Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Fünftes Kapitel. §. 139. vorzustellen, daher lässt sie Lukas im Freien vor sich ge-hen. Die Differenz in der Ortsangabe, dass er im Evan- gelium Jesum mit den Jüngern eos eis Bethanian hinausge- hen lässt, in den Akten aber die Scene auf das oros to kaloumenon elaiona verlegt, kann dem Lukas nicht als Wi- derspruch angerechnet werden, da Bethanien am Ölberg lag; wohl aber die bedeutende Abweichung in der Zeit- angabe, dass in seinem Evangelium, wie bei Markus, es den Anschein hat, als wäre die Himmelfahrt noch am nämlichen Tag mit der Auferstehung erfolgt: wogegen in der A. G. ausdrücklich bemerkt ist, dass beide Erfolge durch eine Frist von 40 Tagen getrennt gewesen. Es ist schon angemerkt worden, dass die leztere Zeitbestimmung dem Lukas in der Zwischenzeit zwischen der Abfassung des Evangeliums und der A. G. zugekommen sein muss. Von je mehreren Erscheinungen des Auferstandenen man sich erzählte, und an je verschiedenere Orte man sie ver- legte, desto weniger reichte fernerhin die kurze Frist ei- nes Tags für den irdischen Wandel des Auferstandenen zu; dass aber die nothwendig gewordene längere Zeit ge- rade auf 40 Tage festgesezt wurde, hatte in der Rolle sei- nen Grund, welche bekanntlich diese Zahl in der jüdi- schen und bereits auch in der christlichen Sage spielte. Wie das Volk Israel 40 Jahre in der Wüste, Moses 40 Tage auf dem Sinai gewesen war, er und Elias 40 Tage gefastet, und Jesus selbst vor der Versuchung so lange in der Wüste ohne Nahrung sich aufgehalten hatte, wie alle diese geheimnissvollen Mittelzustände und Durchgangs- perioden durch die Zahl 40 bestimmt waren: so bot sie sich ganz besonders auch zur Bestimmung der mysteriösen Zwischenzeit zwischen Jesu Auferstehung und Himmelfahrt dar 14). 14) Die Rücksicht auf eine Danielische Rechnung bei Paulus,
ex. Handb. 3, b, S. 923. scheint mir zu künstlich. Fünftes Kapitel. §. 139. vorzustellen, daher läſst sie Lukas im Freien vor sich ge-hen. Die Differenz in der Ortsangabe, daſs er im Evan- gelium Jesum mit den Jüngern ἕως εἰς Βηϑανίαν hinausge- hen läſst, in den Akten aber die Scene auf das ὄρος τὸ καλου̍μενον ἐλαιῶνα verlegt, kann dem Lukas nicht als Wi- derspruch angerechnet werden, da Bethanien am Ölberg lag; wohl aber die bedeutende Abweichung in der Zeit- angabe, daſs in seinem Evangelium, wie bei Markus, es den Anschein hat, als wäre die Himmelfahrt noch am nämlichen Tag mit der Auferstehung erfolgt: wogegen in der A. G. ausdrücklich bemerkt ist, daſs beide Erfolge durch eine Frist von 40 Tagen getrennt gewesen. Es ist schon angemerkt worden, daſs die leztere Zeitbestimmung dem Lukas in der Zwischenzeit zwischen der Abfassung des Evangeliums und der A. G. zugekommen sein muſs. Von je mehreren Erscheinungen des Auferstandenen man sich erzählte, und an je verschiedenere Orte man sie ver- legte, desto weniger reichte fernerhin die kurze Frist ei- nes Tags für den irdischen Wandel des Auferstandenen zu; daſs aber die nothwendig gewordene längere Zeit ge- rade auf 40 Tage festgesezt wurde, hatte in der Rolle sei- nen Grund, welche bekanntlich diese Zahl in der jüdi- schen und bereits auch in der christlichen Sage spielte. Wie das Volk Israël 40 Jahre in der Wüste, Moses 40 Tage auf dem Sinai gewesen war, er und Elias 40 Tage gefastet, und Jesus selbst vor der Versuchung so lange in der Wüste ohne Nahrung sich aufgehalten hatte, wie alle diese geheimniſsvollen Mittelzustände und Durchgangs- perioden durch die Zahl 40 bestimmt waren: so bot sie sich ganz besonders auch zur Bestimmung der mysteriösen Zwischenzeit zwischen Jesu Auferstehung und Himmelfahrt dar 14). 14) Die Rücksicht auf eine Danielische Rechnung bei Paulus,
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Fünftes Kapitel. §. 139.
vorzustellen, daher läſst sie Lukas im Freien vor sich ge-
hen. Die Differenz in der Ortsangabe, daſs er im Evan-
gelium Jesum mit den Jüngern ἕως εἰς Βηϑανίαν hinausge-
hen läſst, in den Akten aber die Scene auf das ὄρος τὸ
καλου̍μενον ἐλαιῶνα verlegt, kann dem Lukas nicht als Wi-
derspruch angerechnet werden, da Bethanien am Ölberg
lag; wohl aber die bedeutende Abweichung in der Zeit-
angabe, daſs in seinem Evangelium, wie bei Markus, es
den Anschein hat, als wäre die Himmelfahrt noch am
nämlichen Tag mit der Auferstehung erfolgt: wogegen in
der A. G. ausdrücklich bemerkt ist, daſs beide Erfolge
durch eine Frist von 40 Tagen getrennt gewesen. Es ist
schon angemerkt worden, daſs die leztere Zeitbestimmung
dem Lukas in der Zwischenzeit zwischen der Abfassung
des Evangeliums und der A. G. zugekommen sein muſs.
Von je mehreren Erscheinungen des Auferstandenen man
sich erzählte, und an je verschiedenere Orte man sie ver-
legte, desto weniger reichte fernerhin die kurze Frist ei-
nes Tags für den irdischen Wandel des Auferstandenen
zu; daſs aber die nothwendig gewordene längere Zeit ge-
rade auf 40 Tage festgesezt wurde, hatte in der Rolle sei-
nen Grund, welche bekanntlich diese Zahl in der jüdi-
schen und bereits auch in der christlichen Sage spielte.
Wie das Volk Israël 40 Jahre in der Wüste, Moses 40
Tage auf dem Sinai gewesen war, er und Elias 40 Tage
gefastet, und Jesus selbst vor der Versuchung so lange in
der Wüste ohne Nahrung sich aufgehalten hatte, wie
alle diese geheimniſsvollen Mittelzustände und Durchgangs-
perioden durch die Zahl 40 bestimmt waren: so bot sie
sich ganz besonders auch zur Bestimmung der mysteriösen
Zwischenzeit zwischen Jesu Auferstehung und Himmelfahrt
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14) Die Rücksicht auf eine Danielische Rechnung bei Paulus,
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