niß, wenn ich Jesum durch die unsinnigsten Lästerungen gemißhandelt sahe, so wird nun dieses Aergerniß dadurch gehoben, da ich ihn in seiner Grösse erblicke, welche kein Spott, keine Lästerung im geringsten schmälern konnte. -- Wahrlich! Jesus, der Gekreuzigte, ist der Sohn Got- tes. Sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlich- keit von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Und wie tröstlich ist es für meinen Glauben, daß die- ser König ein Freund der Sünder ist! Es würden die Be- weise seiner göttlichen Hoheit nicht so einnehmend seyn, als sie wirklich sind, wenn er nicht dieselben zum Besten der Sünder geäussert hätte. Wenn ich blos wüßte, daß sein Reich und seine Herrlichkeit von ewiger Dauer wäre, so würde mich dis nicht so sehr entzücken, als da ich weis, daß ich auch an seinem Reiche und an seiner Herrlichkeit An- theil habe. Wenn ich in der Person des leidenden Jesu den Sohn Gottes erblickte, so würde mich dieses zwar mit Erstaunen erfüllen, aber zugleich abschrecken, mich ihm zu nähern. Allein erquickender Gedanke! Jesus, der Sohn Gottes, ist ein Freund der Sünder, er ist mein Gott, mein König und mein Heiland! Und dis war es, was das Herz des bußfertigen Schächers zufrieden stellte. In der grossen Bekümmerniß seiner Seele, bey der Annähe- rung seines Todes, konnte ihn nichts stärker aufrichten, nichts mit mehr Freudigkeit erfüllen, als die Liebe, mit welcher Jesus sich seiner annahm. Er hatte ihm das An- liegen seines Herzens entdeckt, und Jesus war bereitwillig, ihn davon zu befreyen, ja ihm noch mehr zu verheissen, als warum er ihn angefleht hatte. Der Schächer bat ihn, daß er seiner eingedenk seyn möchte, wenn er in sein Reich gekommen wäre. Er konnte vermuthen, daß seine Quaal am Kreuze noch lange dauren würde: er wünschte daher nur, daß wenn sein Ende erfolgte, er Gnade finden
und
Sieben und dreyßigſte Betrachtung.
niß, wenn ich Jeſum durch die unſinnigſten Läſterungen gemißhandelt ſahe, ſo wird nun dieſes Aergerniß dadurch gehoben, da ich ihn in ſeiner Gröſſe erblicke, welche kein Spott, keine Läſterung im geringſten ſchmälern konnte. — Wahrlich! Jeſus, der Gekreuzigte, iſt der Sohn Got- tes. Sein iſt das Reich und die Kraft und die Herrlich- keit von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Und wie tröſtlich iſt es für meinen Glauben, daß die- ſer König ein Freund der Sünder iſt! Es würden die Be- weiſe ſeiner göttlichen Hoheit nicht ſo einnehmend ſeyn, als ſie wirklich ſind, wenn er nicht dieſelben zum Beſten der Sünder geäuſſert hätte. Wenn ich blos wüßte, daß ſein Reich und ſeine Herrlichkeit von ewiger Dauer wäre, ſo würde mich dis nicht ſo ſehr entzücken, als da ich weis, daß ich auch an ſeinem Reiche und an ſeiner Herrlichkeit An- theil habe. Wenn ich in der Perſon des leidenden Jeſu den Sohn Gottes erblickte, ſo würde mich dieſes zwar mit Erſtaunen erfüllen, aber zugleich abſchrecken, mich ihm zu nähern. Allein erquickender Gedanke! Jeſus, der Sohn Gottes, iſt ein Freund der Sünder, er iſt mein Gott, mein König und mein Heiland! Und dis war es, was das Herz des bußfertigen Schächers zufrieden ſtellte. In der groſſen Bekümmerniß ſeiner Seele, bey der Annähe- rung ſeines Todes, konnte ihn nichts ſtärker aufrichten, nichts mit mehr Freudigkeit erfüllen, als die Liebe, mit welcher Jeſus ſich ſeiner annahm. Er hatte ihm das An- liegen ſeines Herzens entdeckt, und Jeſus war bereitwillig, ihn davon zu befreyen, ja ihm noch mehr zu verheiſſen, als warum er ihn angefleht hatte. Der Schächer bat ihn, daß er ſeiner eingedenk ſeyn möchte, wenn er in ſein Reich gekommen wäre. Er konnte vermuthen, daß ſeine Quaal am Kreuze noch lange dauren würde: er wünſchte daher nur, daß wenn ſein Ende erfolgte, er Gnade finden
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Sieben und dreyßigſte Betrachtung.
niß, wenn ich Jeſum durch die unſinnigſten Läſterungen
gemißhandelt ſahe, ſo wird nun dieſes Aergerniß dadurch
gehoben, da ich ihn in ſeiner Gröſſe erblicke, welche kein
Spott, keine Läſterung im geringſten ſchmälern konnte. —
Wahrlich! Jeſus, der Gekreuzigte, iſt der Sohn Got-
tes. Sein iſt das Reich und die Kraft und die Herrlich-
keit von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Und wie tröſtlich iſt es für meinen Glauben, daß die-
ſer König ein Freund der Sünder iſt! Es würden die Be-
weiſe ſeiner göttlichen Hoheit nicht ſo einnehmend ſeyn, als
ſie wirklich ſind, wenn er nicht dieſelben zum Beſten der
Sünder geäuſſert hätte. Wenn ich blos wüßte, daß ſein
Reich und ſeine Herrlichkeit von ewiger Dauer wäre, ſo
würde mich dis nicht ſo ſehr entzücken, als da ich weis, daß
ich auch an ſeinem Reiche und an ſeiner Herrlichkeit An-
theil habe. Wenn ich in der Perſon des leidenden Jeſu
den Sohn Gottes erblickte, ſo würde mich dieſes zwar mit
Erſtaunen erfüllen, aber zugleich abſchrecken, mich ihm zu
nähern. Allein erquickender Gedanke! Jeſus, der Sohn
Gottes, iſt ein Freund der Sünder, er iſt mein Gott, mein
König und mein Heiland! Und dis war es, was das
Herz des bußfertigen Schächers zufrieden ſtellte. In
der groſſen Bekümmerniß ſeiner Seele, bey der Annähe-
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nichts mit mehr Freudigkeit erfüllen, als die Liebe, mit
welcher Jeſus ſich ſeiner annahm. Er hatte ihm das An-
liegen ſeines Herzens entdeckt, und Jeſus war bereitwillig,
ihn davon zu befreyen, ja ihm noch mehr zu verheiſſen, als
warum er ihn angefleht hatte. Der Schächer bat ihn,
daß er ſeiner eingedenk ſeyn möchte, wenn er in ſein Reich
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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