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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
Hinneigung des Markus zu natürlicher Auffassung solcher
Wunder, dass er ja vielmehr nicht selten die Wunder zu
vergrössern bemüht ist, wie wir theils bei'm Gadarener
gesehen haben, theils noch öfters werden bemerken kön-
nen. Auf ähnliche Weise wird dann auch das zu beur-
theilen sein, dass Markus namentlich in diesen ihm eigenen
Erzählungen (aber auch sonst, wie 6, 13, wo er bemerkt,
dass die Jünger die Kranken mit Öl gesalbt haben) die
Anwendung äusserer Mittel und Manipulationen bei den
Heilungswundern hervorhebt. Dass diese Mittel, wie be-
sonders der Speichel, in der damaligen Volksansicht nicht
als natürlich wirkende Ursachen der Heilung galten, davon
kann schon die oben angeführte Erzählung von Vespasian
üherzeugen, so wie Stellen jüdischer und römischer Auto-
ren, nach welchen das Anspucken als magisches Mittel,
vornehmlich gegen Augenübel, galt 21). Sondern Olshau-
sen
giebt ganz die damalige Vorstellung, wenn er Berüh-
rung, Speichel u. dgl. für die Conduktoren der dem Wun-
dermann inwohnenden höheren Kraft erklärt. Nur frei-
lich diese Ansicht auch zu der unsrigen machen könnten
wir nur dann, wenn wir mit Olshausen von einer Parallele
der Wunderkraft Jesu mit der animalisch - magnetischen
ausgiengen, eine Vergleichung, welche zur Erklärung der
Wunder Jesu, insbesondere des vorliegenden, unzureichend
und darum überflüssig ist. Wir schreiben daher jene Mit-
tel lediglich auf Rechnung des Evangelisten. Auf diese
kommt dann ohne Zweifel auch das Besondernehmen der
Kranken, die übertreibende Beschreibung der Verwunde-
rung des Volks (uperperissos exeplessonto apantes, 7,
37.), und das strenge Verbot, Niemand von den Heilun-
gen etwas zu sagen. Dieses Geheimhalten gab der Sache
ein mysteriöses Ansehen, welches auch nach andern Stel-
len dem Markus gefallen zu haben scheint. Zu dem My-

21) s. d. St. bei Wetstein und Lightfoot zu Joh. 9, 6.

Zweiter Abschnitt.
Hinneigung des Markus zu natürlicher Auffassung solcher
Wunder, daſs er ja vielmehr nicht selten die Wunder zu
vergrössern bemüht ist, wie wir theils bei'm Gadarener
gesehen haben, theils noch öfters werden bemerken kön-
nen. Auf ähnliche Weise wird dann auch das zu beur-
theilen sein, daſs Markus namentlich in diesen ihm eigenen
Erzählungen (aber auch sonst, wie 6, 13, wo er bemerkt,
daſs die Jünger die Kranken mit Öl gesalbt haben) die
Anwendung äusserer Mittel und Manipulationen bei den
Heilungswundern hervorhebt. Daſs diese Mittel, wie be-
sonders der Speichel, in der damaligen Volksansicht nicht
als natürlich wirkende Ursachen der Heilung galten, davon
kann schon die oben angeführte Erzählung von Vespasian
üherzeugen, so wie Stellen jüdischer und römischer Auto-
ren, nach welchen das Anspucken als magisches Mittel,
vornehmlich gegen Augenübel, galt 21). Sondern Olshau-
sen
giebt ganz die damalige Vorstellung, wenn er Berüh-
rung, Speichel u. dgl. für die Conduktoren der dem Wun-
dermann inwohnenden höheren Kraft erklärt. Nur frei-
lich diese Ansicht auch zu der unsrigen machen könnten
wir nur dann, wenn wir mit Olshausen von einer Parallele
der Wunderkraft Jesu mit der animalisch ‒ magnetischen
ausgiengen, eine Vergleichung, welche zur Erklärung der
Wunder Jesu, insbesondere des vorliegenden, unzureichend
und darum überflüssig ist. Wir schreiben daher jene Mit-
tel lediglich auf Rechnung des Evangelisten. Auf diese
kommt dann ohne Zweifel auch das Besondernehmen der
Kranken, die übertreibende Beschreibung der Verwunde-
rung des Volks (ὑπερπερισσῶς ἐξεπλήσσοντο ἅπαντες, 7,
37.), und das strenge Verbot, Niemand von den Heilun-
gen etwas zu sagen. Dieses Geheimhalten gab der Sache
ein mysteriöses Ansehen, welches auch nach andern Stel-
len dem Markus gefallen zu haben scheint. Zu dem My-

21) s. d. St. bei Wetstein und Lightfoot zu Joh. 9, 6.
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[74/0093] Zweiter Abschnitt. Hinneigung des Markus zu natürlicher Auffassung solcher Wunder, daſs er ja vielmehr nicht selten die Wunder zu vergrössern bemüht ist, wie wir theils bei'm Gadarener gesehen haben, theils noch öfters werden bemerken kön- nen. Auf ähnliche Weise wird dann auch das zu beur- theilen sein, daſs Markus namentlich in diesen ihm eigenen Erzählungen (aber auch sonst, wie 6, 13, wo er bemerkt, daſs die Jünger die Kranken mit Öl gesalbt haben) die Anwendung äusserer Mittel und Manipulationen bei den Heilungswundern hervorhebt. Daſs diese Mittel, wie be- sonders der Speichel, in der damaligen Volksansicht nicht als natürlich wirkende Ursachen der Heilung galten, davon kann schon die oben angeführte Erzählung von Vespasian üherzeugen, so wie Stellen jüdischer und römischer Auto- ren, nach welchen das Anspucken als magisches Mittel, vornehmlich gegen Augenübel, galt 21). Sondern Olshau- sen giebt ganz die damalige Vorstellung, wenn er Berüh- rung, Speichel u. dgl. für die Conduktoren der dem Wun- dermann inwohnenden höheren Kraft erklärt. Nur frei- lich diese Ansicht auch zu der unsrigen machen könnten wir nur dann, wenn wir mit Olshausen von einer Parallele der Wunderkraft Jesu mit der animalisch ‒ magnetischen ausgiengen, eine Vergleichung, welche zur Erklärung der Wunder Jesu, insbesondere des vorliegenden, unzureichend und darum überflüssig ist. Wir schreiben daher jene Mit- tel lediglich auf Rechnung des Evangelisten. Auf diese kommt dann ohne Zweifel auch das Besondernehmen der Kranken, die übertreibende Beschreibung der Verwunde- rung des Volks (ὑπερπερισσῶς ἐξεπλήσσοντο ἅπαντες, 7, 37.), und das strenge Verbot, Niemand von den Heilun- gen etwas zu sagen. Dieses Geheimhalten gab der Sache ein mysteriöses Ansehen, welches auch nach andern Stel- len dem Markus gefallen zu haben scheint. Zu dem My- 21) s. d. St. bei Wetstein und Lightfoot zu Joh. 9, 6.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/93>, abgerufen am 21.11.2024.