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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Schlussabhandlung. §. 145.
Siegs der Wahrheit, das Vorzeichen des künftig zu voll-
endenden Triumphs des Guten über das Böse; seine Him-
melfahrt das Symbol der ewigen Herrlichkeit der Religion.
Die religiösen Grundideen, welche Jesus in seiner Lehre
ausgesprochen, drücken sich ebenso klar in seiner Ge-
schichte aus. Sie ist Ausdruck der Begeisterung, in dem
muthvollen Wirken Jesu und der siegreichen Gewalt sei-
ner Erscheinung; der Resignation, in seinem Kampf mit
der Bosheit der Menschen, der Wehmuth seiner warnen-
den Reden, und vor Allem in seinem Tode; Christus am
Kreuz ist das Bild der durch Aufopferung geläuterten
Menschheit: wir sollen uns alle mit ihm kreuzigen, um
mit ihm zu neuem Leben aufzustehen. Endlich die Idee
der Andacht ist der Grundton der Geschichte Jesu, indem
jeder Moment seines Lebens dem Gedanken an seinen himm-
lischen Vater gewidmet ist 7).

Besonders klar hatte schon früher Horst diese sym-
bolische Ansicht von der Geschichte Jesu ausgesprochen.
Ob Alles, was von Christo erzählt wird, sagt er, genau so
als Geschichte vorgefallen ist, das kann uns jezt ziemlich
gleichgültig sein, auch können wir es nicht mehr ausmit-
teln. Ja, wenn wir es uns gestehen wollen, so ist dem
gebildeten Theil der Zeitgenossen dasjenige, was den alt-
gläubigen Christen heilige Geschichte war, nur noch Fabel:
die Erzählungen von Christi übernatürlicher Geburt, von
seinen Wundern, seiner Auferstehung und Himmelfahrt,
müssen, als den Gesetzen unsres Erkenntnissvermögens
widersprechend, verworfen werden. Aber man fasse sie
nur nicht mehr bloss verständig, als Geschichte, sondern
mit Gefühl und Phantasie, als Dichtung, auf: so wird
man finden, dass nichts in diesen Erzählungen willkühr-
lich gemacht ist, sondern Alles seine Anknüpfungspunkte

7) Religion und Theologie, 2ter Abschnitt, Kap. 3. Vgl. bibl.
Dogmatik, §. 255; kirchliche, §. 64 ff.

Schluſsabhandlung. §. 145.
Siegs der Wahrheit, das Vorzeichen des künftig zu voll-
endenden Triumphs des Guten über das Böse; seine Him-
melfahrt das Symbol der ewigen Herrlichkeit der Religion.
Die religiösen Grundideen, welche Jesus in seiner Lehre
ausgesprochen, drücken sich ebenso klar in seiner Ge-
schichte aus. Sie ist Ausdruck der Begeisterung, in dem
muthvollen Wirken Jesu und der siegreichen Gewalt sei-
ner Erscheinung; der Resignation, in seinem Kampf mit
der Bosheit der Menschen, der Wehmuth seiner warnen-
den Reden, und vor Allem in seinem Tode; Christus am
Kreuz ist das Bild der durch Aufopferung geläuterten
Menschheit: wir sollen uns alle mit ihm kreuzigen, um
mit ihm zu neuem Leben aufzustehen. Endlich die Idee
der Andacht ist der Grundton der Geschichte Jesu, indem
jeder Moment seines Lebens dem Gedanken an seinen himm-
lischen Vater gewidmet ist 7).

Besonders klar hatte schon früher Horst diese sym-
bolische Ansicht von der Geschichte Jesu ausgesprochen.
Ob Alles, was von Christo erzählt wird, sagt er, genau so
als Geschichte vorgefallen ist, das kann uns jezt ziemlich
gleichgültig sein, auch können wir es nicht mehr ausmit-
teln. Ja, wenn wir es uns gestehen wollen, so ist dem
gebildeten Theil der Zeitgenossen dasjenige, was den alt-
gläubigen Christen heilige Geschichte war, nur noch Fabel:
die Erzählungen von Christi übernatürlicher Geburt, von
seinen Wundern, seiner Auferstehung und Himmelfahrt,
müssen, als den Gesetzen unsres Erkenntniſsvermögens
widersprechend, verworfen werden. Aber man fasse sie
nur nicht mehr bloſs verständig, als Geschichte, sondern
mit Gefühl und Phantasie, als Dichtung, auf: so wird
man finden, daſs nichts in diesen Erzählungen willkühr-
lich gemacht ist, sondern Alles seine Anknüpfungspunkte

7) Religion und Theologie, 2ter Abschnitt, Kap. 3. Vgl. bibl.
Dogmatik, §. 255; kirchliche, §. 64 ff.
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[726/0745] Schluſsabhandlung. §. 145. Siegs der Wahrheit, das Vorzeichen des künftig zu voll- endenden Triumphs des Guten über das Böse; seine Him- melfahrt das Symbol der ewigen Herrlichkeit der Religion. Die religiösen Grundideen, welche Jesus in seiner Lehre ausgesprochen, drücken sich ebenso klar in seiner Ge- schichte aus. Sie ist Ausdruck der Begeisterung, in dem muthvollen Wirken Jesu und der siegreichen Gewalt sei- ner Erscheinung; der Resignation, in seinem Kampf mit der Bosheit der Menschen, der Wehmuth seiner warnen- den Reden, und vor Allem in seinem Tode; Christus am Kreuz ist das Bild der durch Aufopferung geläuterten Menschheit: wir sollen uns alle mit ihm kreuzigen, um mit ihm zu neuem Leben aufzustehen. Endlich die Idee der Andacht ist der Grundton der Geschichte Jesu, indem jeder Moment seines Lebens dem Gedanken an seinen himm- lischen Vater gewidmet ist 7). Besonders klar hatte schon früher Horst diese sym- bolische Ansicht von der Geschichte Jesu ausgesprochen. Ob Alles, was von Christo erzählt wird, sagt er, genau so als Geschichte vorgefallen ist, das kann uns jezt ziemlich gleichgültig sein, auch können wir es nicht mehr ausmit- teln. Ja, wenn wir es uns gestehen wollen, so ist dem gebildeten Theil der Zeitgenossen dasjenige, was den alt- gläubigen Christen heilige Geschichte war, nur noch Fabel: die Erzählungen von Christi übernatürlicher Geburt, von seinen Wundern, seiner Auferstehung und Himmelfahrt, müssen, als den Gesetzen unsres Erkenntniſsvermögens widersprechend, verworfen werden. Aber man fasse sie nur nicht mehr bloſs verständig, als Geschichte, sondern mit Gefühl und Phantasie, als Dichtung, auf: so wird man finden, daſs nichts in diesen Erzählungen willkühr- lich gemacht ist, sondern Alles seine Anknüpfungspunkte 7) Religion und Theologie, 2ter Abschnitt, Kap. 3. Vgl. bibl. Dogmatik, §. 255; kirchliche, §. 64 ff.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/745>, abgerufen am 22.11.2024.