Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Viertes Kapitel. §. 136. zu werden 23). Hier ist es nun, wo der mit Unrecht zu-rückgesezte Bericht des ersten Evangeliums lösend und be- friedigend eintritt. Auch nach diesem Evangelium erscheint zwar der Auferstandene einmal noch in Jerusalem, aber nur den Weibern, und so sehr bloss auf eine folgende Zu- sammenkunft, und zwar auf überflüssige Weise, vorbereitend, dass schon oben diese Erscheinung bezweifelt, und nur als ei- ne spätere Umgestaltung der Sage von der Engelserscheinung, welche Matthäus neben ihr noch aufnahm, hingestellt wur- de 24). Die Eine Haupterscheinung Jesu nach der Aufer- stehung fällt bei Matthäus nach Galiläa, wohin ein En- gel und Jesus selbst am lezten Abend seines Lebens und am Auferstehungsmorgen auf's Angelegentlichste verweisen, und wohin auch das vierte Evangelium im Nachtrag eine phanerosis des Wiederbelebten verlegt. Dass sich die durch den Schrecken über die Hinrichtung ihres Messias ver- sprengten Jünger in ihre Heimath Galiläa zurückzogen, wo sie nicht, wie in der Hauptstadt Judäa's, dem Siz der Feinde ihres gekreuzigten Christus, nöthig hatten, dia ton phobon ton Ioudaion die Thüren zu verschliessen, war na- türlich; hier war der Ort, wo sie allmählig wieder freier aufathmen, und ihr darniedergeschlagener Glaube an Jesum sich wieder in den ersten Regungen erheben konnte; hier aber auch, wo kein im Grabe nachzuweisen- der Leichnam die kühnen Voraussetzungen widerlegte, konnte sich allmählig die Vorstellung von der Auferstehung Jesu bilden, und bis diese Überzeugung den Muth und die Begeisterung seiner Anhänger so weit gehoben hatte, dass sie es wagten, in der Hauptstadt mit derselben aufzutre- ten, war es nicht mehr möglich, durch den Leichnam Je- su sich selbst zu überführen, oder von Andern überführt zu werden. 23) Vgl. Friedrich, in Eichhorn's Bibliothek, 7, S. 223. 24) Vgl. Schmidt's Bibl. 2, S. 548.
Viertes Kapitel. §. 136. zu werden 23). Hier ist es nun, wo der mit Unrecht zu-rückgesezte Bericht des ersten Evangeliums lösend und be- friedigend eintritt. Auch nach diesem Evangelium erscheint zwar der Auferstandene einmal noch in Jerusalem, aber nur den Weibern, und so sehr bloſs auf eine folgende Zu- sammenkunft, und zwar auf überflüssige Weise, vorbereitend, daſs schon oben diese Erscheinung bezweifelt, und nur als ei- ne spätere Umgestaltung der Sage von der Engelserscheinung, welche Matthäus neben ihr noch aufnahm, hingestellt wur- de 24). Die Eine Haupterscheinung Jesu nach der Aufer- stehung fällt bei Matthäus nach Galiläa, wohin ein En- gel und Jesus selbst am lezten Abend seines Lebens und am Auferstehungsmorgen auf's Angelegentlichste verweisen, und wohin auch das vierte Evangelium im Nachtrag eine φανέρωσις des Wiederbelebten verlegt. Daſs sich die durch den Schrecken über die Hinrichtung ihres Messias ver- sprengten Jünger in ihre Heimath Galiläa zurückzogen, wo sie nicht, wie in der Hauptstadt Judäa's, dem Siz der Feinde ihres gekreuzigten Christus, nöthig hatten, διὰ τὸν φόβον τῶν Ἰουδαίων die Thüren zu verschlieſsen, war na- türlich; hier war der Ort, wo sie allmählig wieder freier aufathmen, und ihr darniedergeschlagener Glaube an Jesum sich wieder in den ersten Regungen erheben konnte; hier aber auch, wo kein im Grabe nachzuweisen- der Leichnam die kühnen Voraussetzungen widerlegte, konnte sich allmählig die Vorstellung von der Auferstehung Jesu bilden, und bis diese Überzeugung den Muth und die Begeisterung seiner Anhänger so weit gehoben hatte, daſs sie es wagten, in der Hauptstadt mit derselben aufzutre- ten, war es nicht mehr möglich, durch den Leichnam Je- su sich selbst zu überführen, oder von Andern überführt zu werden. 23) Vgl. Friedrich, in Eichhorn's Bibliothek, 7, S. 223. 24) Vgl. Schmidt's Bibl. 2, S. 548.
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Viertes Kapitel. §. 136.
zu werden 23). Hier ist es nun, wo der mit Unrecht zu-
rückgesezte Bericht des ersten Evangeliums lösend und be-
friedigend eintritt. Auch nach diesem Evangelium erscheint
zwar der Auferstandene einmal noch in Jerusalem, aber
nur den Weibern, und so sehr bloſs auf eine folgende Zu-
sammenkunft, und zwar auf überflüssige Weise, vorbereitend,
daſs schon oben diese Erscheinung bezweifelt, und nur als ei-
ne spätere Umgestaltung der Sage von der Engelserscheinung,
welche Matthäus neben ihr noch aufnahm, hingestellt wur-
de 24). Die Eine Haupterscheinung Jesu nach der Aufer-
stehung fällt bei Matthäus nach Galiläa, wohin ein En-
gel und Jesus selbst am lezten Abend seines Lebens und
am Auferstehungsmorgen auf's Angelegentlichste verweisen,
und wohin auch das vierte Evangelium im Nachtrag eine
φανέρωσις des Wiederbelebten verlegt. Daſs sich die durch
den Schrecken über die Hinrichtung ihres Messias ver-
sprengten Jünger in ihre Heimath Galiläa zurückzogen,
wo sie nicht, wie in der Hauptstadt Judäa's, dem Siz der
Feinde ihres gekreuzigten Christus, nöthig hatten, διὰ τὸν
φόβον τῶν Ἰουδαίων die Thüren zu verschlieſsen, war na-
türlich; hier war der Ort, wo sie allmählig wieder
freier aufathmen, und ihr darniedergeschlagener Glaube
an Jesum sich wieder in den ersten Regungen erheben
konnte; hier aber auch, wo kein im Grabe nachzuweisen-
der Leichnam die kühnen Voraussetzungen widerlegte,
konnte sich allmählig die Vorstellung von der Auferstehung
Jesu bilden, und bis diese Überzeugung den Muth und die
Begeisterung seiner Anhänger so weit gehoben hatte, daſs
sie es wagten, in der Hauptstadt mit derselben aufzutre-
ten, war es nicht mehr möglich, durch den Leichnam Je-
su sich selbst zu überführen, oder von Andern überführt
zu werden.
23) Vgl. Friedrich, in Eichhorn's Bibliothek, 7, S. 223.
24) Vgl. Schmidt's Bibl. 2, S. 548.
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