Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Geißlung Jesu.
ward er ein Opfer für die Sünden der Welt, ein Opfer
der Sklaverey, zu welcher wir um unsrer Missethaten wil-
len bestimmt waren. Hier ward Jesus das für uns, was
wir ewig seyn sollten, Sklaven der Sünde, Sklaven un-
srer Lüste und Sklaven des Satans. Durch dieses Löse-
geld sind wir in Freyheit gesetzt worden. Die Wunden,
die ihm geschlagen wurden, waren ein Bild unsrer Sün-
den. So verunstaltet, so verabscheuungswürdig hatte uns
die Sünde gemacht. Solche Schläge sollten wir von der
Gerechtigkeit Gottes empfinden. O! Dank sey dir preiß-
würdiger Erlöser, gesagt, daß du mich um einen so theu-
ren Preiß erkauft hast! Dank, ewig Dank sey dir, daß du
die Züchtigung, die mich treffen sollte, so gnädig hast wol-
len auf dich nehmen.

Aber tretet näher, ihr Sünder, und überlasset euer
Herz der gerechtesten Wehmuth, daß ihr dem Heiligen
und Gerechten solche Mühe und Arbeit mit euren Sün-
den gemacht habt. Wohllüstige, die ihr alle Befleckun-
gen des Fleisches ausübet, könnet ihr daran denken, wie
der heilige Leib eures Jesu mißhandelt worden ist, und fort-
fahren euren Lüsten zu dienen, fortfahren euren Leib zu ver-
zärteln, fortfahren, auf die Erregung angenehmer Em-
pfindungen und auf die Greuel der Unreinigkeit zu sinnen?
Barbaren, Menschenfeinde, Tyrannen, die ihr ohne Mit-
leiden zu empfinden, durch unmenschliche Züchtigungen eu-
re Brüder peiniget, die ihr grausam genug seyd, zu lachen,
wenn um euch her nichts als Seufzer und Wehklagen ge-
höret werden; könnet ihr Henkersknechte der Unschuld seyn,
wenn ihr den unschuldigen gemarterten Heiland betrachtet?
Sünder, die ihr ohne Gefühl von einer Missethat zur an-
dern übergehet, denket an die Geisselschläge, die euer Je-
sus für euch ausgestanden hat. Ihr wolltet eure Sünden
mit Vergnügen begehen, da sie dem Allerunschuldigsten

so
Sturms Leidensgeschichte. H

Geißlung Jeſu.
ward er ein Opfer für die Sünden der Welt, ein Opfer
der Sklaverey, zu welcher wir um unſrer Miſſethaten wil-
len beſtimmt waren. Hier ward Jeſus das für uns, was
wir ewig ſeyn ſollten, Sklaven der Sünde, Sklaven un-
ſrer Lüſte und Sklaven des Satans. Durch dieſes Löſe-
geld ſind wir in Freyheit geſetzt worden. Die Wunden,
die ihm geſchlagen wurden, waren ein Bild unſrer Sün-
den. So verunſtaltet, ſo verabſcheuungswürdig hatte uns
die Sünde gemacht. Solche Schläge ſollten wir von der
Gerechtigkeit Gottes empfinden. O! Dank ſey dir preiß-
würdiger Erlöſer, geſagt, daß du mich um einen ſo theu-
ren Preiß erkauft haſt! Dank, ewig Dank ſey dir, daß du
die Züchtigung, die mich treffen ſollte, ſo gnädig haſt wol-
len auf dich nehmen.

Aber tretet näher, ihr Sünder, und überlaſſet euer
Herz der gerechteſten Wehmuth, daß ihr dem Heiligen
und Gerechten ſolche Mühe und Arbeit mit euren Sün-
den gemacht habt. Wohllüſtige, die ihr alle Befleckun-
gen des Fleiſches ausübet, könnet ihr daran denken, wie
der heilige Leib eures Jeſu mißhandelt worden iſt, und fort-
fahren euren Lüſten zu dienen, fortfahren euren Leib zu ver-
zärteln, fortfahren, auf die Erregung angenehmer Em-
pfindungen und auf die Greuel der Unreinigkeit zu ſinnen?
Barbaren, Menſchenfeinde, Tyrannen, die ihr ohne Mit-
leiden zu empfinden, durch unmenſchliche Züchtigungen eu-
re Brüder peiniget, die ihr grauſam genug ſeyd, zu lachen,
wenn um euch her nichts als Seufzer und Wehklagen ge-
höret werden; könnet ihr Henkersknechte der Unſchuld ſeyn,
wenn ihr den unſchuldigen gemarterten Heiland betrachtet?
Sünder, die ihr ohne Gefühl von einer Miſſethat zur an-
dern übergehet, denket an die Geiſſelſchläge, die euer Je-
ſus für euch ausgeſtanden hat. Ihr wolltet eure Sünden
mit Vergnügen begehen, da ſie dem Allerunſchuldigſten

