Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Schlussabhandlung. §. 141. der lutherischen Kirche über, und wurde von den Theo-logen derselben noch künstlicher ausgebildet 18). Die Per- son Christi betreffend wurde an der Vereinigung der gött- lichen und menschlichen Natur in Einer Person festgehal- ten: im Akte derselben, der unitio personalis, welche mit der Empfängniss zusammenfiel, war es die göttliche Natur des Sohnes Gottes, welche die menschliche zur Einheit ih- rer Persönlichkeit aufnahm; der Zustand des Vereinigt- seins, die unio personalis, sollte weder eine wesentliche, noch auch eine bloss accidentelle, auch keine mystische, oder moralische, am wenigsten eine nur verbale, sondern eine reale und übernatürliche, ihrer Dauer nach aber eine ewige Vereinigung sein. Vermöge dieser Verbindung mit der göttlichen kommen der menschlichen Natur gewisse eigenthümliche Vorzüge zu, namentlich, was zunächst als Mangel erscheint, für sich unpersönlich zu sein, und nur in der Vereinigung mit der göttlichen Natur Persönlich- keit zu haben; ferner Sündlosigkeit, und die Möglichkeit, nicht zu sterben. Doch ausser diesen eigenthümlichen, hat die menschliche Natur Christi in ihrer Vereinigung mit der göttlichen auch gewisse von dieser geliehene Vor- züge. Das Verhältniss der beiden Naturen ist nämlich nicht ein todtes und äusserliches, sondern eine gegenseiti- ge Durchdringung, perikhoresis, nicht die Verbindung zweier zusammengeleimten Bretter, sondern wie von Feuer und Metall im glühenden Eisen, oder wie im Menschen von Leib und Seele. Diese communio naturarum äussert sich als communicatio idiomatum, kraft welcher die mensch- liche Natur an den Vorzügen der göttlichen, die göttliche 18) vgl. Form. Concord., Epit. und sol. decl. VIII. p. 605 ff. und
761 ff. ed. Hase. Chemniz, de duabus naturis in Christo li- bellus, und loci theol., loc. 2, de filio. Gerhard, II. th. 1, p. 640 ff. (ed. 1615.). Quenstedt, theol. didact. pol. P. 3. c. 3. Vgl. de Wette, bibl. Dogm. §. 64 ff. Schluſsabhandlung. §. 141. der lutherischen Kirche über, und wurde von den Theo-logen derselben noch künstlicher ausgebildet 18). Die Per- son Christi betreffend wurde an der Vereinigung der gött- lichen und menschlichen Natur in Einer Person festgehal- ten: im Akte derselben, der unitio personalis, welche mit der Empfängniſs zusammenfiel, war es die göttliche Natur des Sohnes Gottes, welche die menschliche zur Einheit ih- rer Persönlichkeit aufnahm; der Zustand des Vereinigt- seins, die unio personalis, sollte weder eine wesentliche, noch auch eine bloſs accidentelle, auch keine mystische, oder moralische, am wenigsten eine nur verbale, sondern eine reale und übernatürliche, ihrer Dauer nach aber eine ewige Vereinigung sein. Vermöge dieser Verbindung mit der göttlichen kommen der menschlichen Natur gewisse eigenthümliche Vorzüge zu, namentlich, was zunächst als Mangel erscheint, für sich unpersönlich zu sein, und nur in der Vereinigung mit der göttlichen Natur Persönlich- keit zu haben; ferner Sündlosigkeit, und die Möglichkeit, nicht zu sterben. Doch ausser diesen eigenthümlichen, hat die menschliche Natur Christi in ihrer Vereinigung mit der göttlichen auch gewisse von dieser geliehene Vor- züge. Das Verhältniſs der beiden Naturen ist nämlich nicht ein todtes und äusserliches, sondern eine gegenseiti- ge Durchdringung, περιχώρησις, nicht die Verbindung zweier zusammengeleimten Bretter, sondern wie von Feuer und Metall im glühenden Eisen, oder wie im Menschen von Leib und Seele. Diese communio naturarum äussert sich als communicatio idiomatum, kraft welcher die mensch- liche Natur an den Vorzügen der göttlichen, die göttliche 18) vgl. Form. Concord., Epit. und sol. decl. VIII. p. 605 ff. und
