Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. punkt der N. T.lichen Schriftsteller ein Widerspruch war,so giebt uns die Scheue vor einem solchen kein Recht, je- ner Deutung, sofern sie als die textgemässe sich zeigen sollte, uns zu entziehen. Hier könnte man nun allerdings das ton thuron kekleismenon zunächst lediglich als Bezeich- nung des ängstlichen Zustandes fassen, in welchen die Jünger durch die Hinrichtung Jesu versezt waren. Doch, schon dass diese Notiz bei der Erscheinung Jesu vor Tho- mas wiederholt ist, erregt Bedenken, da, wenn durch die- selbe weiter nichts, als das Angegebene, gesagt sein soll, es sich kaum verlohnte, sie zu wiederholen 11). Wenn nun bei diesem zweiten Fall jener Grund, warum die Thü- ren verschlossen waren, weggelassen, dagegen mit dem ton thuron kekleismenon das erkhetai unmittelbar verbunden ist: so wird der Schein zur Wahrscheinlichkeit, dass durch jene Notiz zugleich die Art des Kommens Jesu näher be- stimmt werden solle 12). Ist ferner mit der wiederhol- ten Angabe, Jesus sei bei verschlossenen Thüren gekom- men, wiederholt das ese eis to meson verbunden, was, auch in Verbindung mit elthen, wozu es sich als nähere Bestimmung verhält, immer ein plözliches Dastehen Jesu, ohne dass man ihn hatte kommen sehen, ausdrückt: so er- hellt aus diesen Zügen zusammen unleugbar wenigstens so viel, dass hier von einem Kommen ohne die gewöhnli- chen Vermittlungen, mithin von einem wunderbaren, die Rede ist. Dass aber dieses Wunder nicht in einem Drin- gen durch die Dielen der Thüre bestanden habe, dafür berufen sich auch die Wunderfreunde unter den Auslegern sehr zuversichtlich darauf, dass es ja nirgends heisse, er sei dia ton thuron kekleismenon hereingekommen 13). Al- lein das wollen die Evangelisten auch gar nicht bestimmen, 11) s. Tholuck, z. d. St. 12) Vgl. Olshausen, 2, S. 531. Anm. 13) So, ausser Calvin, Lücke, a. a. O.; Olshausen, 530 f.
Dritter Abschnitt. punkt der N. T.lichen Schriftsteller ein Widerspruch war,so giebt uns die Scheue vor einem solchen kein Recht, je- ner Deutung, sofern sie als die textgemäſse sich zeigen sollte, uns zu entziehen. Hier könnte man nun allerdings das τῶν ϑυρῶν κεκλεισμένων zunächst lediglich als Bezeich- nung des ängstlichen Zustandes fassen, in welchen die Jünger durch die Hinrichtung Jesu versezt waren. Doch, schon daſs diese Notiz bei der Erscheinung Jesu vor Tho- mas wiederholt ist, erregt Bedenken, da, wenn durch die- selbe weiter nichts, als das Angegebene, gesagt sein soll, es sich kaum verlohnte, sie zu wiederholen 11). Wenn nun bei diesem zweiten Fall jener Grund, warum die Thü- ren verschlossen waren, weggelassen, dagegen mit dem τῶν ϑυρῶν κεκλεισμένων das ἐρχεται unmittelbar verbunden ist: so wird der Schein zur Wahrscheinlichkeit, daſs durch jene Notiz zugleich die Art des Kommens Jesu näher be- stimmt werden solle 12). Ist ferner mit der wiederhol- ten Angabe, Jesus sei bei verschlossenen Thüren gekom- men, wiederholt das ἔςη εἰς τὸ μέσον verbunden, was, auch in Verbindung mit ἦλϑεν, wozu es sich als nähere Bestimmung verhält, immer ein plözliches Dastehen Jesu, ohne daſs man ihn hatte kommen sehen, ausdrückt: so er- hellt aus diesen Zügen zusammen unleugbar wenigstens so viel, daſs hier von einem Kommen ohne die gewöhnli- chen Vermittlungen, mithin von einem wunderbaren, die Rede ist. Daſs aber dieses Wunder nicht in einem Drin- gen durch die Dielen der Thüre bestanden habe, dafür berufen sich auch die Wunderfreunde unter den Auslegern sehr zuversichtlich darauf, daſs es ja nirgends heiſse, er sei διὰ τῶν ϑυρῶν κεκλεισμένων hereingekommen 13). Al- lein das wollen die Evangelisten auch gar nicht bestimmen, 11) s. Tholuck, z. d. St. 12) Vgl. Olshausen, 2, S. 531. Anm. 13) So, ausser Calvin, Lücke, a. a. O.; Olshausen, 530 f.
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Dritter Abschnitt.
punkt der N. T.lichen Schriftsteller ein Widerspruch war,
so giebt uns die Scheue vor einem solchen kein Recht, je-
ner Deutung, sofern sie als die textgemäſse sich zeigen
sollte, uns zu entziehen. Hier könnte man nun allerdings
das τῶν ϑυρῶν κεκλεισμένων zunächst lediglich als Bezeich-
nung des ängstlichen Zustandes fassen, in welchen die
Jünger durch die Hinrichtung Jesu versezt waren. Doch,
schon daſs diese Notiz bei der Erscheinung Jesu vor Tho-
mas wiederholt ist, erregt Bedenken, da, wenn durch die-
selbe weiter nichts, als das Angegebene, gesagt sein soll,
es sich kaum verlohnte, sie zu wiederholen 11). Wenn
nun bei diesem zweiten Fall jener Grund, warum die Thü-
ren verschlossen waren, weggelassen, dagegen mit dem
τῶν ϑυρῶν κεκλεισμένων das ἐρχεται unmittelbar verbunden
ist: so wird der Schein zur Wahrscheinlichkeit, daſs durch
jene Notiz zugleich die Art des Kommens Jesu näher be-
stimmt werden solle 12). Ist ferner mit der wiederhol-
ten Angabe, Jesus sei bei verschlossenen Thüren gekom-
men, wiederholt das ἔςη εἰς τὸ μέσον verbunden, was,
auch in Verbindung mit ἦλϑεν, wozu es sich als nähere
Bestimmung verhält, immer ein plözliches Dastehen Jesu,
ohne daſs man ihn hatte kommen sehen, ausdrückt: so er-
hellt aus diesen Zügen zusammen unleugbar wenigstens so
viel, daſs hier von einem Kommen ohne die gewöhnli-
chen Vermittlungen, mithin von einem wunderbaren, die
Rede ist. Daſs aber dieses Wunder nicht in einem Drin-
gen durch die Dielen der Thüre bestanden habe, dafür
berufen sich auch die Wunderfreunde unter den Auslegern
sehr zuversichtlich darauf, daſs es ja nirgends heiſse, er
sei διὰ τῶν ϑυρῶν κεκλεισμένων hereingekommen 13). Al-
lein das wollen die Evangelisten auch gar nicht bestimmen,
11) s. Tholuck, z. d. St.
12) Vgl. Olshausen, 2, S. 531. Anm.
13) So, ausser Calvin, Lücke, a. a. O.; Olshausen, 530 f.
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