Was die Schilderung des Vorgangs selber betrifft, so könnte man das Schweigen des Markus und Lukas im Evangelium von Wolke und Engeln lediglich der Kürze ih- rer Erzählungen zuschreiben wollen; doch da Lukas am Schlusse seines Evangeliums das Verhalten der Jünger, wie sie dem in den Himmel entrückten Jesus fussfällige Vereh- rung gebracht und mit grosser Freude sich nach der Stadt zurückbegeben haben, umständlich genug erzählt: so wür- de er ohne Zweifel die ihnen durch Engel zu Theil ge- wordne Kunde als nächsten Grund ihrer Freude bemerk- lich gemacht haben, wenn er schon bei Abfassung seiner ersten Schrift etwas von derselben gewusst hätte, welche sich hiernach vielmehr allmählig in der Überlieferung aus- gebildet zu haben scheint, um auch diesem lezten Punkt des Lebens Jesu seine Ehre anzuthun, und das unzuläng- liche menschliche Zeugniss über seine Erhebung in den Himmel durch zweier himmlischen Zeugen Mund bekräf- tigt werden zu lassen. Endlich auch in der Angabe über die Rückkehr der Jünger und was sie nach derselben vor- genommen, findet eine Discrepanz der Berichte statt. Un- gerechnet nämlich, dass man nach dem Schlusse des Mar- kus: ekeinoi de exelthontes ekeruxan k. t. l., glauben könnte, die Jünger seien unmittelbar von dem Schauspiel der Himmelfahrt zur Verkündigung in alle Welt ausgegangen, was doch vielleicht nur ein Schein ist, der aus der Kürze und Abgebrochenheit des Schlusses am zweiten Evange- lium entsteht: bestimmt Lukas den Aufenthalt der Jünger von der Himmelfahrt bis zum Pfingstfest in seinen beiden Schriften auf verschiedene Weise. Nach dem Schluss des Evangeliums nämlich waren die zurückgekehrten Jünger diapantos en to iero, ainountes kai eulogountes ton theon: nach dem Eingang der A. G. dagegen anebesan eis upe- roonouesan katamenontes. Diese Abweichung könnte man durch die Bemerkung ausgleichen wollen, dass ja der Aufenthalt im Tempel den im oberen Stockwerk eines
Dritter Abschnitt.
Was die Schilderung des Vorgangs selber betrifft, so könnte man das Schweigen des Markus und Lukas im Evangelium von Wolke und Engeln lediglich der Kürze ih- rer Erzählungen zuschreiben wollen; doch da Lukas am Schlusse seines Evangeliums das Verhalten der Jünger, wie sie dem in den Himmel entrückten Jesus fuſsfällige Vereh- rung gebracht und mit groſser Freude sich nach der Stadt zurückbegeben haben, umständlich genug erzählt: so wür- de er ohne Zweifel die ihnen durch Engel zu Theil ge- wordne Kunde als nächsten Grund ihrer Freude bemerk- lich gemacht haben, wenn er schon bei Abfassung seiner ersten Schrift etwas von derselben gewuſst hätte, welche sich hiernach vielmehr allmählig in der Überlieferung aus- gebildet zu haben scheint, um auch diesem lezten Punkt des Lebens Jesu seine Ehre anzuthun, und das unzuläng- liche menschliche Zeugniſs über seine Erhebung in den Himmel durch zweier himmlischen Zeugen Mund bekräf- tigt werden zu lassen. Endlich auch in der Angabe über die Rückkehr der Jünger und was sie nach derselben vor- genommen, findet eine Discrepanz der Berichte statt. Un- gerechnet nämlich, daſs man nach dem Schlusse des Mar- kus: ἐκεῖνοι δὲ ἐξελϑόντες ἐκήρυξαν κ. τ. λ., glauben könnte, die Jünger seien unmittelbar von dem Schauspiel der Himmelfahrt zur Verkündigung in alle Welt ausgegangen, was doch vielleicht nur ein Schein ist, der aus der Kürze und Abgebrochenheit des Schlusses am zweiten Evange- lium entsteht: bestimmt Lukas den Aufenthalt der Jünger von der Himmelfahrt bis zum Pfingstfest in seinen beiden Schriften auf verschiedene Weise. Nach dem Schluſs des Evangeliums nämlich waren die zurückgekehrten Jünger διαπαντὸς ἐν τῷ ἱερῷ, αἰνοῦντες καὶ εὐλογοῦντες τὸν ϑεὸν: nach dem Eingang der A. G. dagegen ἀνέβησαν εἰς ὑπε- ρῷονοὖἦσαν καταμένοντες. Diese Abweichung könnte man durch die Bemerkung ausgleichen wollen, daſs ja der Aufenthalt im Tempel den im oberen Stockwerk eines
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[682/0701]
Dritter Abschnitt.
Was die Schilderung des Vorgangs selber betrifft, so
könnte man das Schweigen des Markus und Lukas im
Evangelium von Wolke und Engeln lediglich der Kürze ih-
rer Erzählungen zuschreiben wollen; doch da Lukas am
Schlusse seines Evangeliums das Verhalten der Jünger,
wie sie dem in den Himmel entrückten Jesus fuſsfällige Vereh-
rung gebracht und mit groſser Freude sich nach der Stadt
zurückbegeben haben, umständlich genug erzählt: so wür-
de er ohne Zweifel die ihnen durch Engel zu Theil ge-
wordne Kunde als nächsten Grund ihrer Freude bemerk-
lich gemacht haben, wenn er schon bei Abfassung seiner
ersten Schrift etwas von derselben gewuſst hätte, welche
sich hiernach vielmehr allmählig in der Überlieferung aus-
gebildet zu haben scheint, um auch diesem lezten Punkt
des Lebens Jesu seine Ehre anzuthun, und das unzuläng-
liche menschliche Zeugniſs über seine Erhebung in den
Himmel durch zweier himmlischen Zeugen Mund bekräf-
tigt werden zu lassen. Endlich auch in der Angabe über
die Rückkehr der Jünger und was sie nach derselben vor-
genommen, findet eine Discrepanz der Berichte statt. Un-
gerechnet nämlich, daſs man nach dem Schlusse des Mar-
kus: ἐκεῖνοι δὲ ἐξελϑόντες ἐκήρυξαν κ. τ. λ., glauben könnte,
die Jünger seien unmittelbar von dem Schauspiel der
Himmelfahrt zur Verkündigung in alle Welt ausgegangen,
was doch vielleicht nur ein Schein ist, der aus der Kürze
und Abgebrochenheit des Schlusses am zweiten Evange-
lium entsteht: bestimmt Lukas den Aufenthalt der Jünger
von der Himmelfahrt bis zum Pfingstfest in seinen beiden
Schriften auf verschiedene Weise. Nach dem Schluſs des
Evangeliums nämlich waren die zurückgekehrten Jünger
διαπαντὸς ἐν τῷ ἱερῷ, αἰνοῦντες καὶ εὐλογοῦντες τὸν ϑεὸν:
nach dem Eingang der A. G. dagegen ἀνέβησαν εἰς ὑπε-
ρῷονοὖἦσαν καταμένοντες. Diese Abweichung könnte man
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 682. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/701>, abgerufen am 22.11.2024.
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