thätige, da er diesen als Mensch für sich selbst schon zu leisten schuldig war 13).
In Betreff des königlichen Amtes Christi trat die Hoffnung auf seine einstige Wiederkunft zum Gericht im Bewusstsein der Gemeinde in dem Maasse zurück, als die Ansicht von einer gleich nach dem Tode jedes Einzelnen vollständig eintretenden Vergeltung erstarkte, wodurch jener allgemeine Gerichtsakt als überflüssig erscheinen musste 14).
§. 143. Die Christologie des Rationalismus.
An die Stelle des kirchlichen Dogma von Christus, seiner Person und seiner Wirksamkeit, welches sie als in sich widersprechendes, nuzloses, ja der wahren morali- schen Religiosität schädliches verwarfen, sezten nun die Rationalisten eine Lehre, welche, mit Vermeidung jener Widersprüche, Jesum doch noch als eine in gewissem Sinne göttliche Erscheinung festhalten, ja, recht erwogen, ihn weit erhabener hinstellen, und dabei die kräftigsten Antriebe zu praktischer Frömmigkeit enthalten sollte 1).
Ein göttlicher Gesandter, ein besonderer Liebling und Pflegling der Gottheit, sollte Jesus bleiben, sofern er durch die Veranstaltung der Vorsehung mit einem ausge- zeichneten Maasse geistiger Vorzüge ausgerüstet, unter ein Volk und in ein Zeitalter versezt, und sein Lebensgang so geleitet wurde, wie es seiner Entwicklung zu dem, was er werden sollte, am günstigsten war; sofern namentlich gerade diejenige Todesart über ihn herbeigeführt wurde, welche die Wiederbelebung, von der das Gedeihen seines
13)Töllner, der thätige Gehorsam Christi untersucht. 1768.
14)Wegscheider, §. 199.
1) Vgl. über das Folgende besonders die Briefe über den Rat. S. 372 ff. Wegscheider, §§. 128. 133. 140.
45 *
Schluſsabhandlung. §. 143.
thätige, da er diesen als Mensch für sich selbst schon zu leisten schuldig war 13).
In Betreff des königlichen Amtes Christi trat die Hoffnung auf seine einstige Wiederkunft zum Gericht im Bewuſstsein der Gemeinde in dem Maaſse zurück, als die Ansicht von einer gleich nach dem Tode jedes Einzelnen vollständig eintretenden Vergeltung erstarkte, wodurch jener allgemeine Gerichtsakt als überflüssig erscheinen muſste 14).
§. 143. Die Christologie des Rationalismus.
An die Stelle des kirchlichen Dogma von Christus, seiner Person und seiner Wirksamkeit, welches sie als in sich widersprechendes, nuzloses, ja der wahren morali- schen Religiosität schädliches verwarfen, sezten nun die Rationalisten eine Lehre, welche, mit Vermeidung jener Widersprüche, Jesum doch noch als eine in gewissem Sinne göttliche Erscheinung festhalten, ja, recht erwogen, ihn weit erhabener hinstellen, und dabei die kräftigsten Antriebe zu praktischer Frömmigkeit enthalten sollte 1).
Ein göttlicher Gesandter, ein besonderer Liebling und Pflegling der Gottheit, sollte Jesus bleiben, sofern er durch die Veranstaltung der Vorsehung mit einem ausge- zeichneten Maaſse geistiger Vorzüge ausgerüstet, unter ein Volk und in ein Zeitalter versezt, und sein Lebensgang so geleitet wurde, wie es seiner Entwicklung zu dem, was er werden sollte, am günstigsten war; sofern namentlich gerade diejenige Todesart über ihn herbeigeführt wurde, welche die Wiederbelebung, von der das Gedeihen seines
13)Töllner, der thätige Gehorsam Christi untersucht. 1768.
14)Wegscheider, §. 199.
1) Vgl. über das Folgende besonders die Briefe über den Rat. S. 372 ff. Wegscheider, §§. 128. 133. 140.
