Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670.Scheiben-Messung. tele gepeitschet und durchgezogen zu werden/ sintemal zur selben Zeit auch denen Schulknabenbekannt gewesen/ daß auch das allerkleineste Kreißteihligen seine Krümme behalte und darumb mit einiger geraden Lini nicht übereintreffe/ ob gleich unsern groben Sinnen bey solcher/ ihre Kräften übersteigender Kleinheit/ ein anders erscheinen möchte. Nächst diesem Einfall Antiphons/ wird von der Erfindung eines Brysons bey erstge- Campanus hat aus Aristotele dieselbe also verfasset/ daß es scheinet/ Bryson habe nicht Ober- Z iij
Scheiben-Meſſung. tele gepeitſchet und durchgezogen zu werden/ ſintemal zur ſelben Zeit auch denen Schulknabenbekannt geweſen/ daß auch das allerkleineſte Kreißteihligen ſeine Kruͤmme behalte und darumb mit einiger geraden Lini nicht uͤbereintreffe/ ob gleich unſern groben Sinnen bey ſolcher/ ihre Kraͤften uͤberſteigender Kleinheit/ ein anders erſcheinen moͤchte. Naͤchſt dieſem Einfall Antiphons/ wird von der Erfindung eines Bryſons bey erſtge- Campanus hat aus Ariſtotele dieſelbe alſo verfaſſet/ daß es ſcheinet/ Bryſon habe nicht Ober- Z iij
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Scheiben-Meſſung.
tele gepeitſchet und durchgezogen zu werden/ ſintemal zur ſelben Zeit auch denen Schulknaben
bekannt geweſen/ daß auch das allerkleineſte Kreißteihligen ſeine Kruͤmme behalte und darumb
mit einiger geraden Lini nicht uͤbereintreffe/ ob gleich unſern groben Sinnen bey ſolcher/ ihre
Kraͤften uͤberſteigender Kleinheit/ ein anders erſcheinen moͤchte.
Naͤchſt dieſem Einfall Antiphons/ wird von der Erfindung eines Bryſons bey erſtge-
dachtem Ariſtotele und deſſen Auslegern oftermahlige Meldung gethan; wiewol die unter-
ſchiedliche Erklaͤrung deroſelben einen Unparteyiſchen faſt zweifflen machen ſolte/ ob Ariſtote-
les mit denen ſeinigen die Meinung dieſes Bryſons recht und eigentlich verſtanden/ oder (wo
ſie dieſelbe verſtanden) redlich zu Tag gegeben haben. Einmal Ariſtoteles iſt ſchon zu Por-
phyry Zeiten im Verdacht geweſen/ als ob er derer Alten ihre Schrifften mit groſſem Un-
koſten aus Koͤnig Alevanders Beutel/ erkauffet/ das beſte heraus genommen und fuͤr das
ſeinige ausgegeben/ nachmals die Schrifften verbrennet/ und denen Laͤngſt - verſtorbenen aller-
ley ungereimte Meinungen/ nach Gefallen/ zugeſchrieben habe/ damit er dieſelben deſto leich-
ter habe widerlegen/ und/ zu Aufnahm ſeines eigenen Ruhms/ vernichten und durchziehen
koͤnnen. Damit aber der kunſtliebende Leſer Gelegenheit habe/ ſelbſten zu urteihlen und nach-
zuſinnen/ welches eigentlich die rechte Meinung dieſes Bryſons moͤchte geweſen ſeyn; ſo wol-
len wir (weil dieſelbe faſt in allen dergleichen Buͤchern angezogen/ aber ſelten recht ausgefuͤhret
wird) etwas weitlaͤuffiger davon handeln:
Campanus hat aus Ariſtotele dieſelbe alſo verfaſſet/ daß es ſcheinet/ Bryſon habe nicht
ſo wol einen Weg gezeiget/ wie eine Scheibe in eine Vierung kunſtrichtig ſolle verwandelt
werden/ als die Moͤglichkeit ſolcher Verwandlung behaupten/ und daß waarhaftig und
wuͤrklich jede Scheibe eine gleiche Vierung in der Natur habe/ beweiſen wollen. Der Beweiß
bezeuget es/ den ſie ihme zuſchreiben/ und der ſich ohngefehr folgender Geſtalt verhaͤlt: Nach
dem er ſo wol umb als innerhalb die gegebene Scheiben eine
Vierung beſchrieben/ und darneben/ als bekannt und offenbar/
geſetzet/ daß die eingeſchriebene Vierung BD kleiner/ die umb-
geſchriebene HK aber groͤſſer als die gegebene Scheibe ſey;
ſchlieſſet er daraus ferner/ daß aus allen Vierungen/ deren
zwiſchen dieſen beyden unendlich viele enthalten ſind/ eine noht-
wendig der gegebenen Scheibe gleich ſeyn muͤſſe. Der Grund-
ſatz/ auf welchem dieſer ſein Schluß beruhet/ iſt/ nach Cam-
pani Meinung/ entweder dieſer: Jn dem ich von dem was
kleiner iſt als das gegebene/ biß zu dem was groͤſſer iſt/
und durch alle mittlere oder zwiſchenfallende/ fortgehe/
muß ich ja nohtwendig eines darunter antreffen/ welches
[Abbildung]
dem gegebenen gleich iſt. Oder dieſer: Jch kan etwas kleiners finden als das gegebene
und etwas groͤſſers als eben daſſelbe; Derowegen kan ich auch etwas finden/ welches
dem gegebenen gleich ſey. Beyde dieſe Grundſaͤtze/ ſo ſcheinlich ſie auch ſeyn moͤgen/ wer-
den von Campano folgender maſſen umbgeſtoſſen: Man beſchreibe einen Kreiß ABC, und
bilde ihm ein/ wie deſſelben Durchmeſſer AC,
umb den unbeweglichen Punct A, durch D,
E, F, herumbgefuͤhret werde ſo lang und viel/
biß er den Kreiß in A beruͤhre/ und mit ſeiner
erſten Stellung AC einen geraden Winkel
mache. Wann dieſes geſchehen/ ſo iſt (nehm-
lich vermoͤg des 16den im III. B. Eucli-
dis) offenbar/ daß/ ſo lange die gerade Lini
AC den Kreiß durchſchneidet/ allezeit ein ſpi-
tziger Winkel werde/ welcher kleiner iſt als
der Winkel des Halbkreiſſes; ſo bald ſie aber
aufhoͤre zu durchſchneiden/ alsbald ein gera-
der Winkel entſtehe/ welcher groͤſſer iſt als
[Abbildung]
eben derſelbe Winkel des Halbkreiſſes. Weil derowegen der Durchmeſſer alle mittlere gerad-
liniſche Winkel durchloffen/ und dannoch keinen angetroffen/ welcher dem Winkel des Halb-
kreiſſes gleich waͤre/ erhellet nunmehr die Falſchheit des erſten Grundſatzes. Gleicher Geſtalt/
weil der gerade Winkel FAC groͤſſer iſt als der Winkel des Halbkreiſſes/ die zwiſcheneinfallen-
de ſpitzige Winkel aber alle kleiner ſind/ ſo iſt klar/ daß auch der letzere Schluß falſch und un-
kraͤftig ſey.
Ober-
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Zitationshilfe: | Sturm, Johann Christoph: Des Unvergleichlichen Archjmedjs Kunst-Bücher. Nürnberg, 1670, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_kunst_1670/209>, abgerufen am 16.07.2024. |