Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.Erleichterung Jesu bey seinem Todesgange. Simon, welcher gewürdiget wurde, Jesu das Kreuz die J 2
Erleichterung Jeſu bey ſeinem Todesgange. Simon, welcher gewürdiget wurde, Jeſu das Kreuz die J 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0153" n="131"/> <fw place="top" type="header">Erleichterung Jeſu bey ſeinem Todesgange.</fw><lb/> <p>Simon, welcher gewürdiget wurde, Jeſu das Kreuz<lb/> nachzutragen, war der Vater von zween Söhnen, wel-<lb/> che hernach Chriſten und ſogar Lehrer des Evangelii wur-<lb/> den. Es iſt überaus wahrſcheinlich, daß dieſer Mann bey<lb/> ſolcher Gelegenheit den erſten Eindruck von der Wahr-<lb/> heit und Göttlichkeit der Perſon Jeſu erhalten, und hier<lb/> der Grund zu der gläubigen Annahme ſeiner Lehre gelegt<lb/> worden. So kann der Allweiſe ſolche Begebenheiten, die<lb/> uns erſt unangenehm ſcheinen, zu unſerm wahren Beſten<lb/> lenken. Wie beſchwerlich mußte es dem Simon dünken,<lb/> daß man ihn zu dieſer ſchimpflichen Bemühung nöthigte, ei-<lb/> nem Verurtheilten das Kreuz nachzutragen! Aber wie<lb/> oft wird er nachher die Güte der Wege Gottes geprieſen<lb/> haben, wenn er bedachte, daß dieſe beſchwerliche Arbeit<lb/> ihn zur Erkenntniß Chriſti und der Wahrheit ſeiner Lehre<lb/> geleitet hatte! Und auch ich werde Gelegenheit haben, die-<lb/> ſe Erfahrung unter meinen Leiden zu machen. Wenn es<lb/> Gott gefällt, mir einen Theil von Widerwärtigkeiten zu-<lb/> zumeſſen, ſo werde ich es auch anfänglich für eine harte<lb/> Schickung halten. Allein ich werde, je länger ich mein<lb/> Kreuz trage, deſto beſſer einſehen, wie heilſam es für meine<lb/> Seele und für meine wahre Wohlfahrt iſt. Die Armuth<lb/> die ich etwa erdulden muß, wird mir die Reichthümer der<lb/> Gnade deſto ſchätzbarer machen. Durch die Krankheit wer-<lb/> de ich angetrieben werden, an das Heil meines unſterbli-<lb/> chen Geiſtes zu denken. Die Verachtung, welche ich von<lb/> der Welt erfahren muß, wird mich ermuntern, die Ehre<lb/> bey Gott zu ſuchen. Der Verluſt desjenigen, was mir<lb/> auf der Welt das Liebſte war, wird mir zur Ermunterung<lb/> dienen, mich deſto ernſtlicher um die Freundſchaft und Lie-<lb/> be Gottes zu bemühen. Kurz, alle Zufälle, welche mir<lb/> begegnen, werden mir, wenn ich ſie heilſam anwende, zur<lb/> Beförderung meiner Seligkeit dienen. Ich werde alsdann<lb/> <fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0153]
Erleichterung Jeſu bey ſeinem Todesgange.
Simon, welcher gewürdiget wurde, Jeſu das Kreuz
nachzutragen, war der Vater von zween Söhnen, wel-
che hernach Chriſten und ſogar Lehrer des Evangelii wur-
den. Es iſt überaus wahrſcheinlich, daß dieſer Mann bey
ſolcher Gelegenheit den erſten Eindruck von der Wahr-
heit und Göttlichkeit der Perſon Jeſu erhalten, und hier
der Grund zu der gläubigen Annahme ſeiner Lehre gelegt
worden. So kann der Allweiſe ſolche Begebenheiten, die
uns erſt unangenehm ſcheinen, zu unſerm wahren Beſten
lenken. Wie beſchwerlich mußte es dem Simon dünken,
daß man ihn zu dieſer ſchimpflichen Bemühung nöthigte, ei-
nem Verurtheilten das Kreuz nachzutragen! Aber wie
oft wird er nachher die Güte der Wege Gottes geprieſen
haben, wenn er bedachte, daß dieſe beſchwerliche Arbeit
ihn zur Erkenntniß Chriſti und der Wahrheit ſeiner Lehre
geleitet hatte! Und auch ich werde Gelegenheit haben, die-
ſe Erfahrung unter meinen Leiden zu machen. Wenn es
Gott gefällt, mir einen Theil von Widerwärtigkeiten zu-
zumeſſen, ſo werde ich es auch anfänglich für eine harte
Schickung halten. Allein ich werde, je länger ich mein
Kreuz trage, deſto beſſer einſehen, wie heilſam es für meine
Seele und für meine wahre Wohlfahrt iſt. Die Armuth
die ich etwa erdulden muß, wird mir die Reichthümer der
Gnade deſto ſchätzbarer machen. Durch die Krankheit wer-
de ich angetrieben werden, an das Heil meines unſterbli-
chen Geiſtes zu denken. Die Verachtung, welche ich von
der Welt erfahren muß, wird mich ermuntern, die Ehre
bey Gott zu ſuchen. Der Verluſt desjenigen, was mir
auf der Welt das Liebſte war, wird mir zur Ermunterung
dienen, mich deſto ernſtlicher um die Freundſchaft und Lie-
be Gottes zu bemühen. Kurz, alle Zufälle, welche mir
begegnen, werden mir, wenn ich ſie heilſam anwende, zur
Beförderung meiner Seligkeit dienen. Ich werde alsdann
die
J 2
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