an den die Erlösung betreffenden Thätigkeiten der mensch- lichen Theil nimmt. Dieses Verhältniss spricht sich in den propositionibus personalibus und idiomaticis aus; jenes Sätze, in welchen das Concretum der einen Natur, d. h. die eine Natur, sofern sie in der Person Christi be- griffen ist, von dem der andern prädicirt wird, wie 1 Kor. 15, 47: der zweite Adam ist der Sohn des Höchsten; die- ses Sätze, in welchen theils Bestimmungen der einen oder andern Natur auf die ganze Person (genus idiomaticum), theils Thätigkeiten der ganzen Person auf die eine oder andere Natur (genus apotelesmaticum), theils endlich Attribute der einen Natur auf die andre übergetragen wer- den, was aber nur von der göttlichen auf die menschliche, nicht umgekehrt, möglich ist (genus auchematicum).
In der Bewegung seiner Person mit ihren zwei Na- turen durch die verschiedenen Momente des Erlösungs- werks hat Christus nach dem an Phil. 2, 6 ff. anschliessen- den Ausdruck der Dogmatiker einen zweifachen Zustand, statum exinanitionis und exaltationis, durchlaufen. So- fern seine menschliche Natur in ihrer Vereinigung mit der göttlichen gleich bei der Empfängniss in den Mitbesiz gött- licher Eigenschaften kam, aber von diesen während seines Erdenlebens keinen zusammenhängenden Gebrauch mach- te, so wird dieses irdische Leben Jesu bis zum Tod und Begräbniss als ein Stand der Erniedrigung mit verschie- denen Stationen betrachtet, wogegen mit der Auferstehung, oder schon mit der Höllenfahrt, der Stand der Erhöhung eintrat, welcher mit der sessio ad dextram patris seine Vollendung erreichte.
Was das Werk Christi betrifft, so schreibt ihm die Dogmatik unsrer Kirche ein dreifaches Amt zu. Als Pro- phet hat er die höchste Wahrheit, den göttlichen Erlösungs- rathschluss, unter Bekräftigung durch Wunder, der Mensch- heit geoffenbart, und ist für deren Verkündigung noch immer besorgt; als Hoherpriester hat er theils in seinem
Schluſsabhandlung. §. 141.
an den die Erlösung betreffenden Thätigkeiten der mensch- lichen Theil nimmt. Dieses Verhältniſs spricht sich in den propositionibus personalibus und idiomaticis aus; jenes Sätze, in welchen das Concretum der einen Natur, d. h. die eine Natur, sofern sie in der Person Christi be- griffen ist, von dem der andern prädicirt wird, wie 1 Kor. 15, 47: der zweite Adam ist der Sohn des Höchsten; die- ses Sätze, in welchen theils Bestimmungen der einen oder andern Natur auf die ganze Person (genus idiomaticum), theils Thätigkeiten der ganzen Person auf die eine oder andere Natur (genus apotelesmaticum), theils endlich Attribute der einen Natur auf die andre übergetragen wer- den, was aber nur von der göttlichen auf die menschliche, nicht umgekehrt, möglich ist (genus auchematicum).
In der Bewegung seiner Person mit ihren zwei Na- turen durch die verschiedenen Momente des Erlösungs- werks hat Christus nach dem an Phil. 2, 6 ff. anschlieſsen- den Ausdruck der Dogmatiker einen zweifachen Zustand, statum exinanitionis und exaltationis, durchlaufen. So- fern seine menschliche Natur in ihrer Vereinigung mit der göttlichen gleich bei der Empfängniſs in den Mitbesiz gött- licher Eigenschaften kam, aber von diesen während seines Erdenlebens keinen zusammenhängenden Gebrauch mach- te, so wird dieses irdische Leben Jesu bis zum Tod und Begräbniſs als ein Stand der Erniedrigung mit verschie- denen Stationen betrachtet, wogegen mit der Auferstehung, oder schon mit der Höllenfahrt, der Stand der Erhöhung eintrat, welcher mit der sessio ad dextram patris seine Vollendung erreichte.
Was das Werk Christi betrifft, so schreibt ihm die Dogmatik unsrer Kirche ein dreifaches Amt zu. Als Pro- phet hat er die höchste Wahrheit, den göttlichen Erlösungs- rathschluſs, unter Bekräftigung durch Wunder, der Mensch- heit geoffenbart, und ist für deren Verkündigung noch immer besorgt; als Hoherpriester hat er theils in seinem
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Schluſsabhandlung. §. 141.
an den die Erlösung betreffenden Thätigkeiten der mensch-
lichen Theil nimmt. Dieses Verhältniſs spricht sich in
den propositionibus personalibus und idiomaticis aus;
jenes Sätze, in welchen das Concretum der einen Natur,
d. h. die eine Natur, sofern sie in der Person Christi be-
griffen ist, von dem der andern prädicirt wird, wie 1 Kor.
15, 47: der zweite Adam ist der Sohn des Höchsten; die-
ses Sätze, in welchen theils Bestimmungen der einen oder
andern Natur auf die ganze Person (genus idiomaticum),
theils Thätigkeiten der ganzen Person auf die eine oder
andere Natur (genus apotelesmaticum), theils endlich
Attribute der einen Natur auf die andre übergetragen wer-
den, was aber nur von der göttlichen auf die menschliche,
nicht umgekehrt, möglich ist (genus auchematicum).
In der Bewegung seiner Person mit ihren zwei Na-
turen durch die verschiedenen Momente des Erlösungs-
werks hat Christus nach dem an Phil. 2, 6 ff. anschlieſsen-
den Ausdruck der Dogmatiker einen zweifachen Zustand,
statum exinanitionis und exaltationis, durchlaufen. So-
fern seine menschliche Natur in ihrer Vereinigung mit der
göttlichen gleich bei der Empfängniſs in den Mitbesiz gött-
licher Eigenschaften kam, aber von diesen während seines
Erdenlebens keinen zusammenhängenden Gebrauch mach-
te, so wird dieses irdische Leben Jesu bis zum Tod und
Begräbniſs als ein Stand der Erniedrigung mit verschie-
denen Stationen betrachtet, wogegen mit der Auferstehung,
oder schon mit der Höllenfahrt, der Stand der Erhöhung
eintrat, welcher mit der sessio ad dextram patris seine
Vollendung erreichte.
Was das Werk Christi betrifft, so schreibt ihm die
Dogmatik unsrer Kirche ein dreifaches Amt zu. Als Pro-
phet hat er die höchste Wahrheit, den göttlichen Erlösungs-
rathschluſs, unter Bekräftigung durch Wunder, der Mensch-
heit geoffenbart, und ist für deren Verkündigung noch
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/719>, abgerufen am 22.11.2024.
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