung der
Auferstehung gegeben wurde, hinzugesezte Galiläa später
irrig als Bestimmung desjenigen Lokals, wo der Aufer-
standene erscheinen wollte, umgedeutet worden ist, oder
umgekehrt? Dieſs muſs sich darnach entscheiden, in wel-
cher von beiden Stellungen die Erwähnung Galiläa's inni-
ger in den Zusammenhang paſst. Daſs nun bei Verkün-
digung der Auferstehung Alles darauf ankam, ob und wo
der Auferstandene zu sehen sei, erhellt von selbst; weni-
ger lag, wenn auf eine frühere Weissagung zurückgewie-
sen werden sollte, daran, wo diese gegeben worden war.
Hienach könnte man schon von dieser Vergleichung der
Stellen aus es wahrscheinlicher finden, daſs es ursprüng-
lich geheiſsen haben möge, der Engel habe die Jünger
nach Galiläa gewiesen, um dort den Auferstandenen zu
sehen (Matth.); hierauf aber, als die Erzählungen von ju-
däischen Erscheinungen Jesu die galiläischen verdrängt
hatten, habe man das Galiläa in der Engelrede dahin um-
gestellt, daſs es nun hieſs, schon in Galiläa habe Jesus sei-
ne Auferstehung vorhergesagt (Lukas); worauf dann Mar-
kus vermittelnd eingetreten zu sein scheint, indem er mit

11) Wesswegen Michaelis, S. 118 f., auch bei Matthäus εῖπεν
für die ursprüngliche Lesart hält.
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[617/0636] Viertes Kapitel. §. 134. Jesu frühere Vorhersagung durch εἶπεν passender, und darauf könnte man die Vermuthung begründen, daſs hier vielleicht Markus das Richtige und Ursprüngliche, Mat- thäus aber ein nicht ohne Miſsverständniſs Abgeleitetes ha- be 11). Ziehen wir nun aber auch den Bericht des Lukas in die Vergleichung herein: so wird auch hier, wie bei Markus, durch ein μνήσϑητε, ὡς ἐλάλησεν ὑμῖν ἔτι ὢν ἐν τῇ Γαλιλαίᾳ, λέγων κ. τ. λ. auf eine frühere Vorhersage Jesu zurückgewiesen, aber nicht auf eine nach Galiläa weisende, sondern auf eine in Galiläa gegebene. Hier fragt sich: ist es wahrscheinlicher, daſs das ursprünglich zur Bestimmung des Lokals, in welchem die Weissagung der Auferstehung gegeben wurde, hinzugesezte Galiläa später irrig als Bestimmung desjenigen Lokals, wo der Aufer- standene erscheinen wollte, umgedeutet worden ist, oder umgekehrt? Dieſs muſs sich darnach entscheiden, in wel- cher von beiden Stellungen die Erwähnung Galiläa's inni- ger in den Zusammenhang paſst. Daſs nun bei Verkün- digung der Auferstehung Alles darauf ankam, ob und wo der Auferstandene zu sehen sei, erhellt von selbst; weni- ger lag, wenn auf eine frühere Weissagung zurückgewie- sen werden sollte, daran, wo diese gegeben worden war. Hienach könnte man schon von dieser Vergleichung der Stellen aus es wahrscheinlicher finden, daſs es ursprüng- lich geheiſsen haben möge, der Engel habe die Jünger nach Galiläa gewiesen, um dort den Auferstandenen zu sehen (Matth.); hierauf aber, als die Erzählungen von ju- däischen Erscheinungen Jesu die galiläischen verdrängt hatten, habe man das Galiläa in der Engelrede dahin um- gestellt, daſs es nun hieſs, schon in Galiläa habe Jesus sei- ne Auferstehung vorhergesagt (Lukas); worauf dann Mar- kus vermittelnd eingetreten zu sein scheint, indem er mit 11) Wesswegen Michaelis, S. 118 f., auch bei Matthäus εῖπεν für die ursprüngliche Lesart hält.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/636>, abgerufen am 22.11.2024.