ſo
Sturms Leidensgeſchichte. H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0135" n="113"/><fw place="top" type="header">Geißlung Je&#x017F;u.</fw><lb/>
ward er ein Opfer für die Sünden der Welt, ein Opfer<lb/>
der Sklaverey, zu welcher wir um un&#x017F;rer Mi&#x017F;&#x017F;ethaten wil-<lb/>
len be&#x017F;timmt waren. Hier ward Je&#x017F;us das für uns, was<lb/>
wir ewig &#x017F;eyn &#x017F;ollten, Sklaven der Sünde, Sklaven un-<lb/>
&#x017F;rer Lü&#x017F;te und Sklaven des Satans. Durch die&#x017F;es Lö&#x017F;e-<lb/>
geld &#x017F;ind wir in Freyheit ge&#x017F;etzt worden. Die Wunden,<lb/>
die ihm ge&#x017F;chlagen wurden, waren ein Bild un&#x017F;rer Sün-<lb/>
den. So verun&#x017F;taltet, &#x017F;o verab&#x017F;cheuungswürdig hatte uns<lb/>
die Sünde gemacht. Solche Schläge &#x017F;ollten wir von der<lb/>
Gerechtigkeit Gottes empfinden. O! Dank &#x017F;ey dir preiß-<lb/>
würdiger Erlö&#x017F;er, ge&#x017F;agt, daß du mich um einen &#x017F;o theu-<lb/>
ren Preiß erkauft ha&#x017F;t! Dank, ewig Dank &#x017F;ey dir, daß du<lb/>
die Züchtigung, die mich treffen &#x017F;ollte, &#x017F;o gnädig ha&#x017F;t wol-<lb/>
len auf dich nehmen.</p><lb/>
          <p>Aber tretet näher, ihr Sünder, und überla&#x017F;&#x017F;et euer<lb/>
Herz der gerechte&#x017F;ten Wehmuth, daß ihr dem Heiligen<lb/>
und Gerechten &#x017F;olche Mühe und Arbeit mit euren Sün-<lb/>
den gemacht habt. Wohllü&#x017F;tige, die ihr alle Befleckun-<lb/>
gen des Flei&#x017F;ches ausübet, könnet ihr daran denken, wie<lb/>
der heilige Leib eures Je&#x017F;u mißhandelt worden i&#x017F;t, und fort-<lb/>
fahren euren Lü&#x017F;ten zu dienen, fortfahren euren Leib zu ver-<lb/>
zärteln, fortfahren, auf die Erregung angenehmer Em-<lb/>
pfindungen und auf die Greuel der Unreinigkeit zu &#x017F;innen?<lb/>
Barbaren, Men&#x017F;chenfeinde, Tyrannen, die ihr ohne Mit-<lb/>
leiden zu empfinden, durch unmen&#x017F;chliche Züchtigungen eu-<lb/>
re Brüder peiniget, die ihr grau&#x017F;am genug &#x017F;eyd, zu lachen,<lb/>
wenn um euch her nichts als Seufzer und Wehklagen ge-<lb/>
höret werden; könnet ihr Henkersknechte der Un&#x017F;chuld &#x017F;eyn,<lb/>
wenn ihr den un&#x017F;chuldigen gemarterten Heiland betrachtet?<lb/>
Sünder, die ihr ohne Gefühl von einer Mi&#x017F;&#x017F;ethat zur an-<lb/>
dern übergehet, denket an die Gei&#x017F;&#x017F;el&#x017F;chläge, die euer Je-<lb/>
&#x017F;us für euch ausge&#x017F;tanden hat. Ihr wolltet eure Sünden<lb/>
mit Vergnügen begehen, da &#x017F;ie dem Allerun&#x017F;chuldig&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Sturms Leidensge&#x017F;chichte. H</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0135] Geißlung Jeſu. ward er ein Opfer für die Sünden der Welt, ein Opfer der Sklaverey, zu welcher wir um unſrer Miſſethaten wil- len beſtimmt waren. Hier ward Jeſus das für uns, was wir ewig ſeyn ſollten, Sklaven der Sünde, Sklaven un- ſrer Lüſte und Sklaven des Satans. Durch dieſes Löſe- geld ſind wir in Freyheit geſetzt worden. Die Wunden, die ihm geſchlagen wurden, waren ein Bild unſrer Sün- den. So verunſtaltet, ſo verabſcheuungswürdig hatte uns die Sünde gemacht. Solche Schläge ſollten wir von der Gerechtigkeit Gottes empfinden. O! Dank ſey dir preiß- würdiger Erlöſer, geſagt, daß du mich um einen ſo theu- ren Preiß erkauft haſt! Dank, ewig Dank ſey dir, daß du die Züchtigung, die mich treffen ſollte, ſo gnädig haſt wol- len auf dich nehmen. Aber tretet näher, ihr Sünder, und überlaſſet euer Herz der gerechteſten Wehmuth, daß ihr dem Heiligen und Gerechten ſolche Mühe und Arbeit mit euren Sün- den gemacht habt. Wohllüſtige, die ihr alle Befleckun- gen des Fleiſches ausübet, könnet ihr daran denken, wie der heilige Leib eures Jeſu mißhandelt worden iſt, und fort- fahren euren Lüſten zu dienen, fortfahren euren Leib zu ver- zärteln, fortfahren, auf die Erregung angenehmer Em- pfindungen und auf die Greuel der Unreinigkeit zu ſinnen? Barbaren, Menſchenfeinde, Tyrannen, die ihr ohne Mit- leiden zu empfinden, durch unmenſchliche Züchtigungen eu- re Brüder peiniget, die ihr grauſam genug ſeyd, zu lachen, wenn um euch her nichts als Seufzer und Wehklagen ge- höret werden; könnet ihr Henkersknechte der Unſchuld ſeyn, wenn ihr den unſchuldigen gemarterten Heiland betrachtet? Sünder, die ihr ohne Gefühl von einer Miſſethat zur an- dern übergehet, denket an die Geiſſelſchläge, die euer Je- ſus für euch ausgeſtanden hat. Ihr wolltet eure Sünden mit Vergnügen begehen, da ſie dem Allerunſchuldigſten ſo Sturms Leidensgeſchichte. H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/135
Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/135>, abgerufen am 21.11.2024.