Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zweiter Abschnitt. der die Kranken ausdrücklich die Heilung, sondern sie ru-fen nur: eleeson emas, noch thut Jesus ein hierauf sich beziehendes Machtwort, sondern er weist sie nur an, sich den Priestern zu zeigen, was man denn rationalistischer- seits nicht säumt, dahin zu erklären, dass Jesus, nach ge- nommener Kenntniss von ihrem Zustand, sie ermuntert ha- be, sich der priesterlichen Visitation zu unterwerfen; diess habe wirklich ihre Reinsprechung zur Folge gehabt, und der Samariter sei umgekehrt, um Jesu für seinen ermuthi- genden Rath zu danken 4). Allein so angelegentlich, wie es hier beschrieben wird, durch ein piptein epi prosopon, dankt man nicht für einen blossen Rath, noch weniger konnte Jesus verlangen, dass um des Erfolgs dieses Ra- thes willen alle Zehne hätten umkehren sollen, und zwar um Gott die Ehre zu geben -- soll man nun sagen dafür, dass er Jesum befähigt habe, ihnen einen so guten Rath zu ertheilen? Nein, sondern hier wird eine reellere Lei- stung vorausgesezt, und diese giebt die Erzählung wirklich an, wenn sie sowohl die Umkehr des Samariters durch idon oti iathe begründet, als auch Jesum den Grund, wa- rum er von Allen Dank erwartet hätte, durch okhi oi deka ekatharisthesan; aussprechen lässt, was Beides doch nur höchst gezwungen so erklärt werden kann, dass, weil sie gesehen, dass Jesus mit seiner Reinerklärung recht gehabt, der eine wirklich umgekehrt sei, ihm zu danken, die übri- gen aber hätten umkehren sollen. Entscheidend aber ge- gen die natürliche Erklärung ist der Saz: en to upagein autous ekatharisthesan. Wollte hier nach jener Deutung der Referent bloss sagen: wie die Kranken, beim Priester angekommen, sich ihm zeigten, wurden sie für rein er- klärt: so musste er wenigstens setzen: poreuthentes eka- tharisthesan: wogegen nun die absichtsvolle Wahl des en to upagein unwidersprechlich zeigt, dass von einem Rein- 4) Paulus, L. J., 1, b, S. 68.
Zweiter Abschnitt. der die Kranken ausdrücklich die Heilung, sondern sie ru-fen nur: ἐλέησον ἡμᾶς, noch thut Jesus ein hierauf sich beziehendes Machtwort, sondern er weist sie nur an, sich den Priestern zu zeigen, was man denn rationalistischer- seits nicht säumt, dahin zu erklären, daſs Jesus, nach ge- nommener Kenntniſs von ihrem Zustand, sie ermuntert ha- be, sich der priesterlichen Visitation zu unterwerfen; dieſs habe wirklich ihre Reinsprechung zur Folge gehabt, und der Samariter sei umgekehrt, um Jesu für seinen ermuthi- genden Rath zu danken 4). Allein so angelegentlich, wie es hier beschrieben wird, durch ein πίπτειν ἐπὶ πρόσωπον, dankt man nicht für einen bloſsen Rath, noch weniger konnte Jesus verlangen, daſs um des Erfolgs dieses Ra- thes willen alle Zehne hätten umkehren sollen, und zwar um Gott die Ehre zu geben — soll man nun sagen dafür, daſs er Jesum befähigt habe, ihnen einen so guten Rath zu ertheilen? Nein, sondern hier wird eine reellere Lei- stung vorausgesezt, und diese giebt die Erzählung wirklich an, wenn sie sowohl die Umkehr des Samariters durch ἰδὼν ὅτι ἰάϑη begründet, als auch Jesum den Grund, wa- rum er von Allen Dank erwartet hätte, durch ὅχὶ οἱ δέκα ἐκαϑαρίσϑησαν; aussprechen läſst, was Beides doch nur höchst gezwungen so erklärt werden kann, daſs, weil sie gesehen, daſs Jesus mit seiner Reinerklärung recht gehabt, der eine wirklich umgekehrt sei, ihm zu danken, die übri- gen aber hätten umkehren sollen. Entscheidend aber ge- gen die natürliche Erklärung ist der Saz: ἐν τῷ ὑπάγειν αὐτοὺς ἐκαϑαρίσϑησαν. Wollte hier nach jener Deutung der Referent bloſs sagen: wie die Kranken, beim Priester angekommen, sich ihm zeigten, wurden sie für rein er- klärt: so muſste er wenigstens setzen: πορευϑέντες ἐκα- ϑαρίσϑησαν: wogegen nun die absichtsvolle Wahl des ἐν τῷ ὑπάγειν unwidersprechlich zeigt, daſs von einem Rein- 4) Paulus, L. J., 1, b, S. 68.
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Zweiter Abschnitt.
der die Kranken ausdrücklich die Heilung, sondern sie ru-
fen nur: ἐλέησον ἡμᾶς, noch thut Jesus ein hierauf sich
beziehendes Machtwort, sondern er weist sie nur an, sich
den Priestern zu zeigen, was man denn rationalistischer-
seits nicht säumt, dahin zu erklären, daſs Jesus, nach ge-
nommener Kenntniſs von ihrem Zustand, sie ermuntert ha-
be, sich der priesterlichen Visitation zu unterwerfen; dieſs
habe wirklich ihre Reinsprechung zur Folge gehabt, und
der Samariter sei umgekehrt, um Jesu für seinen ermuthi-
genden Rath zu danken 4). Allein so angelegentlich, wie
es hier beschrieben wird, durch ein πίπτειν ἐπὶ πρόσωπον,
dankt man nicht für einen bloſsen Rath, noch weniger
konnte Jesus verlangen, daſs um des Erfolgs dieses Ra-
thes willen alle Zehne hätten umkehren sollen, und zwar
um Gott die Ehre zu geben — soll man nun sagen dafür,
daſs er Jesum befähigt habe, ihnen einen so guten Rath
zu ertheilen? Nein, sondern hier wird eine reellere Lei-
stung vorausgesezt, und diese giebt die Erzählung wirklich
an, wenn sie sowohl die Umkehr des Samariters durch
ἰδὼν ὅτι ἰάϑη begründet, als auch Jesum den Grund, wa-
rum er von Allen Dank erwartet hätte, durch ὅχὶ οἱ δέκα
ἐκαϑαρίσϑησαν; aussprechen läſst, was Beides doch nur
höchst gezwungen so erklärt werden kann, daſs, weil sie
gesehen, daſs Jesus mit seiner Reinerklärung recht gehabt,
der eine wirklich umgekehrt sei, ihm zu danken, die übri-
gen aber hätten umkehren sollen. Entscheidend aber ge-
gen die natürliche Erklärung ist der Saz: ἐν τῷ ὑπάγειν
αὐτοὺς ἐκαϑαρίσϑησαν. Wollte hier nach jener Deutung
der Referent bloſs sagen: wie die Kranken, beim Priester
angekommen, sich ihm zeigten, wurden sie für rein er-
klärt: so muſste er wenigstens setzen: πορευϑέντες ἐκα-
ϑαρίσϑησαν: wogegen nun die absichtsvolle Wahl des ἐν
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