761 ff. ed. Hase. Chemniz, de duabus naturis in Christo li- bellus, und loci theol., loc. 2, de filio. Gerhard, II. th. 1, p. 640 ff. (ed. 1615.). Quenstedt, theol. didact. pol. P. 3. c. 3. Vgl. de Wette, bibl. Dogm. §. 64 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0718" n="699"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Schluſsabhandlung</hi>. §. 141.</fw><lb/> der lutherischen Kirche über, und wurde von den Theo-<lb/> logen derselben noch künstlicher ausgebildet <note place="foot" n="18)">vgl. Form. Concord., Epit. und sol. decl. VIII. p. 605 ff. und<lb/> 761 ff. ed. <hi rendition="#k">Hase. Chemniz</hi>, de duabus naturis in Christo li-<lb/> bellus, und loci theol., loc. 2, de filio. <hi rendition="#k">Gerhard</hi>, II. th. 1,<lb/> p. 640 ff. (ed. 1615.). <hi rendition="#k">Quenstedt</hi>, theol. didact. pol. P. 3.<lb/> c. 3. Vgl. <hi rendition="#k">de Wette</hi>, bibl. Dogm. §. 64 ff.</note>. Die Per-<lb/> son Christi betreffend wurde an der Vereinigung der gött-<lb/> lichen und menschlichen Natur in Einer Person festgehal-<lb/> ten: im Akte derselben, der <hi rendition="#i">unitio personalis</hi>, welche mit<lb/> der Empfängniſs zusammenfiel, war es die göttliche Natur<lb/> des Sohnes Gottes, welche die menschliche zur Einheit ih-<lb/> rer Persönlichkeit aufnahm; der Zustand des Vereinigt-<lb/> seins, die <hi rendition="#i">unio personalis</hi>, sollte weder eine wesentliche,<lb/> noch auch eine bloſs accidentelle, auch keine mystische,<lb/> oder moralische, am wenigsten eine nur verbale, sondern<lb/> eine reale und übernatürliche, ihrer Dauer nach aber eine<lb/> ewige Vereinigung sein. Vermöge dieser Verbindung mit<lb/> der göttlichen kommen der menschlichen Natur gewisse<lb/> eigenthümliche Vorzüge zu, namentlich, was zunächst als<lb/> Mangel erscheint, für sich unpersönlich zu sein, und nur<lb/> in der Vereinigung mit der göttlichen Natur Persönlich-<lb/> keit zu haben; ferner Sündlosigkeit, und die Möglichkeit,<lb/> nicht zu sterben. Doch ausser diesen eigenthümlichen,<lb/> hat die menschliche Natur Christi in ihrer Vereinigung<lb/> mit der göttlichen auch gewisse von dieser geliehene Vor-<lb/> züge. Das Verhältniſs der beiden Naturen ist nämlich<lb/> nicht ein todtes und äusserliches, sondern eine gegenseiti-<lb/> ge Durchdringung, <foreign xml:lang="ell">περιχώρησις</foreign>, nicht die Verbindung<lb/> zweier zusammengeleimten Bretter, sondern wie von Feuer<lb/> und Metall im glühenden Eisen, oder wie im Menschen<lb/> von Leib und Seele. Diese <hi rendition="#i">communio naturarum</hi> äussert<lb/> sich als <hi rendition="#i">communicatio idiomatum</hi>, kraft welcher die mensch-<lb/> liche Natur an den Vorzügen der göttlichen, die göttliche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [699/0718]
Schluſsabhandlung. §. 141.
der lutherischen Kirche über, und wurde von den Theo-
logen derselben noch künstlicher ausgebildet 18). Die Per-
son Christi betreffend wurde an der Vereinigung der gött-
lichen und menschlichen Natur in Einer Person festgehal-
ten: im Akte derselben, der unitio personalis, welche mit
der Empfängniſs zusammenfiel, war es die göttliche Natur
des Sohnes Gottes, welche die menschliche zur Einheit ih-
rer Persönlichkeit aufnahm; der Zustand des Vereinigt-
seins, die unio personalis, sollte weder eine wesentliche,
noch auch eine bloſs accidentelle, auch keine mystische,
oder moralische, am wenigsten eine nur verbale, sondern
eine reale und übernatürliche, ihrer Dauer nach aber eine
ewige Vereinigung sein. Vermöge dieser Verbindung mit
der göttlichen kommen der menschlichen Natur gewisse
eigenthümliche Vorzüge zu, namentlich, was zunächst als
Mangel erscheint, für sich unpersönlich zu sein, und nur
in der Vereinigung mit der göttlichen Natur Persönlich-
keit zu haben; ferner Sündlosigkeit, und die Möglichkeit,
nicht zu sterben. Doch ausser diesen eigenthümlichen,
hat die menschliche Natur Christi in ihrer Vereinigung
mit der göttlichen auch gewisse von dieser geliehene Vor-
züge. Das Verhältniſs der beiden Naturen ist nämlich
nicht ein todtes und äusserliches, sondern eine gegenseiti-
ge Durchdringung, περιχώρησις, nicht die Verbindung
zweier zusammengeleimten Bretter, sondern wie von Feuer
und Metall im glühenden Eisen, oder wie im Menschen
von Leib und Seele. Diese communio naturarum äussert
sich als communicatio idiomatum, kraft welcher die mensch-
liche Natur an den Vorzügen der göttlichen, die göttliche
18) vgl. Form. Concord., Epit. und sol. decl. VIII. p. 605 ff. und
761 ff. ed. Hase. Chemniz, de duabus naturis in Christo li-
bellus, und loci theol., loc. 2, de filio. Gerhard, II. th. 1,
p. 640 ff. (ed. 1615.). Quenstedt, theol. didact. pol. P. 3.
c. 3. Vgl. de Wette, bibl. Dogm. §. 64 ff.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |