terthan dieses Königes. Würde es wohl anständig seyn, wenn ich mehr Freuden und mehr Ehre suchte, als er erhal- ten konnte?
Allein dies ist nur eine Seite, von welcher ich diese Leiden Jesu betrachte. Aber sie ist nicht eigentlich diejenige, die mir Jesum auch unter diesen Mißhandlungen als den Mittler der Menschen vorstellet. Es läßt sich nicht geden- ken, daß Jesus ohne Ursache gerade dieses und kein andres Leiden hätte ausstehen sollen. Um mir bloß ein Beyspiel zu geben, wie ich mich bey ähnlichen Leiden betragen soll, dazu war diese besondre Schmach nicht nöthig, da die al- lerwenigsten Menschen in gleiche Umstände mit Jesu kom- men können. Ich bin vollkommen überzeugt, daß die Ab- sichten Jesu bey dieser besondern Art des Leidens auf weit höhere Wirkungen gerichtet waren. Ich schäme mich nicht, der Modedenkungsart unsrer Zeiten zuwider, zu bekennen, daß ich in der Dornenkrönung und allen damit verbunde- nen Mißhandlungen Jesu, einen Beweis von der Allge- meinheit seiner Genugthuung finde.
Der König aller Könige wird mit Dornen gekrönet. Sollten nicht dadurch diejenigen Sünden an ihm gestraft worden seyn, welche unter dem Schutz einer irdischen Kro- ne gegen alle Ahndungen sichergestellt sind? Personen, welche die Vorsehung aus dem Staube hervorgezogen, de- nen sie Kronen, Purpur und Scepter anvertrauet hat, mißbrauchen zum öftern ihre Gewalt und ihr Ansehen. Grausamkeit, Unrecht, Tyranney und Blutvergiessen, bleiben insgemein an denjenigen ungerochen, welche sich durch ihren Rang in der Welt unverletzlich gemacht haben. Hier strafet der Herr an seinem königlichen Sohne alle Sünden der Grossen, und die Schmerzen seiner Dornen- krone versöhnen jene Ungerechtigkeiten, die von ihnen un- geahndet begangen werden. -- Und wenn ich den Erlöser
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Grauſame Verſpottung Jeſu.
terthan dieſes Königes. Würde es wohl anſtändig ſeyn, wenn ich mehr Freuden und mehr Ehre ſuchte, als er erhal- ten konnte?
Allein dies iſt nur eine Seite, von welcher ich dieſe Leiden Jeſu betrachte. Aber ſie iſt nicht eigentlich diejenige, die mir Jeſum auch unter dieſen Mißhandlungen als den Mittler der Menſchen vorſtellet. Es läßt ſich nicht geden- ken, daß Jeſus ohne Urſache gerade dieſes und kein andres Leiden hätte ausſtehen ſollen. Um mir bloß ein Beyſpiel zu geben, wie ich mich bey ähnlichen Leiden betragen ſoll, dazu war dieſe beſondre Schmach nicht nöthig, da die al- lerwenigſten Menſchen in gleiche Umſtände mit Jeſu kom- men können. Ich bin vollkommen überzeugt, daß die Ab- ſichten Jeſu bey dieſer beſondern Art des Leidens auf weit höhere Wirkungen gerichtet waren. Ich ſchäme mich nicht, der Modedenkungsart unſrer Zeiten zuwider, zu bekennen, daß ich in der Dornenkrönung und allen damit verbunde- nen Mißhandlungen Jeſu, einen Beweis von der Allge- meinheit ſeiner Genugthuung finde.
Der König aller Könige wird mit Dornen gekrönet. Sollten nicht dadurch diejenigen Sünden an ihm geſtraft worden ſeyn, welche unter dem Schutz einer irdiſchen Kro- ne gegen alle Ahndungen ſichergeſtellt ſind? Perſonen, welche die Vorſehung aus dem Staube hervorgezogen, de- nen ſie Kronen, Purpur und Scepter anvertrauet hat, mißbrauchen zum öftern ihre Gewalt und ihr Anſehen. Grauſamkeit, Unrecht, Tyranney und Blutvergieſſen, bleiben insgemein an denjenigen ungerochen, welche ſich durch ihren Rang in der Welt unverletzlich gemacht haben. Hier ſtrafet der Herr an ſeinem königlichen Sohne alle Sünden der Groſſen, und die Schmerzen ſeiner Dornen- krone verſöhnen jene Ungerechtigkeiten, die von ihnen un- geahndet begangen werden. — Und wenn ich den Erlöſer
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Grauſame Verſpottung Jeſu.
terthan dieſes Königes. Würde es wohl anſtändig ſeyn,
wenn ich mehr Freuden und mehr Ehre ſuchte, als er erhal-
ten konnte?
Allein dies iſt nur eine Seite, von welcher ich dieſe
Leiden Jeſu betrachte. Aber ſie iſt nicht eigentlich diejenige,
die mir Jeſum auch unter dieſen Mißhandlungen als den
Mittler der Menſchen vorſtellet. Es läßt ſich nicht geden-
ken, daß Jeſus ohne Urſache gerade dieſes und kein andres
Leiden hätte ausſtehen ſollen. Um mir bloß ein Beyſpiel
zu geben, wie ich mich bey ähnlichen Leiden betragen ſoll,
dazu war dieſe beſondre Schmach nicht nöthig, da die al-
lerwenigſten Menſchen in gleiche Umſtände mit Jeſu kom-
men können. Ich bin vollkommen überzeugt, daß die Ab-
ſichten Jeſu bey dieſer beſondern Art des Leidens auf weit
höhere Wirkungen gerichtet waren. Ich ſchäme mich nicht,
der Modedenkungsart unſrer Zeiten zuwider, zu bekennen,
daß ich in der Dornenkrönung und allen damit verbunde-
nen Mißhandlungen Jeſu, einen Beweis von der Allge-
meinheit ſeiner Genugthuung finde.
Der König aller Könige wird mit Dornen gekrönet.
Sollten nicht dadurch diejenigen Sünden an ihm geſtraft
worden ſeyn, welche unter dem Schutz einer irdiſchen Kro-
ne gegen alle Ahndungen ſichergeſtellt ſind? Perſonen,
welche die Vorſehung aus dem Staube hervorgezogen, de-
nen ſie Kronen, Purpur und Scepter anvertrauet hat,
mißbrauchen zum öftern ihre Gewalt und ihr Anſehen.
Grauſamkeit, Unrecht, Tyranney und Blutvergieſſen,
bleiben insgemein an denjenigen ungerochen, welche ſich
durch ihren Rang in der Welt unverletzlich gemacht haben.
Hier ſtrafet der Herr an ſeinem königlichen Sohne alle
Sünden der Groſſen, und die Schmerzen ſeiner Dornen-
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/141>, abgerufen am 16.02.2025.
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