1. Mit welcher Behutsamkeit und Sorgfalt muß ich mein Christenthum führen, wenn ich bedenke, daß der Herr genau mein Herz kennet, und die Tiefen meiner Seele durchschauet!
2. Judas kann mich durch sein Beyspiel belehren, wie die Sün- de einen Menschen so weit bringen kann, daß er ohne Schaam und Gefühl von einem Laster zum andern fortgeht.
3. Es ist mir ungemein tröstlich, wenn ich bemerke, mit wel- cher herablassenden Liebe Jesus die Schwachheiten seiner Jünger erträgt.
9. Unterhandlung Judä mit den Feinden Jesu.
Judas machte sich sogleich auf den Weg nach Jeru- salem, um seinen verrätherischen Anschlag auszuführen. Er begab sich, so bald er in die Stadt angelangt war, zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels, welche über die Wachten der Priester und Leviten die Aufsicht hatten, und that ihnen den Antrag, daß er Jesum, gegen eine be- trächtliche Belohnung in ihre Hände liefern wollte. Die- ses Anerbieten war ihnen ungemein angenehm, und sie ver- sprachen ihm dreyßig Silberstücke auszuzahlen, wenn er ihnen Jesum ausliefern würde. Er machte sich auch dazu durch einen Eid anheischig; worauf sie ihm die versproche- ne Summe sogleich darwogen. Von diesem Augenblick an suchte Judas eine bequeme Gelegenheit, wie er seinen Meister ohne Lärm oder Auflauf des Volks in ihre Hände liefern möchte.
Praktische Anmerkungen.
1. Wie eifrig und hart macht einen Menschen die Begierde Böses zu thun! Um seine verruchten Absichten auszuführen scheuet der Lasterhafte keine Arbeit, keine Gefahr, keine Un- bequemlichkeit.
2. Es ist nichts ungewöhnliches, daß die schändlichsten Sün- den von solchen Leuten begangen werden, die entweder den Schein
der
Sturms Leidensgeschichte. O
vor dem Leiden Jeſu.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Mit welcher Behutſamkeit und Sorgfalt muß ich mein Chriſtenthum führen, wenn ich bedenke, daß der Herr genau mein Herz kennet, und die Tiefen meiner Seele durchſchauet!
2. Judas kann mich durch ſein Beyſpiel belehren, wie die Sün- de einen Menſchen ſo weit bringen kann, daß er ohne Schaam und Gefühl von einem Laſter zum andern fortgeht.
3. Es iſt mir ungemein tröſtlich, wenn ich bemerke, mit wel- cher herablaſſenden Liebe Jeſus die Schwachheiten ſeiner Jünger erträgt.
9. Unterhandlung Judä mit den Feinden Jeſu.
Judas machte ſich ſogleich auf den Weg nach Jeru- ſalem, um ſeinen verrätheriſchen Anſchlag auszuführen. Er begab ſich, ſo bald er in die Stadt angelangt war, zu den Hohenprieſtern und Hauptleuten des Tempels, welche über die Wachten der Prieſter und Leviten die Aufſicht hatten, und that ihnen den Antrag, daß er Jeſum, gegen eine be- trächtliche Belohnung in ihre Hände liefern wollte. Die- ſes Anerbieten war ihnen ungemein angenehm, und ſie ver- ſprachen ihm dreyßig Silberſtücke auszuzahlen, wenn er ihnen Jeſum ausliefern würde. Er machte ſich auch dazu durch einen Eid anheiſchig; worauf ſie ihm die verſproche- ne Summe ſogleich darwogen. Von dieſem Augenblick an ſuchte Judas eine bequeme Gelegenheit, wie er ſeinen Meiſter ohne Lärm oder Auflauf des Volks in ihre Hände liefern möchte.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Wie eifrig und hart macht einen Menſchen die Begierde Böſes zu thun! Um ſeine verruchten Abſichten auszuführen ſcheuet der Laſterhafte keine Arbeit, keine Gefahr, keine Un- bequemlichkeit.
2. Es iſt nichts ungewöhnliches, daß die ſchändlichſten Sün- den von ſolchen Leuten begangen werden, die entweder den Schein
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Sturms Leidensgeſchichte. O
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vor dem Leiden Jeſu.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Mit welcher Behutſamkeit und Sorgfalt muß ich mein
Chriſtenthum führen, wenn ich bedenke, daß der Herr genau
mein Herz kennet, und die Tiefen meiner Seele durchſchauet!
2. Judas kann mich durch ſein Beyſpiel belehren, wie die Sün-
de einen Menſchen ſo weit bringen kann, daß er ohne Schaam
und Gefühl von einem Laſter zum andern fortgeht.
3. Es iſt mir ungemein tröſtlich, wenn ich bemerke, mit wel-
cher herablaſſenden Liebe Jeſus die Schwachheiten ſeiner Jünger
erträgt.
9. Unterhandlung Judä mit den Feinden Jeſu.
Judas machte ſich ſogleich auf den Weg nach Jeru-
ſalem, um ſeinen verrätheriſchen Anſchlag auszuführen. Er
begab ſich, ſo bald er in die Stadt angelangt war, zu den
Hohenprieſtern und Hauptleuten des Tempels, welche über
die Wachten der Prieſter und Leviten die Aufſicht hatten,
und that ihnen den Antrag, daß er Jeſum, gegen eine be-
trächtliche Belohnung in ihre Hände liefern wollte. Die-
ſes Anerbieten war ihnen ungemein angenehm, und ſie ver-
ſprachen ihm dreyßig Silberſtücke auszuzahlen, wenn er
ihnen Jeſum ausliefern würde. Er machte ſich auch dazu
durch einen Eid anheiſchig; worauf ſie ihm die verſproche-
ne Summe ſogleich darwogen. Von dieſem Augenblick
an ſuchte Judas eine bequeme Gelegenheit, wie er ſeinen
Meiſter ohne Lärm oder Auflauf des Volks in ihre Hände
liefern möchte.
Praktiſche Anmerkungen.
1. Wie eifrig und hart macht einen Menſchen die Begierde
Böſes zu thun! Um ſeine verruchten Abſichten auszuführen
ſcheuet der Laſterhafte keine Arbeit, keine Gefahr, keine Un-
bequemlichkeit.
2. Es iſt nichts ungewöhnliches, daß die ſchändlichſten Sün-
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/231>, abgerufen am 18.06.2024.
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