45 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0726"n="707"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Schluſsabhandlung</hi>. §. 143.</fw><lb/>
thätige, da er diesen als Mensch für sich selbst schon zu<lb/>
leisten schuldig war <noteplace="foot"n="13)"><hirendition="#k">Töllner</hi>, der thätige Gehorsam Christi untersucht. 1768.</note>.</p><lb/><p>In Betreff des königlichen Amtes Christi trat die<lb/>
Hoffnung auf seine einstige Wiederkunft zum Gericht im<lb/>
Bewuſstsein der Gemeinde in dem Maaſse zurück, als die<lb/>
Ansicht von einer gleich nach dem Tode jedes Einzelnen<lb/>
vollständig eintretenden Vergeltung erstarkte, wodurch<lb/>
jener allgemeine Gerichtsakt als überflüssig erscheinen<lb/>
muſste <noteplace="foot"n="14)"><hirendition="#k">Wegscheider</hi>, §. 199.</note>.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 143.<lb/>
Die Christologie des Rationalismus.</head><lb/><p>An die Stelle des kirchlichen Dogma von Christus,<lb/>
seiner Person und seiner Wirksamkeit, welches sie als in<lb/>
sich widersprechendes, nuzloses, ja der wahren morali-<lb/>
schen Religiosität schädliches verwarfen, sezten nun die<lb/>
Rationalisten eine Lehre, welche, mit Vermeidung jener<lb/>
Widersprüche, Jesum doch noch als eine in gewissem<lb/>
Sinne göttliche Erscheinung festhalten, ja, recht erwogen,<lb/>
ihn weit erhabener hinstellen, und dabei die kräftigsten<lb/>
Antriebe zu praktischer Frömmigkeit enthalten sollte <noteplace="foot"n="1)">Vgl. über das Folgende besonders die Briefe über den Rat.<lb/>
S. 372 ff. <hirendition="#k">Wegscheider</hi>, §§. 128. 133. 140.</note>.</p><lb/><p>Ein göttlicher Gesandter, ein besonderer Liebling und<lb/>
Pflegling der Gottheit, sollte Jesus bleiben, sofern er<lb/>
durch die Veranstaltung der Vorsehung mit einem ausge-<lb/>
zeichneten Maaſse geistiger Vorzüge ausgerüstet, unter ein<lb/>
Volk und in ein Zeitalter versezt, und sein Lebensgang so<lb/>
geleitet wurde, wie es seiner Entwicklung zu dem, was<lb/>
er werden sollte, am günstigsten war; sofern namentlich<lb/>
gerade diejenige Todesart über ihn herbeigeführt wurde,<lb/>
welche die Wiederbelebung, von der das Gedeihen seines<lb/><fwplace="bottom"type="sig">45 *</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[707/0726]
Schluſsabhandlung. §. 143.
thätige, da er diesen als Mensch für sich selbst schon zu
leisten schuldig war 13).
In Betreff des königlichen Amtes Christi trat die
Hoffnung auf seine einstige Wiederkunft zum Gericht im
Bewuſstsein der Gemeinde in dem Maaſse zurück, als die
Ansicht von einer gleich nach dem Tode jedes Einzelnen
vollständig eintretenden Vergeltung erstarkte, wodurch
jener allgemeine Gerichtsakt als überflüssig erscheinen
muſste 14).
§. 143.
Die Christologie des Rationalismus.
An die Stelle des kirchlichen Dogma von Christus,
seiner Person und seiner Wirksamkeit, welches sie als in
sich widersprechendes, nuzloses, ja der wahren morali-
schen Religiosität schädliches verwarfen, sezten nun die
Rationalisten eine Lehre, welche, mit Vermeidung jener
Widersprüche, Jesum doch noch als eine in gewissem
Sinne göttliche Erscheinung festhalten, ja, recht erwogen,
ihn weit erhabener hinstellen, und dabei die kräftigsten
Antriebe zu praktischer Frömmigkeit enthalten sollte 1).
Ein göttlicher Gesandter, ein besonderer Liebling und
Pflegling der Gottheit, sollte Jesus bleiben, sofern er
durch die Veranstaltung der Vorsehung mit einem ausge-
zeichneten Maaſse geistiger Vorzüge ausgerüstet, unter ein
Volk und in ein Zeitalter versezt, und sein Lebensgang so
geleitet wurde, wie es seiner Entwicklung zu dem, was
er werden sollte, am günstigsten war; sofern namentlich
gerade diejenige Todesart über ihn herbeigeführt wurde,
welche die Wiederbelebung, von der das Gedeihen seines
13) Töllner, der thätige Gehorsam Christi untersucht. 1768.
14) Wegscheider, §. 199.
1) Vgl. über das Folgende besonders die Briefe über den Rat.
S. 372 ff. Wegscheider, §§. 128. 133. 140.
45 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/726>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.