Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Dritter Abschnitt. fingirt haben 13). Dieser Verdacht ist schon durch dieBemerkung des Origenes niedergeschlagen, dass eine selbst- erfundene Lüge die Jünger unmöglich zu einer so stand- haften Verkündigung der Auferstehung Jesu unter den grössten Gefahren hätte begeistern können 14), und mit Recht bestehen noch jezt die Apologeten darauf, dass der ungeheure Umschwung von der tiefen Niedergeschlagenheit und gänzlichen Hoffnungslosigkeit der Jünger bei dem Tode Jesu zu der Glaubenskraft und Begeisterung, mit welcher sie am folgenden Pfingstfest ihn als Messias verkündigten, sich nicht erklären liesse, wenn nicht in der Zwischen- zeit etwas ganz ausserordentlich Ermuthigendes vorgefal- len wäre, und zwar näher etwas, das sie von der Wie- derbelebung des gekreuzigten Jesus überzeugte 15). Dass aber dieses Überzeugende gerade eine wirkliche Erschei- nung des Auferstandenen, dass es überhaupt ein äusserer Vorgang gewesen sein müsse, ist damit noch keineswegs be- wiesen. Man könnte, wenn man auf supranaturalem Boden bleiben wollte, etwa mit Spinoza eine im Innern der Jün- ger auf wunderbare Weise bewirkte Vision annehmen, welche den Zweck gehabt hätte, ihnen nach ihrer Fas- sungskraft und der Vorstellungsweise ihrer Zeit anschau- lich zu machen, dass Jesus durch sein tugendhaftes Le- ben vom geistigen Tode auferstanden sei, und denen, wel- che seinem Beispiel folgen, eine ähnliche Auferstehung verleihe 16). Um aus dem Zauberkreis des Supranatura- 13) Das 5te Fragment, in Lessing's 4tem Beitrag. Woolston, Disc. 8. 14) a. a. O. 56. 15) Ullmann, was sezt die Stiftung der christlichen Kirche durch einen Gekreuzigten voraus? In s. Studien, 1832, 3, S. 589 f. (Röhr) Briefe über den Rationalismus, S. 28. 236. Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 826 f. Hase, §. 146. 16) Spinoza, a. a. O.:
Apostolos omnes omnino credidisse, quod Dritter Abschnitt. fingirt haben 13). Dieser Verdacht ist schon durch dieBemerkung des Origenes niedergeschlagen, daſs eine selbst- erfundene Lüge die Jünger unmöglich zu einer so stand- haften Verkündigung der Auferstehung Jesu unter den gröſsten Gefahren hätte begeistern können 14), und mit Recht bestehen noch jezt die Apologeten darauf, daſs der ungeheure Umschwung von der tiefen Niedergeschlagenheit und gänzlichen Hoffnungslosigkeit der Jünger bei dem Tode Jesu zu der Glaubenskraft und Begeisterung, mit welcher sie am folgenden Pfingstfest ihn als Messias verkündigten, sich nicht erklären lieſse, wenn nicht in der Zwischen- zeit etwas ganz ausserordentlich Ermuthigendes vorgefal- len wäre, und zwar näher etwas, das sie von der Wie- derbelebung des gekreuzigten Jesus überzeugte 15). Daſs aber dieses Überzeugende gerade eine wirkliche Erschei- nung des Auferstandenen, daſs es überhaupt ein äusserer Vorgang gewesen sein müsse, ist damit noch keineswegs be- wiesen. Man könnte, wenn man auf supranaturalem Boden bleiben wollte, etwa mit Spinoza eine im Innern der Jün- ger auf wunderbare Weise bewirkte Vision annehmen, welche den Zweck gehabt hätte, ihnen nach ihrer Fas- sungskraft und der Vorstellungsweise ihrer Zeit anschau- lich zu machen, daſs Jesus durch sein tugendhaftes Le- ben vom geistigen Tode auferstanden sei, und denen, wel- che seinem Beispiel folgen, eine ähnliche Auferstehung verleihe 16). Um aus dem Zauberkreis des Supranatura- 13) Das 5te Fragment, in Lessing's 4tem Beitrag. Woolston, Disc. 8. 14) a. a. O. 56. 15) Ullmann, was sezt die Stiftung der christlichen Kirche durch einen Gekreuzigten voraus? In s. Studien, 1832, 3, S. 589 f. (Röhr) Briefe über den Rationalismus, S. 28. 236. Paulus, ex. Handb. 3, b, S. 826 f. Hase, §. 146. 16) Spinoza, a. a. O.:
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Dritter Abschnitt.
fingirt haben 13). Dieser Verdacht ist schon durch die
Bemerkung des Origenes niedergeschlagen, daſs eine selbst-
erfundene Lüge die Jünger unmöglich zu einer so stand-
haften Verkündigung der Auferstehung Jesu unter den
gröſsten Gefahren hätte begeistern können 14), und mit
Recht bestehen noch jezt die Apologeten darauf, daſs der
ungeheure Umschwung von der tiefen Niedergeschlagenheit
und gänzlichen Hoffnungslosigkeit der Jünger bei dem Tode
Jesu zu der Glaubenskraft und Begeisterung, mit welcher
sie am folgenden Pfingstfest ihn als Messias verkündigten,
sich nicht erklären lieſse, wenn nicht in der Zwischen-
zeit etwas ganz ausserordentlich Ermuthigendes vorgefal-
len wäre, und zwar näher etwas, das sie von der Wie-
derbelebung des gekreuzigten Jesus überzeugte 15). Daſs
aber dieses Überzeugende gerade eine wirkliche Erschei-
nung des Auferstandenen, daſs es überhaupt ein äusserer
Vorgang gewesen sein müsse, ist damit noch keineswegs be-
wiesen. Man könnte, wenn man auf supranaturalem Boden
bleiben wollte, etwa mit Spinoza eine im Innern der Jün-
ger auf wunderbare Weise bewirkte Vision annehmen,
welche den Zweck gehabt hätte, ihnen nach ihrer Fas-
sungskraft und der Vorstellungsweise ihrer Zeit anschau-
lich zu machen, daſs Jesus durch sein tugendhaftes Le-
ben vom geistigen Tode auferstanden sei, und denen, wel-
che seinem Beispiel folgen, eine ähnliche Auferstehung
verleihe 16). Um aus dem Zauberkreis des Supranatura-
13) Das 5te Fragment, in Lessing's 4tem Beitrag. Woolston,
Disc. 8.
14) a. a. O. 56.
15) Ullmann, was sezt die Stiftung der christlichen Kirche durch
einen Gekreuzigten voraus? In s. Studien, 1832, 3, S. 589 f.
(Röhr) Briefe über den Rationalismus, S. 28. 236. Paulus,
ex. Handb. 3, b, S. 826 f. Hase, §. 146.
16) Spinoza, a. a. O.: Apostolos omnes omnino credidisse, quod
Christus a morte resurrexerit, et ad coelum revera ascende-
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